Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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sich un­nütz an ihr auf. Bald küss­te er wie toll die ra­ben­schwar­zen Här­chen auf ih­rem Na­cken wo­bei er durch den en­gen Spalt zwi­schen Kleid und Haut die lin­de Wär­me, ver­mischt mit den ei­gen­tüm­li­chen Duft ih­res Kör­pers ein­sog. Bald wie­der er­griff ihn sei­ne wil­de Rad­au­sucht, und mit wü­ten­der Lüs­tern­heit kniff er sie durch den Stoff hin­durch, dass sie laut auf­schrie. Er um­fass­te sie und press­te sie an sich, als woll­te er sich mit ihr ver­ei­nen; er drück­te sei­nen Mund in­nig auf die fri­schen Lip­pen der Jü­din, und küss­te sie, dass sie fast den Atem ver­lor. Plötz­lich biss er so fest zu, dass ein Blut­fa­den über das Kinn des Mäd­chens rann und auf die Tail­le tropf­te.

      »Das zahl ich Dir heim!« zisch­te sie, ihn aber­mals scharf an­se­hend, wäh­rend sie das Blut ab­wisch­te.

      »Wenn’s wei­ter nichts ist!« lach­te er mit har­tem Blick.

      Zum Nach­tisch wur­de Sekt ein­ge­schenkt. Der Ma­jor er­hob sich, und mit dem­sel­ben Tone mit dem er das Hoch auf ir­gend eine fürst­li­che Per­sön­lich­keit aus­ge­bracht ha­ben wür­de, sag­te er:

      »Auf das Wohl der Da­men!«

      Eine gan­ze Rei­he von Toas­ten be­gann jetzt, Toas­te mit der Galan­te­rie be­trun­ke­ner Lieu­ten­ants ver­mengt voll schmut­zi­ger Wit­ze, die bei der schlech­ten Auss­pra­che noch ro­her klan­gen. Ei­ner nach dem and­ren er­hob sich und such­te et­was geist­rei­ches und ko­mi­sches zu sa­gen. Die Wei­ber, trun­ken bis zum Um­fal­len, klatsch­ten je­des Mal mit ver­glas­ten Au­gen und gei­fern­den Lip­pen wie toll ih­ren Bei­fall.

      Der Haupt­mann woll­te sicht­lich der Or­gie einen ga­lan­ten An­strich ge­ben.

      »Auf un­se­re Sie­ge über die weib­li­chen Her­zen!« rief er, noch­mals das Glas er­he­bend.

      Da sprang der Lieu­ten­ant Otto auf, ein rech­ter deut­scher Bär, dem der Wein den Kopf ver­dreht hat­te.

      »Auf un­se­re Sie­ge über Frank­reich!« brüll­te er von trun­ke­nem Pa­trio­tis­mus hin­ge­ris­sen.

      Trotz ih­rer Trun­ken­heit schwie­gen die Wei­ber die­ses­mal; Ra­hel zuck­te zu­sam­men.

      »Du hör mal,« wand­te sie sich zu ihm, »ich ken­ne Fran­zo­sen, vor de­nen Du so was nicht sa­gen wür­dest.«

      Der klei­ne Frei­herr, auf des­sen Schos­se sie noch im­mer sass, schlug eine un­bän­di­ge La­che auf; der Wein mach­te ihn aus­ge­las­sen.

      »Ach, warum nicht gar?« rief er. »Ich habe noch kei­nen ge­se­hen! So­bald wir kom­men, reis­sen sie aus.«

      »Das lügst Du, Lump!« schrie ihm Ra­hel wü­tend ins Ge­sicht.

      Eine Se­kun­de lang ruh­te sein kal­ter, har­ter Blick auf ihr, wie er auf den Ge­mäl­den ruh­te, nach de­nen er spä­ter mit dem Re­vol­ver schoss.

      »Na, mein Schatz, da­von wol­len wir lie­ber nicht wei­ter re­den,« fing er dann wie­der la­chend an. »Säs­sen wir viel­leicht hier, wenn sie Kou­ra­ge hät­ten?« Er wur­de leb­haf­ter.

      »Aber wir sind jetzt die Her­ren!« rief er. »Uns ge­hört Frank­reich.«

      Mit ei­nem Ruck war sie von sei­nem Schoss her­un­ter und tau­mel­te auf ih­rem Stuhl. Er aber sprang auf, hob sein Glas über den Tisch und wie­der­hol­te:

      »Uns ge­hört Frank­reich mit sei­nen Be­woh­nern, mit sei­nen Wäl­dern, Häu­sern und Fel­dern!«

      Die Üb­ri­gen eben so plötz­lich von ei­ner un­sin­ni­gen mi­li­tä­ri­schen Be­geis­te­rung er­fasst, ho­ben eben­falls in ih­rer ro­hen Trun­ken­heit die Glä­ser.

      »Es lebe Preus­sen!« brüll­ten sie wie aus ei­nem Mun­de. Und sie leer­ten die Glä­ser mit ei­nem Zuge.

