Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн книгу.hätte gar zu gern das Läuten der Glocke erzwungen. Er ärgerte sich über die höfliche Rücksichtnahme seines Vorgesetzten gegenüber dem Priester. Jeden Tag bat er den Major ihn doch einmal »Bim Bam« machen zu lassen, nur ein einziges kleines Weilchen, um doch einmal ein wenig lachen zu können. Er erbat sich das mit katzenartiger Schmeichelei, mit der Koketterie eines Weibes, mit der süssen Sprache einer durch Eifersucht gepeinigten Buhlerin. Aber der Major blieb unerbittlich und Mamsell Fifi legte, um sich zu entschädigen im Schlosse dann eine kleine Mine.
Die fünf Herren standen so einige Minuten mit Behagen die feuchte Luft einatmend zusammen am Fenster. Endlich sagte der Lieutenant Fritz mit mattem Lächeln: »Die Damen haben entschieden kein gutes Reisewetter.« Dann trennte man sich und jeder ging seinem Dienste nach. Der Hauptmann hatte alle Hände voll zu tun, um mit seinen Vorbereitungen für das Souper fertig zu werden.
Als sie sich bei sinkender Nacht wieder zusammenfanden brachen sie insgesamt in lautes Gelächter aus. Jeder musterte den anderen, wie er sich fein gemacht hatte und nun in tadellosester Toilette dastand wie am Abend eines Garnisonsballes. Selbst die Haare des Herrn Major schienen weniger grau wie am Morgen, und der Herr Hauptmann hatte sich rasiert, sodass nur sein Schnurrbart wie eine rote Flamme unter seiner Nase hervorstarrte.
Trotz des Regens hatte man das Fenster offen gelassen und alle Augenblicke lauschte einer von ihnen in die Nacht hinaus. Zehn Minuten nach sechs verkündete der Major fernes Wagengerassel. Alle stürzten vor, und bald sah man den großen Wagen heranrollen. Die Pferde waren immer noch in Galopp und beim Scheine der Laternen konnte man beobachten, dass sie über und über mit Kot bespritzt waren, während ein heisser Dampf von ihren zitternden Flanken aufstieg.
Unter der großen Plane krochen fünf Frauenzimmer hervor, fünf hübsche Kinder, mit Sorgfalt von einem Freunde des Hauptmanns ausgewählt, dem der Quartiermeister ein Billet desselben überbracht hatte.
In der Voraussicht guter Bezahlung hatten sie sich nicht lange bitten lassen. Sie kannten übrigens ja nun die »Prussiens« seit den drei Monaten, wo sie in der Gegend waren und zogen ihren Vorteil von den Menschen, wie es gerade kam. »Das Geschäft bringt das mit sich«, sagten sie sich unterwegs, um sich gewissermassen vor einem letzten Rest ihres eigenen Gewissens zu entschuldigen.
Man führte sie sofort in den Speisesaal. Derselbe machte mit seiner Verwüstung bei Licht einen noch traurigeren Eindruck, wie am Tage. Der Tisch war mit Speisen, Flaschen und Gläsern sowie mit dem inzwischen entdeckten Silberschatze reich beladen und das Ganze glich der Herberge von Banditen, die sich nach einem glücklichen Raubzug gütlich tun. Der Hauptmann bemächtigte sich als ein in solchen Dingen erfahrener Mann sofort der Mädchen, indem er sie mit den Augen mass, sie küsste, sie beroch und auf ihren Wert als Dirnen schätzte. Als die drei jüngeren Herren sich jeder eine nehmen wollten, wehrte er es ihnen nachdrücklich und behielt sich die Verteilung vor, die streng nach Recht und Gerechtigkeit dem Range gemäss erfolgen sollte, um nur ja nicht die militärische Disziplin zu verletzen.
Dann stellte er sie um jeden Zank und Streit und jeden Verdacht der Parteilichkeit zu vermeiden, der Grösse nach nebeneinander auf und fragte, einen befehlenden Ton anschlagend die grösste von ihnen: »Dein Name?«
»Pamela« antwortete diese mit kräftiger Stimme.
