Sechs Krimis: Ferienkiller. Alfred Bekker

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Sechs Krimis: Ferienkiller - Alfred Bekker


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SIG Sauer P226. 15 Patronen steckten im Magazin, eine im Lauf. Trotz dieser überlegenen Feuerkraft mochte Bykow die Waffe nicht. Er schwor auf die Makarow, die er wegen ihrer Zuverlässigkeit schätzte.

      Aber auf die Schnelle war eine Waffe dieses Typs nicht aufzutreiben gewesen.

      Und Bykow brauchte eine fabrikneue, völlig unbelastete und irgendwo registrierte Pistole. Schließlich war er gerade dabei sämtliche Brücken zu seinem vergangenen Leben abzubrechen.

      Ihm blieb keine andere Wahl, wenn er überleben wollte.

      Bykow verließ das Bad und blickte aus einem Fenster. Das kleine Holzhaus, das Bykow für zwei Wochen gemietet hatte, lag an einem der mecklenburgischen Seen. Es hatte einen eigenen Steg, an dem ein Anglerboot lag. Ansonsten war es von Wald umgeben.

      Ein Geländewagen hatte in der Einfahrt gehalten. Die Scheiben waren getönt.

      Die Fahrertür öffnete sich und eine junge Frau stieg aus.

      Bykow atmete tief durch.

      Er ging zur Haustür, öffnete und wartete dort.

      Die junge Frau trat auf ihn zu und stutzte, als sie Waffe in Bykows Hand sah.

      „Hey, was soll das?“

      „Bist du allein?“

      „Natürlich bin ich allein. Tu die Waffe weg! Der Wagen ist auf deinen neuen Namen zugelassen. Außerdem habe ich noch einen Führerschein mitgebracht, der dazu passt.“

      „Wer hat ihn gefälscht?“

      „Kurelin. Der war doch der erste, den ich ansprechen sollte. Es ist eine hervorragende Arbeit, genau wie der Pass, den du schon hast.“

      Sie reichte ihm den Führerschein. Bykow nickte schließlich und steckte ihn ein. „Du hast Recht, Nora. Eine hervorragende Arbeit.“

      „Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb du nicht einfach einen Flieger nimmst und dich an irgendeinem angenehmen Ort niederlässt.“

      „So einfach ist das nicht“, sagte Bykow. „Und vor allem habe ich vorher noch ein paar Dinge zu erledigen.“

      „Was?“

      „Zum Beispiel muss ich sicher sein, dass wirklich keine Spur mehr zu mir führen kann. Die Leute, die mich umbringen wollen, haben ehemalige KGB-Verbindungen.“

      „Die hast du auch“

      „Ja, aber ich habe das Gefühl, dass mit diesen Verbindungen im Moment eher gefährlich werden können, als sie mir nützen. Da geht einiges hinter den Kulissen vor sich – sowohl in St. Petersburg, als auch in Berlin...“

      „Ich habe alles, was du mir gesagt hast, eingekauft. Die Sachen liegen im Wagen. Du kannst ja mal schauen, ob alles dabei ist.“

      „Danke.“

      „Lass uns ins Haus gehen“, sagte sie.

      „Hör zu – die Tatsache, dass mir geholfen hast, heißt nicht, dass wir wieder ein Paar sind“, sagte Bykow kühl.

      Nora schluckte. „Das weiß ich.“

      Sie gingen zurück ins Haus.

      „Bringst du mich nachher noch zurück?“, fragte sie. Sie sah ihn überrascht an und blickte in die Mündung der Waffe, die er plötzlich wieder auf sie gerichtet hatte. „Soll das ein Witz sein, Wladi?“

      „Tut mir leid, Nora. Aber ich sagte dir ja, dass ich noch das eine oder andere zu erledigen habe. Ich muss wirklich alle Brücken hinter mir abbrechen.“

      Nora machte eine Bewegung auf ihn zu. Bykow drückte ab.

      Sie presste die Hände gegen die Schusswunde, versuchte vergeblich die Blutung zu stillen und starrte Bykow verständnislos an. Er sah seelenruhig zu, wie sie auf den Boden fiel. Er hatte darauf geachtet, dass sie auf dem Teppich stand.

