Sammelband: 3 wüste Western. Alfred Bekker
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9
Am fünften Tag nach der Ankunft des Predigers sind die Straßen wie ausgestorben. Ein ungewöhnlich kalter Wind bläst zwischen den Häusern hindurch.
Da kommt ein zweispänniger Frachtwagen und er hält vor Blacksmith’ Laden.
Der Prediger geht auf den Wagen zu. Langsam, gelassen und vollkommen ruhig. Die beiden Mauser-Pistolen sind unter den Schößen seines dunklen Rocks verborgen. Aber die kleinen Wölbungen verraten, dass sie da sind und dass er sie jederzeit herausreißen kann, um vierzig Schuss in einer Minute abzufeuern.
Er bleibt stehen.
Die beiden Männer, die mit dem Wagen gekommen sind, steigen gerade vom Bock herunter und wischen sich den Staub notdürftig von der Kleidung. Blacksmith ist auch gerade aus dem Laden gekommen. Er erstarrt genauso. Und schluckt.
“Was ist das für ein Typ?”, fragt einer der beiden Frachtfahrer an Blacksmith gerichtet.
“Ihr wart ‘ne Weile nicht in der Stadt”, sagt er. “Sonst wüsstet ihr es.”
Die beiden Frachtfahrer tragen Colts und Patronengurte. Und in den Scubbards rechts und links des Kutschbocks stecken Winchester-Karabiner. Schließlich kann man nie wissen, wer einem auf so einer langen Fahrt durch die Wildnis so begegnet.
Der Größere der beiden schaut zum Kolben des Karabiners und man sieht, dass er zumindest darüber nachgedacht hat, die Waffe aus dem Scubbard herauszuziehen. Er tut es dann aber doch nicht.
“Hey, was glotzt du so!”, ruft der Größere dann in Richtung des Predigers.
“Ist dir der Blick des Herrn unangenehm?”, kommt es von dem Prediger zurück.
“Bist du der Herr, du Vogelscheuche?”, regt sich der Größere auf. “Glotz gefälligst woanders hin, oder du lernst mich kennen!”
“Der Herr kennt doch schon. Und er weiß, was du getan hast!”, sagt der Prediger.
“Hey, wie ist der denn drauf!”, meint der Kleinere der beiden.
“Halt’s Maul”, sagt der Größere.
“Wenn du mich fragst, hat der Kerl Ähnlichkeit mit dem Jungen, den du vor zwei Jahren mit dem Gespann drüben in San Cristobal überfahren hast.”
“Ich sagte, halt’s Maul!”
“Vielleicht ist das sein Vater. War ja nur so ein Gedanke...”
Jetzt mischt sich Blacksmith ein.
“Lasst den Kerl in Ruhe, sage ich euch! Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Seit er hier ist, hat er schon ein paar Leute in der Stadt erschossen.”
“Und unser Town Marshal macht nichts dagegen!”, regt sich der Größere auf. Er spuckt aus. “Teufel, das darf ja wohl nicht wahr sein! Wofür wird der Feigling denn bezahlt? Dafür, dass er in seinem Office die Füße hochlegt.”
“Lass es gut sein”, versucht Blacksmith ihn zu besänftigen.
Aber dazu ist es wohl nun spät. Der Prediger kommt jetzt ein paar Schritte näher.
Er schlägt seinen Mantel zur Seite.
Die Griffe der Mauser-Pistolen sind jetzt deutlich zu sehen.
“Ich bin auch deinetwegen hier, mein Sohn”, sagt er.
“Ich wüsste nicht, dass wir verwandt sind, du Missgeburt!”, knurrt der Größere.
“Mein ist die Rache, spricht der Herr.”
“Ach, und so einen Mist muss ich mir von dir sagen lassen!”
Blacksmith greift erneut ein. Er sagt: “Ich habe dich gewarnt, leg dich nicht mit ihm an! Hallway hat nach jemandem geschickt, der die Sache regelt!”
“Nein, das regele ich jetzt selbst!”, sagt der Größere.
Er greift zum Colt.
Aber den hat er kaum gezogen, da krachen die Mauser-Pistolen in den Händen des Predigers bereits los. Der Körper des Größeren der beiden Frachtfahrer zuckt unter den Einschüssen.
Der Kleinere zieht ebenfalls seinen Revolver, und bekommt ebenfalls seine Ladung Blei ab.
Der Prediger feuert und feuert.
Alle vierzig Schuss ballert er raus.
Bis die Läufe der Mauser-Pistole heiß und die Magazine leer sind.
Am Ende liegen sie alle in ihrem Blut: Die beiden Frachtfahrer, Blacksmith und auch eines der beiden Pferde. Es hängt noch im Geschirr und das andere wiehert laut auf. Es klingt fast wie ein Kind oder eine Frau, aber es kann nicht weg, reißt aber trotzdem an den Lederriemen.
Blacksmith lebt allerdings noch.
Trotz der Tatsache, dass ihn mindestens fünf Kugeln getroffen haben.
Er hat keine Waffe bei sich.
Aber er ahnt, dass ihm die in dieser Situation wohl auch nicht viel genützt hätte.
Irgendwo ruft jemand laut aus, dass es eine Schießerei vor Blacksmith’ Laden gegeben hätte.
Der Prediger beginnt jetzt in aller Ruhe seine Mauser-Pistolen nachzuladen. Und als er damit fertig ist, tritt er auf den schwer getroffenen Blacksmith zu. Dessen Kleidung ist inzwischen dunkelrot geworden.
“Worauf... wartest du noch”, zischt Blacksmith zwischen den Lippen hindurch. Es ist ein schwaches Wispern. Er weiß, dass er nicht mehr viel Zeit hat.
Der Prediger blickt auf den Sterbenden herab.
“Los, gibt mir die letzte Kugel, du Schweinehund.”
“Es ist gut so”, sagt der Prediger.
“Was ist gut so?”
“Dass du noch lange genug lebst, um über alles nachzudenken, bevor du vor deinen Schöpfer trittst”, sagt der Prediger und geht weiter.
Er hat keine Eile.
10
Blacksmith’ Gesicht ist unterdessen eine von Wut gezeichnete Grimasse. Er bringt seine letzten Kräfte auf. Robbt ein Stück über den staubigen Boden.
Er hat noch ein letztes Ziel vor Augen: Die Waffe des Größeren der beiden Frachtfahrer. Dessen tote Hand krallt sich noch immer um den Griff der Waffe.
Blacksmith keucht.
Die letzten paar Fußbreit sind für ihn nur schwer zu schaffen. Aber dann ist die Waffe in seiner Reichweite. Er nimmt sie dem toten Kerl aus den