Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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den noch ihr verstorbener Mann, Max Richter, gegründet hatte, jedes Jahr mehrere Millionen Euro für gemeinnützige Zwecke. Entsprechend groß war die Liste derer geworden, die alle zu ihrem Ehrentag eingeladen werden mußten. Nach dem Empfang im Rathaus gab es einen weiteren im größten Hotel der Stadt, zu dem an die fünfhundert Gäste erwartet wurden. Ansprachen, Vorführungen von Schulen und Kindergärten, Sportvereinen und Musikgruppen – Essen und Trinken nicht zu vergessen – danach würde Margot Richter einen Urlaub abseits vom Trubel der bekannten Ferienorte gut gebrauchen können. Das sah Stephan ein.

      Daß seine Mutter mit dieser gemeinsamen Fahrt in das Alpendorf noch etwas verband, ahnte der Sohn zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht…

      *

      Angela Pfister schaltete zufrieden den Computer aus und streifte die Abdeckhauben über Bildschirm und Tastatur. Dann lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und reckte sich ausgiebig.

      Puh, das war geschafft! Endlich!

      Die gelernte Großhandelskauffrau, die im Konzern ihres Vaters mitarbeitete, nickte zufrieden. Morgen noch ein paar Stunden ihre Vertretung einweisen, und dann stand dem Urlaub nichts mehr im We-

      ge.

      Nun stand die Fünfundzwanzig-jährige auf, warf einen prüfenden Blick über ihren Schreibtisch und verließ das Büro im Haupthaus auf dem Gelände der Ewald Pfister KG in München. Der Pförtner nickte ihr freundlich zu, als sie durch die breite Glastür ging.

      »Sie sind wieder mal die Letzte«, rief Hans Ambler.

      Die schöne junge Frau lächelte.

      »So muß das auch sein, wenn man die Tochter vom Chef ist«, antwortete sie und winkte dem Pförtner zu. »Einen schönen Abend.«

      »Ebenso«, erwiderte er den Gruß und schaute ihr nach, wie sie in ihren Wagen stieg, der direkt neben dem Eingang stand.

      Angela fuhr vom Firmengelände und fädelte sich in den Verkehr ein. Während der Fahrt klingelte ihr Handy. Sie drückte den Knopf der Freisprecheinrichtung und vernahm die Stimme ihrer Freundin.

      »Hast’ noch ein halbes Stündchen oder bist’ schon im Urlaubsstreß?« fragte Ellen Keller.

      »Ich wett’, du rechnest damit, daß ich zu dir komm’, und hast den Pro-secco schon kaltgestellt«, lachte Angela. »Okay, ich bin gleich da.«

      Sie bog ab und fuhr nicht, wie sie es beabsichtigt hatte, nach Hause, sondern erst in die Franz-Joseph-Straße in Schwabing. Von Neuhausen aus hatte sie den anderen Stadtteil relativ schnell erreicht und hielt vor dem Haus, in dem Ellen eine gemütliche Dreizimmer-Eigentumswohnung besaß. Die Freundin hatte schon Gläser bereit gestellt und öffnete eine Flasche des italienischen Schaumweins, nachdem sie Angela mit einem Kuß auf die Wange begrüßt hatte.

      »Aber bitte nur ein halbes Glas«, sagte die junge Frau. »Ich muß ja noch heimfahren.«

      »Spielverderberin«, schimpfte Ellen und schenkte ein.

      Angela war bei dem Vorwurf zusammengezuckt. Schon einige Male hatte sie sich ihn gefallen lassen müssen.

      Sie und Ellen kannten sich, seit sie gemeinsam das Gymnasium besucht hatten. Seither verband sie eine enge Freundschaft, und mehrmals waren sie zusammen in den Urlaub gefahren. So war es auch in diesem Jahr geplant, doch dann überraschten Angelas Eltern ihre Tochter mit der Ankündigung, sie würden sich freuen, wenn sie diesmal alle zusammen fortfahren würden.

      Angela hatte ein herzliches Verhältnis zu ihnen und wollte ihnen diesen Wunsch ungern abschlagen. Auch, als sie hörte, welches Urlaubsziel sich Ewald und Hannelore Pfister ausgesucht hatten. Irgendeinen gottverlassenen Winkel in den Bergen, St. Johann genannt.

      Um so enttäuschter war Ellen gewesen, als sie erfuhr, daß sie allein nach Frankreich fahren müsse. Natürlich hatte Angela angeboten, daß sie mit ihnen in die Berge fahren könnte, auch die Eltern hätten keine Einwände gehabt. Doch die junge Frau lehnte ab. Ellen hatte Architektur studiert und wollte den Urlaub dazu nutzen, in Frankreich Kirchen und Klöster zu besichtigen.

