Sechs Krimis: Ferienkiller. Alfred Bekker

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Sechs Krimis: Ferienkiller - Alfred Bekker


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ließ den Blick schweifen. „Ein idealer Ort für jemanden, der untertauchen will“, lautete sein Kommentar.

      Der zuständige Einsatzleiter begrüßte uns. Sein Name war Wuttke. Er trug einen feuerroten Vollbart und überragte Rudi und mich um fast einen ganzen Kopf.

      „Gut, dass Sie kommen“, sagte Wuttke.

      „Haben Sie etwas gefunden?“

      „Das kann man wohl sagen. Folgen Sie mir bitte.“

      Wir folgten Wuttke zu ein paar Sträuchern, ungefähr hundert Meter vom Haus entfernt.

      Dazwischen lag der Körper einer jungen Frau. Sie war offenbar in einen Teppich eingerollt worden, der jetzt an manchen Stellen blutdurchtränkt war.

      „Das Bündel war mit Zweigen und Blättern so getarnt, dass man es so ohne weiteres gar nicht finden konnte, wenn man nicht gerade danach sucht“, berichtete Wuttke.

      „Wurde das Handy gefunden?“

      „Nein. Aber es ist hier zum letzten Mal im aktiven Status gewesen – und zwar genau genommen im Haus.“

      „Dann ist dort das Verbrechen begangen worden“, stellte ich fest.

      Wuttke bestätigte dies. „Das stimmt. Der Teppich lag dort. Das Holz außen herum ist vom Tageslicht verschossen worden, sodass man genau sehen kann wo der Teppich lag. Das Opfer starb an einem Durchschuss und wir haben ein Einschussloch in der Wand gefunden, dass dazu passen würde. Aber der Täter hat sich die Mühe gemacht, das Projektil herauszukratzen.“

      „Das scheint Bykows besondere Handschrift zu sein“, stellte Rudi fest.

      Ich nickte leicht. „Eine Handschrift, die sich deutlich von der Vorgehensweise des Killers unterscheidet, der Kai-Uwe Thränhart und seine Freundin auf dem Gewissen hat!“

      „Und beinahe auch dich, Harry!“

      Marenkov kniete sich unterdessen neben den sterblichen Überresten von Nora Coldewey nieder und ließ suchend den Blick schweifen. Nicht nur über das, was auf dem Teppich zu finden war, sondern auch in der näheren Umgebung.

      „Bykow kann noch nicht allzu weit weg sein“, glaubte er.

      „Was glauben Sie, wo er jetzt hingeht?“, fragte ich.

      Marenkov antwortete nicht gleich. „Er will uns loswerden – und wenn er dazu noch jemanden umlegen muss, dann tut er das.“

      „Wer könnte da noch auf der Liste stehen?“

      „Da fragen Sie mich zuviel, Harry.“

      Ich fragte: „Und wen hat er in der Galerie umgebracht?“

      „Vielleicht bekommt er ja noch Gelegenheit, uns das zu erklären“, glaubte Rudi.

      Marenkov schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Sie sind zu optimistisch, Rudi.“

      „Wieso?“

      „Weil wir immer einen Schritt zu spät sein werden. Wir müssen uns in ihn hineinversetzen und versuchen, seine Handlungsweise vorauszusehen. Sonst entwischt er uns.“

      Marenkov erhob sich wieder.

      „Leichter gesagt als getan“, lautete Rudis ernüchterndes Fazit.

      „Es ist die einzige Chance. Ich habe übrigens telefonisch Kontakt zu einem ehemaligen KGB-Agenten aufgenommen der jahrelang für die Sowjetunion tätig war und sich nach dem Ende der Sowjetunion in den Ruhestand verabschiedet hat.“

      „Um wen handelt es sich?“

      Marenkov lächelte. „Das kann ich Ihnen nicht sagen, Harry. Der Mann würde sich der deutschen Strafverfolgung aussetzen. Aber er weiß hervorragend Bescheid und er hatte zum selben Netzwerk Kontakt, zu dem auch Bykow gehörte. Wer einmal dazugehörte, wird von den anderen nie aus den Augen gelassen. Das ist nun mal so.“

      „Sie wissen, dass Sie hier auf deutschem Boden nicht allein ermitteln dürfen“, gab ich ihm zu bedenken.

