Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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der vor­her­ge­hen­de; nur war er kalt, wo je­ner feucht war. Und die üb­ri­gen Tage der Wo­che gli­chen ge­nau die­sen bei­den, eben­so wie die wei­te­ren Wo­chen des Mo­nats die­ser ers­ten gli­chen.

      All­mäh­lich ver­lor sich ihre Sehn­sucht nach den fer­nen Lan­den. Die Ge­wohn­heit lull­te ihr gan­zes Le­ben in eine Art wi­der­stands­lo­sen Schlaf ein, ähn­lich wie ge­wis­se Wäs­ser die Ei­gen­schaft ha­ben, den Bo­den, den sie trän­ken, zu ver­kal­ken. Mehr und mehr ent­stand wie­der bei ihr ein ge­wis­ses In­ter­es­se an die tau­sen­der­lei Klei­nig­kei­ten des all­täg­li­chen Le­bens; sie be­gann sich den ein­fa­chen und harm­lo­sen Be­schäf­ti­gun­gen ih­res Da­seins mit Sorg­sam­keit zu wid­men. Es ent­wi­ckel­te sich bei ihr eine Art träu­me­ri­sche Me­lan­cho­lie; ihr Le­ben ver­lor das Zau­ber­haf­te, dem sie sich bis­her hin­ge­ge­ben hat­te. Was hät­te ihr ge­fehlt? Wo­nach hät­te sie Ver­lan­gen ge­habt? Sie wuss­te es nicht. Sie be­sass kei­nen welt­li­chen Sinn und so­mit auch kei­ne Ver­gnü­gungs­sucht, nicht ein­mal das Ver­lan­gen nach er­reich­ba­ren Freu­den. Nach wel­chen üb­ri­gens? Al­les ver­blass­te lang­sam vor ih­ren Au­gen, es ver­wisch­te sich und nahm eine fah­le trü­be Fär­bung an, ähn­lich wie die al­ten Mö­bel im Sa­lon, die mit der Zeit ver­bleicht wa­ren.

      Ihr Ver­hält­nis zu Ju­li­us hat­te sich voll­stän­dig ver­än­dert. Seit ih­rer Rück­kehr von der Hoch­zeits­rei­se schi­en er ein ganz an­de­rer ge­wor­den; wie ein Schau­spie­ler, der sei­ne Rol­le vollen­det hat und nun sei­ne na­tür­li­che Mie­ne wie­der an­nimmt. Er be­küm­mer­te sich kaum noch um sie, wenn er über­haupt noch mit ihr sprach. Jede Spur von Lie­be schi­en plötz­lich ver­schwun­den zu sein. Nur ganz sel­ten kam er noch nachts zu ihr ins Zim­mer.

      Er hat­te die Ver­mö­gens-Ver­wal­tung über­nom­men, be­auf­sich­tig­te die Gü­ter, plag­te die Ar­bei­ter und ver­min­der­te die Aus­ga­ben. Und in­dem er selbst sich die Ma­nie­ren und das We­sen ei­nes bie­de­ren Lan­de­del­man­nes an­eig­ne­te, ver­lor er all­mäh­lich die ele­gan­te vor­neh­me Art, die er als Bräu­ti­gam be­ses­sen hat­te. Er kam aus ei­nem al­ten Jagd­ko­stüm von grau­em Samt mit kup­fer­nen Knöp­fen, das er un­ter sei­ner Jung­ge­sel­len-Gar­de­ro­be wie­der auf­ge­stö­bert hat­te, fast nicht mehr her­aus, ob­schon es über und über voll Fle­cken war. Nicht mehr von dem Dran­ge be­seelt zu ge­fal­len, hat­te er auf­ge­hört sich zu ra­sie­ren, so­dass sein lan­ger und schlecht zu­ge­stutz­ter Bart ihn un­glaub­lich ent­stell­te. Sei­ne Hän­de wa­ren nicht mehr wie einst­mals sorg­fäl­tig ge­pflegt; und nach je­der Mahl­zeit trank er vier oder fünf Gläs­chen Co­gnac.

      An­fangs hat­te Jo­han­na ver­sucht, ihm ei­ni­ge zärt­li­che Vor­stel­lun­gen zu ma­chen; aber er hat­te sie in so rau­em Tone er­sucht, ihn in Ruhe zu las­sen, dass sie in Zu­kunft auf wei­te­re Ver­su­che ver­zich­te­te.

      Die Wir­kung die­ser Ver­än­de­run­gen auf ihr ei­ge­nes Ge­müt setz­ten sie selbst manch­mal in Er­stau­nen. Er war für sie wie­der ein völ­lig Frem­der ge­wor­den, des­sen Herz und Ge­müt ihr noch ver­schlos­sen wa­ren. Sie dach­te oft hier­über nach und wun­der­te sich, wie es mög­lich sei, dass nach so zärt­li­chen Stun­den, wie sie bei­de sie zu­sam­men ver­lebt, sie sich plötz­lich wie zwei Un­be­kann­te ge­gen­über­stan­den, die nie das Bett mit­ein­an­der ge­teilt hät­ten.

      Und warum litt sie ei­gent­lich gar nicht so sehr durch sei­ne Ver­nach­läs­si­gung? War das im­mer so im Le­ben oder hat­te man sie ge­täuscht? Wür­de es auch in Zu­kunft wei­ter nichts mehr für sie ge­ben?

      Wenn Ju­li­us hübsch, ele­gant, sau­ber und vor­nehm in sei­nen Ma­nie­ren ge­blie­ben wäre, hät­te sie wahr­schein­lich mehr ge­lit­ten.

