Sammelband: 3 wüste Western. Alfred Bekker
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13
Ein Schuss pfeift durch das Fenster. Die Scheibe zerspringt.
Der Salooner verkriecht sich hinter seinem Tresen.
“Prediger! Komm raus!”, ruft eine heisere Stimme.
Aber der Prediger isst ungerührt sein Frühstück zu Ende.
Dann legt er einen Cent auf den Tresen.
“Das ist für dich, Salooner”, sagt er. “Für deine Unannehmlichkeiten. Und dafür, dass du hinterher sauber machst”
Der Prediger geht zu den Schwingtüren, stößt sie auf und tritt ins Freie.
Da stehen sie - der Colorado-Mann und seine fünf Gunslinger. Die Hände sind an den Colts. Und zwei der Männer haben Shotguns in den Händen, einer eine Winchester, die jetzt gerade mit einem ratschenden Laut durchgeladen wird.
Der Prediger schlägt den Rock zur Seite und legt die Griffe der Mauser-Pistolen frei.
“Ihr habt fünfmal sechs Schüsse in euren Colts”, sagt der Prediger ruhig. “Das macht dreißig Schuss. Dazu kommen je zwei Schuss in den Shotgun-Läufen. Das macht 34 Schuss. Und 12 Schuss im Magazin der Winchester. Dann sind wir bei sechsundvierzig Schuss. In meinen Mauser-Magazinen sind vierzig Kugeln. Ihr seid also leicht im Vorteil.”
“Ich habe gehört, du redest viel über den Herrn und so - und nicht so viel über Patronen”, sagt der Colorado-Mann.
“Alles zu seiner Zeit”, sagt der Prediger.
Der Colorado-Mann spuckt aus. “Wie auch immer, wenn du noch etwas zum Herrn sagen willst, solltest du das jetzt tun. Weil es sonst zu spät sein könnte.”
Die anderen lachen dreckig.
Im Hintergrund, auf der anderen Straßenseite, bemerkt der Prediger Hallway und den Town Marshal. Die halten sich beide aus der Schusslinie. Aber sie wollen trotzdem wissen, wie die Sache ausgeht. Sollen sie ihr Schauspiel haben, denkt der Prediger.
Der Colorado-Mann verzieht das Gesicht. Sein Handballen ruht auf dem Colt. “Na, was ist? Kein Gebet, Prediger?”
“Es ist niemals zu spät, zum Herrn zu sprechen”, sagt der Prediger.
14
Er wartet nicht, bis einer der Männer nervös wird und anfängt zu schießen.
Stattdessen zieht er seine Mauser-Pistolen heraus und feuert als Erster.
Einer der Shotgun-Schützen fliegt regelrecht in den Dreck und bleibt der Länge nach und bleidurchsiebt liegen. Der Winchestermann sinkt wie ein gefällter Baum nieder. Ein Schuss nach dem anderen kommt aus den Läufen der Mauser-Pistolen und der Colorado-Mann hat bereits eine Kugel mitten in die Stirn bekommen. Das Einschussloch sieht jetzt aus wie ein drittes Auge.
Hinter dem Prediger bewegen sich die Schwingtüren, in denen inzwischen Dutzende von Löchern sind.
Aber der Prediger hat nichts abbekommen.
Es dauert nicht länger als ein paar Augenaufschläge und der Colorado-Mann liegt zusammen mit allen fünf Gunslingern im Staub der Main Street. Einer der Gunslinger hat noch versucht, zu den Pferden zu kommen.
Aber der Prediger lässt ihn nicht entkommen und feuert ihm eine Kugel in den Rücken.
Die angebundenen Pferde wiehern unruhig.
Aber ansonsten herrscht nun Stille.
Für den Moment. Als der Prediger zwischen den Toten hindurchgeht und zu Boden auf ihre zerschossenen Leiber blickt, sieht er aus den Augenwinkeln heraus noch, dass jetzt der Town Marshal auf der anderen Straßenseite zur Waffe gegriffen hat.
Er denkt wohl, dass die Gelegenheit günstig ist.
Vielleicht glaubt er auch, dass die Magazine der Mauser-Pistolen leer sind.
Aber so genau kann das in diesem Höllenfeuer ohnehin niemand mitgezählt haben.
Der Schuss des Town Marshals geht daneben. Knapp, aber daneben.
Der zweite Schuss streift den Prediger an der Schulter.
Im Schulterpolster seines Rocks ist jetzt ein Loch. Aber er selbst hat nichts abbekommen, denn genau in diesem Augenblick hat er sich niedergebeugt, die beiden Mauser-Pistolen fallengelassen und stattdessen die Winchester aufgenommen.
Ein dritter, schlecht gezielter Schuss des Town Marshals fällt noch, aber der lässt nur eine weitere Scheibe im Saloon zu Bruch gehen. Der Prediger lädt die Winchester durch. Er hat gewusst, dass seine Magazine leer waren. Und genauso weiß er, dass mit der Winchester kaum zwei oder drei Schuss abgegeben wurden. Also sind noch genug Patronen drin, um den Town Marshal, zu erledigen.
Und zudem ist eine lange Waffe auf diese Distanz auch treffsicherer.
Er feuert, lädt durch, feuert.
Der Town Marshal taumelt getroffen nach vorn.
Eine weitere Kugel trifft ihn und noch eine.
Einer dieser Schüsse geht durch seinen Körper hindurch und fährt Hallway in den Kopf, der daraufhin nach hinten kippt und an der hinter ihm befindlichen Hauswand hinunterrutscht. Dabei zieht er eine blutige Spur hinter sich her, die auf dem hellen Holz gut sichtbar ist.
15
Der Prediger lässt die Waffe sinken und nimmt seine beiden Mauser-Pistolen wieder an sich.
Niemand zeigt sich auf der Straße.
Aber hinter einigen Gardinen und an manchen Fenstern ist zu erkennen, dass sich da etwas bewegt.
Eine Viertelstunde später hat der Prediger sein Pferd gesattelt und reitet zur Stadt hinaus.
Es ist niemand da, der sich ihm in den Weg stellt.
In der Kirche kniet Margery Brimson vor dem Altar und betet unablässig vor sich hin und bittet den Herrn um Vergebung. Es ist so still in der Stadt und sie betet so inbrünstig, dass man ihr Gemurmel sogar noch draußen hören kann. Es klingt fast wie das Klagen einer getretenen Katze.
Der Prediger zügelt kurz sein Pferd, als er dort vorbeikommt.
Dann reitet er weiter und lässt