Sechs Krimis: Ferienkiller. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.wirklicher Name lautet Svetlana Bykow...“
Sie schluckte. Ihr Gesicht wurde dunkelrot.
„Es geht wahrscheinlich mal wieder um meinen Bruder und seine Geschäfte!“, stieß sie hervor.
„Was wissen Sie darüber?“, fragte Jürgen.
„Nur, dass sie nicht legal sind und ich nichts damit zu tun haben will.“
„Gilt das nur für die Geschäfte oder auch für Ihren Bruder persönlich?“
„Für beides.“
„Er hat Ihnen zu Ihrem neuen Leben hier in Deutschland verholfen“, gab Olli etwas verständnislos zu bedenken.
Sie nickte. „Das mag sein. Aber seine illegalen Geschäfte sind auch der Grund dafür, dass ich meine Identität verändern musste. Er tauchte plötzlich auf und meinte, ich müsste von heute auf morgen alle Brücken abbrechen, damit ein paar Leute, mit denen er wohl Meinungsverschiedenheiten hatte, nicht auf die Idee kämen, ihn damit unter Druck zu setzen, dass sie mich entführten oder dergleichen.“
„Wenn wir Sie finden konnten, können andere das auch. Wenn Sie also wissen, mit wem sich Ihr Bruder angelegt hat, dann sollten Sie uns das sagen. Jede auch noch so vage Vermutung könnte wichtig sein. Davon abgesehen brauchen wir eine Speichelprobe von Ihnen, um die DNA eines Blutflecks mit Ihrer zu vergleichen. Nur so können wir vielleicht feststellen, was mit Ihrem Bruder geschehen ist!“
„Können Sie mich dazu zwingen?“
„Es scheint Sie ja nicht sehr zu kümmern, ob ihr Bruder nun tot ist oder nicht.“
Sie zuckte die Schultern. Ihr Mund wirkte wie ein gerader Strich.
„Wie ich Ihnen gerade schon schilderte, haben wir unsere Probleme miteinander. Aber Sie haben Recht. Bei dieser Sache sollte das alles keine Rolle spielen.“
„Das ist vernünftig“, nickte Jürgen.
„Dann sagen Sie mir, was ich tun muss, um diese Probe abzugeben?“
„Das können wir gleich hier mit einem Wattestäbchen machen, das Sie in den Mund nehmen.“
26
Am frühen Abend trafen wir uns noch zu einer kurzen Besprechung bei Kriminaldirektor Bock im Büro. Mir fiel auf, dass Marenkov den Kaffee nicht anrührte, den Mandy uns gekocht hatte. Davon abgesehen war der Mann aus Russland überraschend schweigsam. Ich hatte ihn Anfangs eigentlich für jemanden gehalten, der es liebte, sich in den Vordergrund zu spielen, wenn es die Situation zuließ. Offenbar hatte ich mich getäuscht.
„Mögen Sie keinen Kaffee?“, fragte ich.
„Ich habe mir in Vietnam eine Mageninfektion geholt und vertrage ihn seitdem nicht mehr“, sagte Marenkov.
Ich hatte etwas darüber in dem offiziellen Lebenslauf gelesen, den man uns aus dem russischen Innenministerium übersandt hatte. Trotzdem tat ich überrascht. „Sie waren in Vietnam?“
Marenkov nickte. „Als Berater. Ich habe in Saigon eine Polizei-Truppe aufgebaut, die den illegalen Ausverkauf einheimischer Kulturgüter verhindern sollte. Und das war bitter nötig! Vor allem aus dem benachbarten Kambodscha sind unzählige Objekte auf dem Markt und werden von Saigon – Verzeihung: Ho-Tschi-Minh-Stadt – aus in alle Welt vertrieben.“
Der Obduktionsbericht lag inzwischen vor und sogar die die ballistischen Tests waren bereits durchgeführt worden.
„Der Bericht liegt zwar noch nicht schriftlich vor, aber die Ballistiker sagen, dass die Kugel, mit der Dommacher umgebracht wurde, aus derselben Waffe stammt, die Thränhart und seine Freundin tötete“, erklärte Kriminaldirektor Bock und wandte den Kopf ein paar Grad in meine Richtung, ehe er fort fuhr. „...und um ein Haar ja auch Sie, Harry.“
„Erinnern Sie mich nicht daran, Sir!“, wehrte ich ab. „Ich hätte den Kerl um ein Haar gehabt!“
Aber der ‚Schatten’ war mir eben doch um das entscheidende Quäntchen voraus gewesen – und das wurmte mich.
