Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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es, Frauke! Dirk hat wunderbare Erfolge. Er ist großartig. Doch er zeigt seine Freude nie. Hat er etwas erreicht, dann legt er die Meßlatte wieder ein Stück höher. Sicherlich bin ich sehr stolz auf ihn. Doch ich habe meine Bedenken. Es macht ihn nicht glücklich.«

      »Meinst du wirklich?«

      »Ja, das vermute ich stark! Für ihn ist alles Pflicht. Diese Pflicht wandelt er um in einen fast krankhaften Ehrgeiz. Er betäubt seine Gefühle mit Erfolgen und immer neuen Erfolgen. Er arbeitet nur. Er hat keine Familie, nicht einmal eine Freundin. Er treibt keinen Sport. Er geht nicht aus. Mein Gott, Frauke! Was ist das für ein Leben? Der Junge wird eines Tages vor die Hunde gehen. Er geht am Leben vorbei.«

      Frauke kuschelte sich in den Arm ihres Mannes.

      »Du fragst dich, ob es etwas gab oder gibt, das Dirk so werden ließ? Du fragst dich, ob dein Verhalten ihn dazu treibt?«

      »Richtig! Dann ging mir auf, daß ich mehr mit Knut zusammen war, weil er der Älteste war und einmal das Unternehmen führen sollte. Ich weiß eigentlich wenig von den anderen Kindern. Dirk kenne ich noch weniger als Viola. Vielleicht liegt es auch daran, daß Viola mehr redete. Sie sprach und spricht über alles, was sie bewegt. Es ist, als denke sie laut nach. Dirk schweigt und handelt. Er zeigt keinerlei Gefühlsregungen. Er schlägt niemals über die Stränge. Sage du mir, was geht unserem Buben nah? Für was hat er sich interessiert? Er ist mir so fremd. Frauke, hilf mir!«

      Frauke streichelte die Wange ihres Mannes.

      »Ich verstehe dich! Aber ich vermute, daß Dirk selbst nicht weiß, was ihm Freude macht. Denke doch einmal nach. Dirk hatte gerade sein Abitur gemacht und wollte vor dem Studium ein Jahr ins Ausland. Dann geschah das mit Knut. Dirk sagte alles ab. Er ging sofort in die Firma und nahm Knuts Sessel ein. Nebenbei studierte er an der Fernuniversität Betriebswirtschaft und Wirtschaftsrecht. Da kann man nur den Hut vor ihm ziehen. Wir können stolz auf ihn sein.«

      »Sicherlich, Frauke! Das können wir. Doch ich will nicht Kinder haben, auf die ich stolz sein kann. Meine Kinder sollen glückliche Menschen sein! Viola ist glücklich. Sie steht auch ihren ›Mann‹, – besser ›Frau‹ – in der Firma. Aber sie kann sich freuen. Sie lebt irgendwie. Bei Dirk fehlt die Lebensfreude.«

      »Vielleicht hätte er im Leben gern etwas ganz anderes gemacht, Ingo!«

      »Dieser Gedanke kam mir auch schon. Doch was? Warum tut er es nicht? Er muß diesen Weg nicht gehen. Ich sehe, daß er nicht glücklich ist. Warum? Warum? Warum? Ich will dieses Opfer nicht. Verstehst du mich, Frauke?«

      Sie nickte.

      »Frauke, was soll ich tun? Ich will das nicht weiter mit ansehen! Für mich war der Weg richtig! Aber mich beschleicht die Erkenntnis, daß Dirk gerne etwas anderes getan hätte. Erzähle mir von ihm. Was hat ihm als Kind Freude gemacht? Wofür hat er sich begeistert?«

      Frauke stand auf. Sie ging ins Haus und kam einige Augenblicke später mit einigen dicken Fotoalben zurück. Sie legte sie Ingo auf den Schoß.

      »Hier, schau!«

      Ingo fuhr mit der Hand über den ledernen Einband. Er schlug das erste Fotoalbum auf. Er betrachtete Seite für Seite und Bild nach Bild. Er lächelte. Seine Frau war eine begeisterte Fotoamateurin. Sie hatte jedes Ereignis der drei Kinder festgehalten und sie in Alben geordnet.

      »Das sind Dirks Alben! Für jedes unserer Kinder habe ich solche Bände zusammengestellt. Viola hat ihre mit in ihre Wohnung genommen, als sie mit ihrem Freund zusammengezogen ist. Sie wollte ihm von ihrer Kindheit erzählen und bat mich um Fotos. Du kannst dir nicht vorstellen, wie begeistert sie war, ihr Leben so dargestellt zu finden.«

      »Ich bin auch begeistert! Und auch sprachlos! Da wird mir wieder klar, wie wenig ich von Dirk weiß. Schau hier!«

      Ingo zeigte auf ein Foto. Darauf war Dirk zu sehen, wie er am Nordseestrand aus Sand Berge anhäufte.