      „Das weiß ich. Aber ich darf doch private Gespräche führen oder? Mein Kontaktmann kennt Bykow sehr gut und könnte uns weiterhelfen.“

      „Ich gehe davon aus, dass wir Sie bei dem Treffen begleiten.“

      „Dann würde mein Kontaktmann nicht einen Ton sagen. Er ist scheu wie ein Reh.“

      Unsere Blicke begegneten sich.

      Er musterte mich auf eine Weise, die mir seltsam vorkam.

      „Sprechen Sie mit Kriminaldirektor Bock, bevor Sie sich in diese juristische Grauzone begeben. Sonst stehen wir am Ende mit Beweisen da, die vor Gericht nicht zugelassen werden, weil die Rechte des Angeklagten verletzt wurden!“

      „Wie Sie meinen“, murmelte Marenkov düster.

      Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Aussicht nicht behagte.

      35

      Am Abend fuhr Marenkov nach Berlin-Wilmersdorf, wo er sich in einer Pension eingemietet hatte.

      Er betrat das Zimmer, schloss hinter sich die Tür und zog die Krawatte vom Hals. Dann zog er Mantel und Jackett aus. Valerij Marenkov fühlte sich wie verkleidet.

      Er verzichtete darauf, das Licht einzuschalten und setzte sich auf das Bett.

      Der Schein einer Neonreklame auf der anderen Straßenseite drang durch die Schlitze der Rollläden.

      Der Major wählte eine Nummer auf seinem Handy und hielt wenig später den Apparat ans Ohr.

      „Herr Gallesco? Wir müssen dringend noch einmal miteinander sprechen.“

      36

      Am nächsten Morgen schickte Kriminaldirektor Bock Rudi und mich zum Dienstgebäude der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst, wo Dr. Claus uns erwartete. Es ging um die Identifizierung einer Leiche, die auf einer ehemaligen DDR-Müllhalde in Brandenburg gefunden worden war, die man inzwischen zu einem sogenannte Wertstoffsammelzentrum umfunktioniert hatte.

      Wir trafen Dr. Claus in den Labors des gerichtsmedizinischen Instituts. Marenkov begleitete uns diesmal nicht. Er war meinem Rat gefolgt und hatte Kriminaldirektor Bock von dem Informanten berichtet, mit dem er sich treffen wollte und unser Chef hatte dazu offensichtlich sein Okay gegeben.

      „Gut, dass Sie schon hier sind“, begrüßte uns Dr. Claus. Er führte uns in die Leichenhalle. Er öffnete eines der Kühlfächer. Ich wunderte mich darüber, auf der Bahre nicht etwa ein weißes Tuch vorzufinden, durch dass sich die Konturen eines Menschen abhoben, wie das normalerweise bei den hier aufgebahrten Toten der Fall war.

      Stattdessen lag da ein Plastiksack, dessen Form nicht im Geringsten auf den Inhalt schließen ließ.

      Dr. Claus’ Gesicht wurde sehr ernst. „Ich mache diesen Job nun wirklich schon sehr lange, aber so etwas erlebe auch ich selten.“

      „Was ist passiert?“, fragte ich.

      „Die Leiche war in Einzelteile zersägt und völlig unkenntlich gemacht worden. Weil ein Hund sich den Fuß des Toten schnappte, wurden zwei Angestellte des Wertstoffsammelzentrums auf die Sache aufmerksam. Inzwischen bin ich mit der Obduktion weitgehend fertig. Todesursache war ein Kopfdurchschuss.“

      „Wie bei dem verschwundenen Toten aus Bykows Galerie!“, entfuhr es mir.

      „Der Gen-Test liegt vor, deswegen habe ich heute Morgen Kriminaldirektor Bock angerufen. Ein DNA-Vergleich ergab, dass der Blutfleck in der Galerie von dieser Leiche stammt.“

      „Und der Kopfdurchschuss passt auch zum restlichen Spurenbild am Tatort“, stellte Rudi fest.

      „Die Leichenteile waren in einen Teppich eingewickelt worden. Die Kollegen aus dem Labor sagen aber, dass der Tote zuerst in dem Teppich


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