„Was ist mit dieser Nora, die für eine Weile ständiger Gast in Herr Bykows Wohnung gewesen ist?“ fragte ich.
„Auch da haben wir jetzt einen Anhaltspunkt“, erklärte Max Herter. „Und zwar durch eines der Kleider, das wir sichergestellt haben. Es ist ihr auf den Leib geschneidert worden – und zwar von einem gewissen Manuel DiGiorgio aus Berlin, dessen Kreationen im Moment auf den Laufstegen Furore machen.“
„Aber es ist die Frage, ob diese Nora tatsächlich so wichtig ist. Vielleicht sollten wir uns erst einmal auf diesen Hehler namens Ferdinand Teckenstett konzentrieren“, schlug Kriminaldirektor Bock vor.
„Ganz meiner Meinung!“, stimmte Marenkov zu.
„Über Ferdinand Teckenstett habe ich etwas herausgefunden“, erklärte Max. „Er erlitt vor kurzem einen Verkehrsunfall. Die Sache ereignete sich in Hamburg. Teckenstett liegt seitdem im Koma.“
„Und es lagen keine Hinweise darauf vor, dass es sich vielleicht um ein Verbrechen handelte?“, schaltete ich mich sofort ein.
Max schüttelte den Kopf.
„Offensichtlich nicht, sonst wären mit Sicherheit entsprechende Ermittlungen eingeleitet worden. Aber ich werde die Akten anfordern und der Sache nachgehen.“
„Tun Sie das, Max“, sagt Kriminaldirektor Bock. Er wandte sich Marenkov zu. „Morgen hätte ich gerne, dass Sie unserem Kollegen Friedrich Richards zur Verfügung stehen. Vielleicht schaffen Sie es gemeinsam, die Geldströme nachvollziehbar zu machen, die die Lebensader der Eremitage-Connection sind.“
„Wie Sie möchten. Meine Abteilung arbeitet schon seit Jahren an dem Problem. Leider nur mit mäßigem Erfolg. Aber wenn wir unsere Kenntnisse zusammenfügen, könnte das eine Möglichkeit sein, um diese Organisation endlich zu knacken!“
Eines der Telefone auf Kriminaldirektor Bocks Schreibtisch klingelte. Herr Bock nahm ab.
„Herr Prewitt? Was gibt es?“ Eine kurze Pause folgte, ehe Herr Bock fortfuhr: „Ich werde es ausrichten.“ Er beendete das Gespräch und wandte sich an uns. „Herr Prewitt hat Ihnen allen das Phantombild von dem Mann, der mit Bykow im Café gesessen hat, aufs Handy geschickt.“
Wir griffen zu unseren Smartphones.
„Sein Haarschnitt sieht tatsächlich aus wie bei Cäsar“, sagte Rudi.
Ich runzelte die Stirn. „Sag mal Rudi, den kennen wir doch?“
„Ja?“
„Der kam doch aus Gallescos Büro.“
„Stimmt“, meinte Rudi. „Jetzt, wo du es sagst.“
„Ich glaube, Sie werden mit Herrn Gallesco nochmal reden müssen“, sagte Kriminaldirektor Bock.
27
Der Morgen war klirrend kalt. Dunst zog herauf und hüllte bald in dicken Schwaden die ganze Stadt ein. Der Dunst kam auch bis zu der großen Müllkippe aus der Zeit des Sozialismus im Osten der Stadt.
Frank Pötter saß am Steuer seines Bulldozers. Die Maschine brüllte auf, als der Abfallhaufen, den sie vor sich her schob, zu groß wurde.
Wertstoffe waren das jetzt. Erst wurden sie getrennt, dann wieder zusammengekippt und schließlich landete fast alles davon in derselben Verbrennungsanlage.
Der Motor zu stottern und ging schließlich aus.
„Verdammt!“, schimpfte Pötter und kletterte aus der Kabine. Pötter zog sich die Strickmütze tiefer ins Gesicht, um sich vor dem kalten Wind zu schützen. Möwen kreischten über der Müllkippe.
„Was ist denn nun schon wieder!“, rief ein ziemlich aufgebrachter,