      »Bestimmt klappt’s im nächsten Jahr«, tröstete Angela sie jetzt und prostet ihr zu.

      »Na ja, vielleicht triffst du ja auf einen Naturburschen, dem es endlich gelingt, den Computer, den du in dir trägst, in das zu verwandeln, das eigentlich an der Stelle sitzen sollte – in ein Herz.«

      Ellen Keller spielte damit auf die Tatsache an, daß Angela Pfister mehr für ihre Arbeit lebte und gar kein Privatleben zu kennen schien –, abgesehen von der Freundschaft zu ihr.

      Nicht, daß es keine Bewerber gegeben hätte, die der attraktiven Erbin des Pfister Konzerns den Hof gemacht hätten. Nur ließ Angela die Beziehungen immer wieder in die Brüche gehen.

      Mal hatte sie keine Zeit, weil sie ihren Vater auf Geschäftsreise begleitete, dann wieder nicht, weil sie ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit in irgendein Großprojekt steckte, oder sie hatte ganz einfach keine Lust, sich zu binden.

      »Wenn du erst darauf wartest, daß der Richtige kommt, dann stirbst als alte Jungfer«, hatte ihr Vater prophezeit, und Ellen konnte dem nur zustimmen.

      »Wenn er denn was vom Einkauf versteht und die Prozentrechnung beherrscht –, warum net?« ulkte Angela und hob ihr Glas. »Dir wünsch’ ich jedenfalls einen wunderschönen Urlaub in Frankreich. Mach ganz viele Fotos und denk dran – die Franzosen haben die Liebe erfunden.«

      Ellen lachte und prostete ihr zu.

      Angela blieb noch ein Viertel-stündchen länger, als sie es eigentlich vorgehabt hatte, Ellen hatte immer noch etwas zu erzählen. Dann brachte die Freundin sie zu ihrem Auto.

      »Also, viel Spaß und vergiß mich net«, winkte Angela Pfister ihr zu und fuhr an.

      Bis nach Hause brauchte sie eine ganze Weile. Der Verkehr hatte zugenommen, und sie war erleichtert, als sie endlich die Auffahrt zur elterlichen Villa hinauffuhr.

      »Enschuldigt«, bat sie die Eltern. »Ich hab’ natürlich anrufen wollen, daß ich noch zu Ellen fahr’. Aber ich dacht’, so lang’ dauert’s dann auch wieder net – allerdings, ihr kennt sie ja.«

      Frau Reimers, die Haushälterin, hatte den Tisch für das Abendessen gedeckt. Bald saß die Familie darum versammelt, und es entwickelte sich eine angeregte Unterhaltung, die sich in erster Linie um den geplanten Urlaub drehte.

      »Ihr habt mir immer noch net gesagt, wie ihr ausgerechnet auf dieses Dorf gekommen seid«, sagte Angela. »Hat euch da jemand einen Tip gegeben?«

      Ewald und Hannelore Pfister tauschten einen schnellen Blick.

      »Der Mann im Reisebüro«, antwortete ihr Vater schulterzuckend.

      Allerdings schien es der Tochter, als habe er es eine Spur zu hastig gesagt.

      »Es soll dort sehr schön sein«, warf ihre Mutter schnell ein. »Net so überlaufen wie woanders.«

      »Ja, und man kann dort sehr gut wandern«, nickte der Kaufmann. »Denk’ also daran, Wanderkleidung einzupacken.«

      Angela notierte sich in Gedanken, Schuhe, Hosen und Anorak zum Wandern in den Koffer zu legen. Hoffentlich reichte einer überhaupt aus. Allerdings gab es dort vermutlich kein großes gesellschaftliches Ereignis, so daß sie ohne besondere Abendgarderobe auskommen würde.

      »Und ein Ball findet doch auch statt«, sagte ihre Mutter in diesem Moment. »Vielleicht solltest auch etwas Festliches mitnehmen.«

      »Ach was«, schüttelte Ewald

      Pfister den Kopf. »Das ist ein Trachtenabend oder wie man so da-

      zu sagt. Volkstümlich eben, mit

      Blasmusik und jeder Menge Gaudi. Da kannst’ dir in Sankt Johann eher ein Dirndl für diesen Anlaß kaufen.«

      Angela trank ihren Tee aus.

      »Na, ich laß mich überraschen«, meinte sie. »Hauptsache, wir re-

      den


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