      Man hat­te be­schlos­sen, dass von Neu­jahr an die jun­gen Leu­te al­lein blei­ben soll­ten, wäh­rend Mama und Papa zu ei­nem mehr­mo­nat­li­chen Auf­ent­halt nach Rou­en zu­rück­kehr­ten, wo sie ja ihr Ho­tel hat­ten. Das jun­ge Paar woll­te die­sen Win­ter Peup­les nicht ver­las­sen, um sich dort völ­lig ein­zu­rich­ten und sich all­mäh­lich an die Stät­te zu ge­wöh­nen, wo sie ihr gan­zes fer­ne­res Le­ben zu­brin­gen wür­den. Aus­ser­dem muss­te Ju­li­us sei­ne jun­ge Frau doch ei­ni­gen Fa­mi­li­en in der Nach­bar­schaft, wie den Bri­se­vil­les, den Cou­te­liers und den Four­vil­les vor­stel­len.

      Aber die jun­gen Leu­te konn­ten mit ih­ren Be­su­chen noch nicht be­gin­nen, weil es bis da­hin nicht mög­lich ge­we­sen war, den Ma­ler zu be­kom­men, der die Wap­pen­schil­der an der großen Ka­le­sche ver­än­dern soll­te.

      Die alte große Fa­mi­li­en-Equi­pa­ge war sei­ner Zeit vom Baron in al­ler Form dem Schwie­ger­sohn ab­ge­tre­ten wor­den. Und Ju­li­us hät­te um kei­nen Preis der Welt ein­ge­wil­ligt, sei­ne An­tritts-Be­su­che auf den Nach­barsch­lös­sern zu ma­chen, wenn das Wap­pen der La­ma­re nicht ne­ben dem der Le Per­thuis des Vauds ge­glänzt hät­te.

      Nun gab es aber auf dem Lan­de dort weit und breit nur einen Mann, der sich noch spe­zi­ell mit der Kunst der Wap­pen­ma­le­rei be­schäf­tig­te, ein Ma­ler aus Bol­bec, Na­mens Ba­tail­le, der der Rei­he nach auf al­len Sch­lös­sern der Nor­man­die be­schäf­tigt war, die kost­ba­ren Schil­de­rei­en auf Kut­schen­schlä­gen zu er­neu­ern.

      End­lich ei­nes Mor­gens im De­zem­ber, ge­gen Schluss des Früh­stücks, sah man ein In­di­vi­du­um das Tor öff­nen und di­rekt auf das Schloss zu­schrei­ten. Er trug einen Kas­ten auf dem Rücken. Das war Ba­tail­le.

      Man ließ ihn in den Spei­se­saal ein­tre­ten und setz­te ihm wie ei­nem Herrn zu es­sen vor. Sei­ne Kunst, sei­ne fort­wäh­ren­den Be­zie­hun­gen zu der ge­sam­ten Ari­sto­kra­tie des Lan­des, sei­ne he­ral­di­schen Kennt­nis­se mit ei­nem Wor­te, hat­ten ihn zu ei­nem aus­ser­ge­wöhn­li­chen Man­ne ge­stem­pelt, dem die Edel­leu­te die Hand drück­ten.

      Es wur­de so­fort Pa­pier und Blei­stift her­bei­ge­schafft, und wäh­rend Ba­tail­le ass, ent­war­fen der Baron und Ju­li­us ihre Wap­pen mit al­len Ein­zeln­hei­ten. Die Baro­nin, die, so­bald es sich um sol­che Din­ge han­del­te, ganz le­ben­dig wur­de, gab ihre Ratschlä­ge dazu. So­gar Jo­han­na nahm an der Be­ra­tung Teil, als ob plötz­lich ir­gend ein ge­heim­niss­vol­les In­ter­es­se in ihr wach ge­ru­fen wäre.

      Ba­tail­le gab, ru­hig wei­ter­kau­end, sei­nen Senf dazu, nahm da­zwi­schen mal einen Blei­stift, zeich­ne­te einen Ent­wurf, nann­te die­ses oder je­nes Bei­spiel und be­schrieb alle herr­schaft­li­chen Equi­pa­gen des Lan­des. Sein gan­zes We­sen, sein Geist, sei­ne Art zu spre­chen schie­nen selbst von die­ser vor­neh­men At­mo­sphä­re durch­setzt zu sein.

      Es war ein klei­ner Mann mit kurz ge­scho­re­nen grau­en Haa­ren, far­ben­be­schmutz­ten Hän­den und ei­nem durch­drin­gen­den Fir­nis­duft. Wie man sag­te, hat­te er frü­her mal eine häss­li­che Skan­dal­ge­schich­te ge­habt; aber die Ach­tung, mit der ihn alle vor­neh­men Fa­mi­li­en des Lan­des schon be­han­del­ten, hat­te längst die­sen dunklen Fleck ver­wischt.

      Nach­dem er mit sei­nem Kaf­fee zu Ende war, führ­te man ihn zu der Re­mi­se, wo der Wachs­tuch-Über­zug von der Ka­le­sche ab­ge­zo­gen wur­de. Ba­tail­le be­sich­tig­te sie ge­nau, ver­brei­te­te sich mit wich­ti­ger Mie­ne über die Grös­sen­ver­hält­nis­se, wel­che er sei­nem Ent­wur­fe ge­ben wür­de und be­gab sich schliess­lich an die Ar­beit, nach­dem er noch dies und je­nes an sei­nem


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