      Schwei­gend, von Furcht er­grif­fen, wag­ten die Mäd­chen kei­nen Wi­der­spruch. Selbst Ra­hel schwieg, un­fä­hig, et­was zu er­wi­dern.

      Da setz­te der klei­ne Frei­herr sein frisch ge­füll­tes Sekt­glas auf den Kopf der Jü­din und schrie:

      »Uns ge­hö­ren auch alle Frau­en Frank­reichs.« Sie sprang so schnell auf, dass die Kris­tall­scha­le um­kipp­te und klir­rend auf dem Bo­den zer­sprang, wäh­rend der gol­di­ge Schaum­wein wie zur Tau­fe ihre schwar­zen Haa­re durch­tränk­te. Mit be­ben­den Lip­pen trotz­te sie dem Bli­cke des noch im­mer lä­cheln­den Of­fi­zie­res.

      »Das … das … das ist nicht wahr, ver­stehst Du! Die fran­zö­si­schen Frau­en be­kommt Ihr nicht!«

      Er setz­te sich und schüt­tel­te sich vor La­chen.

      »Die Klei­ne ist wirk­lich naiv,« stam­mel­te er. »Zu was bist Du denn sonst hier, mein Schatz?«

      An­fangs schwieg sie fas­sungs­los, weil sie in ih­rer Ver­wir­rung den Sinn sei­ner Wor­te nicht ver­stand. Dann aber, als sie sei­ne Fra­ge be­grif­fen hat­te, schrie sie ihm em­pört ins Ge­sicht.

      »Ich … ich? … Ich bin kei­ne Frau, ich bin eine Dir­ne. So eine ist ge­ra­de gut ge­nug für Euch Preus­sen!«

      Kaum hat­te sie aus­ge­spro­chen, als er ihr mit vol­ler Kraft eine Ohr­fei­ge ver­setz­te. Als er aber dann sinn­los vor Wut zu ei­nem zwei­ten Schla­ge aus­hol­te, er­griff sie vom Ti­sche ein Des­sert­mes­ser mit sil­ber­ner Klin­ge und stiess es ihm in den Hals, ge­nau in die Höh­lung, wo die Brust an­setzt. Das voll­zog sich so schnell, dass man es kaum ge­wahr wur­de.

      Ein Wort, das er ge­ra­de noch spre­chen woll­te, blieb ihm im Hal­se ste­cken. Zit­ternd sass er da, mit ei­nem furcht­ba­ren Blick im Auge.

      Alle sties­sen einen lau­ten Schrei aus und spran­gen wirr durch­ein­an­der. Aber Ra­hel warf dem Lieu­ten­ant Otto ih­ren Stuhl zwi­schen die Bei­ne, dass er der Län­ge nach hin­fiel. Dann lief sie an’s Fens­ter, riss es auf, und ehe man ihr fol­gen konn­te, hat­te sie sich hin­aus­ge­schwun­gen in die fins­te­re Nacht, in den im­mer noch strö­men­den Re­gen.

      Mam­sell Fifi war nach zwei Mi­nu­ten tot. Da grif­fen Schön­burg und Groß­ling nach ih­ren Waf­fen, um die Wei­ber nie­der­zu­ste­chen. Nur mit Mühe konn­te der Ma­jor ein Blut­bad ver­hin­dern. Er ließ die vier be­stürz­ten Mäd­chen un­ter Be­wa­chung von zwei Mann in ein Zim­mer sper­ren. Dann ver­teil­te er sei­ne Leu­te wie zum Ge­fecht, und ord­ne­te die Ver­fol­gung der Flüch­ti­gen an, die er si­cher zu er­wi­schen hoff­te.

      Fünf­zig Mann wur­den mit den strengs­ten Be­feh­len in den Park ge­sandt. Zwei­hun­dert an­de­re soll­ten die Ge­höl­ze und alle Häu­ser des Ta­les durch­su­chen.

      Der in ei­nem Au­gen­bli­cke ab­ge­deck­te Tisch diente jetzt als To­ten­bett, und die vier Of­fi­zie­re blie­ben er­nüch­tert, starr, mit erns­ter Dienst­mie­ne am Fens­ter ste­hen und lausch­ten in die Nacht hin­aus.

      Der hef­ti­ge Re­gen ström­te wei­ter. Ein un­aus­ge­setz­tes Plät­schern hall­te durch die Fins­ter­nis, ein lei­ses Mur­meln von nie­der­rau­schen­dem, ab­flies­sen­dem, trop­fen­dem und zu­rück­sprü­hen­dem Was­ser.

      Plötz­lich fiel ein Schuss, dann weit ent­fernt ein zwei­ter; und so hör­te man vier Stun­den lang hier und dort bald nä­her, bald ent­fern­ter Schüs­se fal­len, Sam­mel­ru­fe, selt­sa­me Wor­te, die wie ein An­ruf aus tiefer Brust klan­gen.

      Ge­gen Mor­gen rück­te al­les wie­der ein. Zwei Sol­da­ten wa­ren bei dem Ei­fer


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