      Frauke lachte.

      »Das ist typisch Dirk! Das war irgendwann in den Sommerferien. Ich war mit den Kindern alleine an der See. Alle bauten Sandburgen. Nur Dirk baute ein Gebirge mit Bergen und Tälern, mit kleinen Bergseen und Gebirgsbächen. In der Schule nahmen sie gerade die Alpen durch und Dirk baute sie nach. Schau hier in der Ecke! Der Zipfel gehört zu einer Landkarte. Die hatte er sich in einer Buchhandlung gekauft. Blättere mal um, Ingo!«

      Er schlug die nächste Seite auf. Ingo lachte laut. Dirk hatte auf jeden Gipfel kleine Papierzettel gesteckt.

      »Darauf hatte er die Namen der Berge geschrieben. Es machte ihm viel Freude. Er war den ganzen Tag beschäftigt.«

      »Sicherlich hast du mir davon erzählt, Frauke. Allein – ich kann mich daran nicht mehr erinnern. Welche Schande!«

      Er schaute seine Frau an.

      »Ist nicht schlimm! Aber erinnerst du dich daran, daß Dirk nach dem Abitur sich ein Jahr freinehmen wollte. Er wollte nach Amerika, sich die Rocky Mountains ansehen und in Südamerika die Anden, dann standen die Berge von Neuseeland und Australien auf dem Programm. Er wollte eine Tour durch den Himalaja machen und den Fuji in Japan ansehen und raufwandern, so hoch wie es eben möglich ist.«

      Ingo sah seine Frau überrascht an.

      »Ich weiß, daß Dirk vorhatte, sich die Welt anzusehen, bevor er mit dem Studium beginnen wollte. Doch daß es sich dabei quasi um eine Weltgebirgstour handeln sollte, war mir entfallen.«

      Ingo wurde verlegen.

      »Nun ja. Ich wußte es nicht! Was ist daraus geworden? Warum macht er keinen Urlaub? Er könnte doch jetzt fahren! Warum macht er nicht wenigstens einen Kurzurlaub in den Alpen? Statt dessen sitzt er fast Tag und Nacht im Büro. Warum? Was ist aus seinen Träumen geworden? Muß man Träume nicht leben? Sollte man nicht alles versuchen, damit die Träume Wirklichkeit werden? Ich hatte auch Träume. Ich wollte erfolgreich sein, das Unternehmen meines Vaters und Großvaters erhalten, aufbauen und ausbauen. Ich habe meinen Traum verwirklicht. Ist das Unternehmen auch Dirks Traum?«

      Ingo schaute seine Frau an.

      »Schon als Kind spielte ich mit Motorteilen und interessierte mich für Technik. Es war eine Leidenschaft – so wie bei Dirk es die Berge sind – offensichtlich. Warum spricht er nicht darüber? Hat er es verdrängt?«

      »Ich weiß es nicht, Liebster! Er hat schon lange nicht mehr von den Bergen geredet. Frage ihn! Vielleicht bekommst du eine Antwort.«

      Die Sonne sank tiefer. Die Dämmerung senkte sich über Haus und Garten. Ingo und Frauke gingen hinein. Sie setzten sich an den Kamin und betrachteten weiter die Bilder in den Fotoalben. Es war schon fast Mitternacht, als sie die Treppe hinauf zum Schlafzimmer gingen. Von draußen drang das Motorengeräusch von Dirks Auto herein.

      »Ich hätte Lust, sofort mit ihm zu reden, Frauke!«

      »Laß es! Jetzt hat das auch noch Zeit bis zum Wochenende. Es ist spät. Du kannst mit Dirk am Sonntag beim Frühstück darüber reden. Das sonntägliche gemeinsame Frühstück versäumt er nie.«

      »Das ist eine gute Idee! Dann sind Viola und ihr Verlobter auch hier. Weißt du, ich denke, daß sich Dirk die Zeit nehmen sollte für seinen Traum von den Bergen. Zumindest sollte er einmal einige Wochen Urlaub in den Alpen machen.«

      »Das ist eine gute Idee! Fraglich, ob er es tut. Vielleicht weiß ich einen Trick, ihn dazu zu bringen.«

      »Bist ganz schön raffiniert, Frauke. Weihst du mich ein?«

      »Mal sehen. Vielleicht greift er deine Anregung auch so auf. Ich manipuliere nur ungern. Das ist nicht fair, denke ich.«

      Ingo legte seinen Arm um Frauke.

      »Du bist eine wunderbare Frau und eine sehr gute Mutter!«

      Er küßte sie.

      »Wir werden das schaffen! Dirk muß wieder der fröhliche Mensch werden, der er als Junge war. Er ist erst dreißig und kommt mir älter vor, als ich selbst bin. Er wirkt so versteinert und verknöchert.«

      »Nun


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