»Nummer eins, genannt Pamela«, erklärte er hierauf mit lauter Stimme »kommandiert zum Herrn Major.«
Nachdem er hierauf »Blondine«, die zweite geküsst hatte, zum Zeichen, dass sie ihm gehöre, teilte er dem Lieutenant Otto die dicke »Amanda« zu, dem Sekondelieutenant Fritz »Eva, genannt der Liebesapfel«, und dem zarten Wilhelm von Eyrich dem jüngsten Offizier die kleinste von allen, Namens Rahel, eine noch ganz junge Brünette mit Augen so schwarz wie Kohle; eine Jüdin, deren Stumpfnase zeigte, dass auch bei dieser Rasse einmal eine Ausnahme von dem herkömmlichen krummen Schnabel stattfinden kann.
Alle fünf waren im Übrigen hübsche muntere Mädchen ohne besonders ausgeprägte Physiognomien; ihre tägliche Beschäftigung im Liebeshandwerk und das Zusammenleben in einem öffentlichen Hause hatte ihnen in Haltung und Äusseren einen ziemlich gemeinschaftlichen Charakter aufgeprägt.
Die drei jüngeren Herren wollten sofort ihre Mädchen auf ihr Zimmer nehmen unter dem Vorwande ihnen Gelegenheit zu geben, sich etwas von den Einflüssen der Wagenfahrt zu reinigen. Aber der Hauptmann gab dies vorsichtiger Weise nicht zu. Sie seien sauber genug, meinte er, um sich mit ihnen zu Tisch zu setzen. Die Herren würden, wenn sie herunterkämen, die Damen wechseln wollen; und das würde die allgemeine Ordnung stören. Er schien das aus Erfahrung zu kennen. Nun begann ein allgemeines, erwartungsvolles, sehnsüchtiges Küssen.
Plötzlich bekam Rahel einen Erstickungsanfall, sie hustete, dass ihr die Tränen über die Backen liefen, während ihr Rauch aus Nase und Mund drang. Herr von Eyrich hatte ihr beim Küssen eine Dampfwolke ins Gesicht geblasen. Sie ließ sich äusserlich nichts merken und sagte kein Wort; aber ein zorniger Blick aus ihren schwarzen Augen traf ihren Besitzer.
Man setzte sich. Der Major schien ganz ausgezeichnet guter Dinge zu sein. Er nahm Pamela zu seiner Rechten und Blondine zu seiner Linken. »Das war eine brillante Idee von Ihnen, Herr Hauptmann!«, sagte er seine Serviette entfaltend.
Die Lieutenants Otto und Fritz setzten ihre Nachbarinnen etwas dadurch in Verlegenheit, dass sie dieselben wie anständige Damen behandelten. Aber der Baron von Helfenstein, ganz in seinem Element, schwadronierte wie ein Husar, stiess allerhand frivole Worte aus, und schien mit seiner roten Haarkrone ganz Feuer und Flamme zu sein. Er sprach ein schauderhaftes Französisch und die plumpen Liebenswürdigkeiten, die er den Mädchen zuflüsterte, sprudelten mit einem wahren Speichelregen zwischen seinen Zahnlücken hervor.
Übrigens verstanden die Mädchen von allem nur die Hälfte; ihr Begriffsvermögen schien erst zu erwachen, als er anfing schmutzige, durch seine Aussprache verstümmelte Zoten hervorzustossen. Da fingen alle an wie toll durcheinander zu lachen; sie legten sich über den Schoss ihrer Nachbarn und wiederholten die Ausdrücke des Hauptmanns, die dieser dann noch mehr verdrehte, damit sie recht schmutzig klangen. Sie taten ihm bald diesen Gefallen, nachdem ihnen einmal die erste Flasche zu Kopfe gestiegen war; ihre wahre Natur offenbarte sich in ihren Reden und Gebärden. Sie küssten die Schnurrbärte ihrer Nachbarn rechts und links, kniffen