CLOWNFLEISCH. Tim Curran
Читать онлайн книгу.Grinsen voller messerscharfer Zähne mustert. Er streckt seine übergroße, weiße Clownhand nach ihm aus, die in jeder anderen Situation wahrscheinlich urkomisch gewirkt hätte, aber in Wahrheit gar nicht komisch ist, weil sie gar kein Handschuh ist. Sie besteht aus Fleisch … aus aufgedunsenem, weißem Fleisch, das mit einem Muster aus pinkfarbenen Adern überzogen ist, und die Fingerspitzen enden in Krallen … gelben, spitzen Krallen.
Mit einem letzten Aufflammen seines Überlebensinstinktes springt Leo in den Stand hoch und schafft tatsächlich einen oder zwei Schritte, bevor der Clown ihn packt, ihn herumwirbelt und ihm dabei die Gedärme herausreißt. Leo fällt auf die Knie, sein Schoß ist voll mit Blut und dampfenden Innereien. Dann geht der Clown wieder auf ihn los und Leo stößt japsend einen letzten Atemzug aus, als sein Gesicht von der Stirn bis zum Kinn gespalten wird.
Während er in die Bewusstlosigkeit herabsinkt, spürt er noch, wie sich die Zähne des Clowns in seine Kehle bohren und sich eine mit Dornen übersäte Zunge in seine Halsschlagader gräbt, um mit dem Trinken zu beginnen.
Kapitel 18
»Scheiße«, ruft Peanut. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
Er sieht, wie Sheriff Teague im Schneesturm, in die Richtung verschwindet, aus der der Schrei des zweiten Clowns gekommen ist. Er weiß, dass er ihm folgen muss, denn das ist sein Job und seine Pflicht, da führt kein Weg dran vorbei, doch was er in Wirklichkeit machen will, ist in die andere Richtung rennen, raus aus dem Park. Er will in die nächste Bar und sich einen ordentlich starken Drink die Kehle hinunterkippen. Aber er kennt Teague. Sein Job bedeutet ihm alles, und deshalb wird er nicht flüchten. Also folgt Peanut ihm, wobei er sich wieder und wieder einredet, dass das alles nur ein Traum sein kann. Der Sturm peitscht ihm immer noch entgegen und jeder Schritt fühlt sich an, als würde er einen Sack Zement hinter sich herziehen müssen.
Jetzt schaut er sich panisch um, denn Teague ist nirgendwo zu sehen. Um Himmels willen, er muss doch irgendwo sein. Oh Gott, lass mich hier draußen nicht allein!
Die Glock in der einen Hand und die Taschenlampe in der anderen versucht er, seiner Angst nicht nachzugeben. So groß ist der Spielplatz schließlich nicht. Höchstwahrscheinlich ist Teague direkt vor ihm, und er kann ihn wegen des Blizzards nur nicht sehen. Peanut ruft nach ihm, aber der Sturm ist nicht nur wild, sondern auch verdammt laut. Er sucht die Umgebung mit seiner Taschenlampe ab, doch außer Schnee kann er nichts sehen.
»WILL«, brüllt er. »WILL! WO ZUR HÖLLE BIST DU?«
Er stolpert vorwärts, wobei er immer wieder ausrutscht. Sein Gesicht ist mittlerweile so taub, dass er seine Wangen nicht mehr spürt. Er kämpft sich dennoch weiter voran und hört von Zeit zu Zeit das dämonische Schreien des Clowns. Manchmal scheint es ganz nahe zu sein, dann wieder weit weg. Er ist zwar schon komplett durchgefroren, doch dieses gottverdammte Wesen schafft es trotzdem, ihm noch kältere Schauer den Rücken hinunter zu jagen.
Der Zaun! Verdammt! Sein Lichtkegel erfasst den Maschendrahtzaun, der den Spielplatz vom Rest des Parks trennt … was bedeutet, dass er in die komplett falsche Richtung unterwegs ist.
Er stößt einen Fluch aus und prallt plötzlich mit einer riesigen Gestalt zusammen, die ihn aus dem Sturm heraus anspringt. Er wird mit voller Wucht getroffen und landet auf dem Hintern, wobei ihm die Taschenlampe aus der Hand fliegt und über den Boden schlittert. Es ist Teague, und er sieht alles andere als fröhlich aus. Er zieht Peanut hoch und brüllt: »BLEIB GEFÄLLIGST HINTER MIR, VERDAMMT!«
Peanut klaubt seine Lampe vom Boden auf und folgt der mit pappigen Schneeflocken übersäten Silhouette des Sheriffs tiefer in den Sturm hinein. Teague scheint ganz genau zu wissen, wo es lang geht, was unter diesen Umständen eine absolut faszinierende Fähigkeit ist. Hin und wieder bleibt er kurz stehen und lauscht in die Ferne. Jedes Mal, wenn er den Clown im Blizzard jaulen hört, geht es weiter in die entsprechende Richtung. Teague ist wie ein Spürhund, nur, dass er sich nicht an Gerüchen orientiert, sondern an Geräuschen. Der Schrei des Clowns – denn es klingt tatsächlich eher wie ein Schreien als wie ein Jaulen – ertönt wieder und wieder. Es ist ein kreischender, unmenschlicher Laut voller Schmerzen und unbändiger Wut. Er hallt im Sturm und bringt Peanuts Nackenhaare dazu, sich aufzustellen.
