Sammelband: 3 wüste Western. Alfred Bekker

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Sammelband: 3 wüste Western - Alfred Bekker


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Handumdrehen ändern kann.

      Aber im Moment findet er noch salbungsvolle Worte für Saul Lawson. Als der Rothaarige unter der Erde liegt und das Grabkreuz aufgestellt ist, gehen die Meisten nach Hause. Nur ein paar Männer bleiben.

      "Gehen wir in die Kirche", sagt einer und alle finden, dass das eine gute Idee ist.

      "Nichtmal im Saloon können wir uns treffen", sagt ein anderer.

      Und noch ein anderer wendet sich an den Town Marshal. "Kommst du auch mit?"

      "Wenn's sein muss", sagt der Town Marshal, denn er ist alles andere als begeistert davon. Und doch ist er wie alle anderen mitgegangen, denn er kann es sich nicht erlauben, nicht zu wissen, was da im Haus Gottes besprochen wird.

      "Wir sollten diesem verfluchten Prediger die Leviten lesen."

      "Eine Kugel sollte man ihm in den Kopf jagen", sagt ein anderer. Und dabei grinst er ziemlich breit.

      Und ein dritter grinst auch.

      "Meinst du, so wie Bolan?", fragt er.

      Und dann sind die beiden plötzlich nicht mehr die einzigen, die grinsen. Und aus dem Grinsen wird schließlich ein raues Lachen.

      5

      Mindestens hundert Männer haben sich in er Kirche versammelt. Und auch einige Frauen. Auch einige Frauen aus den Saloons, die man hier nicht unbedingt erwarten würde. Und sie alle treibt weniger die Trauer um den Rothaarigen hier her, sondern vielmehr die Angst. Die Angst vor dem Prediger und die Angst davor, dass er alte Geschichten noch einmal ans Tageslicht holt.

      Die Geschichte davon, wie ein gewisser Frank Bolan umgekommen ist und manche sich sein Geld unter den Nagel gerissen haben. Andere haben nur zugesehen. Und die, die hätten zusehen sollen, haben die Augen geschlossen wie zum Beispiel der Town Marshal.

      Und jetzt kommt dieser Mann im dunklen Rock und legt den Finger in die Wunde. Aber es scheint, als wäre das nicht die einzige Wunde, die er wieder aufzureißen droht.

      “Der Kerl ist unheimlich”, sagt einer.

      “Ich frage mich, ob hier noch das Gesetz herrscht oder ob hier so ein dahergelaufener Heiliger einfach tun und lassen kann, was er will!”

      “Ein Unheiliger würde ich eher sagen”, meint eine der Frauen. “Wenn ich daran denke, was heute passiert ist... Ein verfluchter Teufel ist das.”

      “Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwoher kenne ich den Kerl.”

      “Das scheint das Besondere an ihm zu sein. Irgendwie denkt man immer, dass man ihn von irgendwoher kennt!”

      6

      “Er hat Ähnlichkeit mit einem Kerl, den ich mal in Nogales zusammengeschlagen habe!” Der Mann, der das sagt, räuspert sich geräuschvoll, ehe er weiterspricht.

      “Vielleicht ist er es”, meint ein anderer.

      “Nein, bestimmt nicht.”

      “Und wieso nicht?”

      “Weil ich den Kerl umgelegt habe. Deshalb. Er kann es nicht sein.”

      “Scheint seine Besonderheit zu sein, dass man ihn immer für jemanden hält, den man kennt.”

      “Jedenfalls geht es so nicht weiter!”

      “Jawohl!”

      “Der Prediger terrorisiert uns alle!”

      “Wer weiß, ob er wirklich ein Prediger ist!”

      “Richtig!”

      Ein Tumult entsteht in der Kirche. Der Town Marshal muss seine ganze Stimmgewalt in die Waagschale werfen, um diesen Tumult zu beenden. Zumindest für den Moment.

      “Ruhe, verflucht nochmal!”, ruft er. “Auch wenn dies eine Kirche ist.”

      Jetzt tritt ein Mann mit ordentlichem Binder und einem dunklen Anzug vor. Er heißt Hallway. Und er ist der reichste Mann der Stadt. Wenn er spricht, dann hören die Leute in Carson City zu. So ist das hier schon immer gewesen. Und jetzt ist es auch so.

      Hallway hebt die Hände und dann wird es schließlich vollkommen still im Saal.

      “Dies ist nicht der Augenblick für falsches Heldentum”, sagt Hallway. “Ganz bestimmt nicht!”

      Unter den Leuten in der Kirche wird es jetzt unruhig.

      “Was meinen Sie damit?”, fragt der Town Marshal.

      Seine Augen werden schmal.

      Kleine Schlitze sind sie nun. Ganz offensichtlich fühlt sich der Sternträger durch die Worte Hallways beleidigt. Und dazu besteht auch Anlass, denn was Hallway den Leuten gesagt hat, bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass er nicht glaubt, dass der Town Marshal im Stande ist, die Sache zu regeln und die Bürger von Carson City zu schützen.

      “Nichts für ungut”, sagt Hallway und bedenkt den Town Marshal mit einem verächtlichen Blick. “Aber Sie werden den Prediger ganz gewiss nicht aus der Stadt vertreiben!”

      “Sie etwa, Mister Hallway?”

      “Wieso nicht?”

      “Soweit ich mich erinnern kann, habe ich noch nicht gesehen, dass sich in Ihrer Hand jemals ein Colt befunden hat, Mister Hallway!”

      “Mag sein. Aber manchmal sind Dollars eine viel wirkungsvollere Waffe.”

      Hallway macht ein paar Schritte nach vorn. Er kostet diese gesteigerte Aufmerksamkeit, die ihm im Augenblick zuteil wird, weidlich aus.

      Daumen und Zeigefinger wandern in die Tasche seiner goldfarben schimmernden Weste. Er wirft einen Blick auf die Taschenuhr, die er dann herausfingert und mit einem klackenden Geräusch öffnet.

      Dann sagt er: “Es gibt da einen Kerl, den man den Colorado-Mann nennt. Hat schonmal jemand von ihm gehört?”

      Schweigen.

      Hallway lässt den Blick schweifen.

      Sie alle hängen jetzt an seinen Lippen, als wäre von seinen Worten die Erlösung zu erwarten. Erlösung von diesem Prediger, der sie alle an die dunkelsten Schatten ihrer verfluchten Seelen erinnert. “Er heißt nicht deswegen Colorado-Mann, weil er aus Colorado kommt”, fährt Hallway dann fort. “Vielmehr nennt man ihn deswegen so, weil er in Colorado im Alleingang mit einer Meute von schießwütigen Zaunschneidern fertig geworden ist. Zwanzig Mann liegen jetzt auf dem Boothill von Springfield. Und nochmal zwanzig in


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