      Auf dem Rücken war die Austrittswunde der Kugel zu sehen.

      Bykow steckte die Waffe weg.

      Er ging zur Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, holte ein Schweizer Taschenmesser aus einer Hosentasche und kratzte damit das Projektil aus dem Holz.

      31

      „Wir müssen komplett umdenken, Rudi.“

      „So, in wie fern?“

      „Bis jetzt sind wir ja immer davon ausgegangen, dass Bykow das Opfer war. Aber diese These hat der DNA-Test wie eine Seifenblase zerplatzen lassen. Vielleicht sollte wir uns daran gewöhnen, ihn als Täter zu sehen.“

      Wir waren auf dem Weg zu dem Schneider, der für Wladimir Bykows zumindest zeitweilige Freundin Nora ein Kleid angefertigt hatte.

      „Bykow hat jemanden in seiner eigenen Galerie umgebracht, Harry?“, fragte Rudi ungläubig.

      Ich nickte. „Ja - und anschließend ein paar Leute beauftragt, die für ihn aufgeräumt haben.“

      „Und Bykow selbst? Was ist aus dem geworden?“

      „Untergetaucht. Wir dachten bis jetzt, dass der Täter in Panik geriet, weil er durch irgendetwas gestört wurde, aber das war nicht der Fall. Es war Bykow, der alles so arrangierte, dass es wie ein Einbruch aussah. In Wahrheit hat er das selbst so drapiert.“

      „Und der Blutfleck, Harry?“

      „Den hat er mit Absicht hinterlassen. Seine Schwester war untergetaucht, er musste nicht damit rechnen, dass wir sie finden. Er musste eigentlich noch nicht einmal damit rechnen, dass in Frage gestellt würde, ob das Blut von ihm ist.“

      Rudi atmete tief durch und pfiff durch die Zähne.

      „Wenn es tatsächlich so ist, wie du sagst, dann hat Bykow zumindest ein Ziel erreicht: eine Menge Zeit gewonnen!“

      „Richtig.“

      32

      Das Atelier von Manuel DiGiorgio war in einem Haus untergebracht, das bis in die fünfziger Jahre ein Lagerhaus gewesen war.

      Marenkov begleitete uns, obwohl er ursprünglich unserem Kollegen Friedrich L. Richards bei seinen Ermittlungen helfen sollte. Wie es zu dieser Änderung gekommen war, wusste ich nicht genau und Marenkov selbst antwortete auf entsprechende Fragen nur ausweichend. Aber ich hatte mitbekommen, dass am Morgen ein Gespräch zwischen Kriminaldirektor Bock und dem Major unter vier Augen stattgefunden hatte.

      Offenbar hatte er es geschafft, unseren Chef davon zu überzeugen, dass es für den Fortgang der Ermittlungen wichtiger war, dass Marenkov Rudi und mich unterstützte.

      Manuel DiGiorgio empfing uns in den hohen, Licht durchfluteten Räumen seines Ateliers. Etwa ein Dutzend Näherinnen hatte er beschäftigt.

      Wir stellten uns vor und erkundigten uns nach Bykow und seiner Begleiterin.

      „Ich erinnere mich an Bykow“, sagte DiGiorgio und verzog das Gesicht. „Normalerweise sind Russen meine Lieblingskunden. Die schauen nicht so kleinlich auf das Geld, sondern kaufen sich einfach, was ihnen gefällt.“

      „Bei Bykow war das anders?“, hakte ich nach.

      „Ja. Er war sehr kritisch und hat immer wieder an den Entwürfen herumgemeckert. Seine Begleiterin war da viel unkomplizierter.“

      „Wissen Sie ihren vollständigen Namen?“

      „Natürlich. Einmal bekamen wir den Auftrag, ein Kleid direkt an ihre Adresse zu schicken. Warten Sie, ich schreibe Ihnen das auf!“

      33

      Wir fuhren dorthin. Es handelte sich um ein sehr gepflegtes Mietshaus, in dem es jedoch keinerlei sicherheitstechnischen Luxus gab. Dafür waren auf der Rückseite Parkplätze an der Oberfläche


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