»HIER ENTLANG«, brüllt Teague und kämpft sich weiter voran. Peanut ist direkt hinter ihm, doch der Wind lässt ihn bei jedem Schritt unsicher schwanken und seine Beine zittern bereits vor Anstrengung – und vor Angst. Sie sind jetzt nahe dran, sehr nah, das kann er spüren. Als ob er noch weitere Beweise dafür gebraucht hätte, ertönt der Schrei des Clowns, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen kann, jetzt noch einmal.
Dann sitzt auf einmal Teague auf seinem Hintern und Peanut stößt einen markerschütternden Schrei aus, denn ein unheilvoller Schatten kommt direkt auf ihn zu. Er sieht eine grotesk verzerrte Gestalt und dann eine wulstige Hand, die auf ihn zurast. Er schafft es gerade noch so eben, den Krallen auszuweichen, was er allerdings mehr seinen unbewussten Reflexen zu verdanken hat als allem anderen. Schnell feuert er zwei Kugeln in die Silhouette hinein, die daraufhin brüllend in der Dunkelheit verschwindet.
Teague rappelt sich auf und Peanut sieht die riesigen Schnitte am Rücken seiner Lederjacke.
»VORSICHT«, brüllt Peanut.
Der Clown stolpert wieder auf sie zu, sein Anzug glitzert und seine Augen scheinen in einem bösartigen Rot zu leuchten. Er versucht ihn mit einem Schwinger zu erwischen, doch Peanut lässt sich nach hinten fallen und landet im Schnee, wobei er einen kurzen Blick auf das verzerrte, mit Pusteln übersäte Gesicht, sowie auf die riesigen Zähne erhaschen kann, die aus seinem entzündeten Zahnfleisch hervorstehen. Dann explodiert plötzlich eine Stichflamme in der Nacht – Teague hat den Abzug seiner Schrotflinte betätigt. Der Clown bekommt eine volle Ladung Metall aus nächster Nähe ab, wodurch sein blaues Kostüm in Fetzen gerissen und im Wind verteilt wird. Der Körper wirbelt von einem Schmerzschrei begleitet davon und ist dann plötzlich verschwunden.
Erneut hilft Teague Peanut auf die Beine.
Der Clown hat riesige dunkelrote Blutflecken im Schnee hinterlassen, denen sie jetzt folgen, doch nach etwa zehn Metern hat der Sturm diese bereits ausgelöscht. Also stehen sie in der Dunkelheit und fühlen sich absolut hilf- und schutzlos, während ihre Gesichter von grenzenloser Angst gezeichnet sind.
Peanut schwenkt den Lichtkegel seiner Taschenlampe durch die Nacht. Ihm wird auf einmal bewusst, dass er nun schon mehrere Angriffe des Clowns überlebt hat, und plötzlich flammt ein Feuer in ihm auf und er fühlt sich wie ein absoluter Draufgänger. So ähnlich muss das sein, wenn junge Soldaten in den Krieg ziehen und ihre ersten Schießereien überleben.
Er sucht nach weiteren Hinweisen auf die Bestie. An den Rutschen findet er schließlich etwas.
»WILL«, schreit Peanut, »HIER DRÜBEN!«
Teague kommt so schnell angerannt, dass der Schnee nur so hin und her stiebt. Als er bei ihm ist, richtet Peanut seine Lampe auf einen riesigen Fleck aus rotem Blut – oder etwas Ähnlichem. Nach einer weiteren Untersuchung finden sie schließlich die Quelle des Blutes. Sie sehen es beide ganz genau. Peanut glaubt, ein irres Lachen durch seinen Schädel hallen zu hören. Was sie hier vor sich im Schnee sehen, ist ein großer, sehr großer orangefarbener Clownschuh, der in den Zähnen von einer von Cleggs Bärenfallen gefangen ist. Ein zerfetzter Stumpf ragt daraus hervor. Ein Stück Knochen ist zu sehen, sowie festgefrorene Fleischfetzen und dicke Blutklumpen.
»Die Falle hat ihm glatt den Fuß abgerissen«, sagt Peanut beeindruckt.
Teague geht auf die Knie und studiert das unappetitliche Objekt im Schein seiner Lampe ganz aus der Nähe. Schließlich schüttelt er angewidert den Kopf.
»Nein, nicht abgerissen … schau es dir doch mal ganz genau an … der verdammte Clown muss seinen eigenen Fuß abgebissen haben, um sich zu befreien!«
Kapitel 19
»Das ist doch alles kompletter Blödsinn«, sagt Stan Barbacek in der Taxi-Zentrale,