Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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als er noch glaub­te, bald große Sum­men ver­die­nen zu kön­nen, und nun wa­ren, eine nach der an­de­ren, alle Hilfs­quel­len er­schöpft und alle Mit­tel, sich von Neu­em Geld zu ver­schaf­fen, ver­sag­ten.

      Das sehr ein­fa­che Ver­fah­ren, sich Geld an der Kas­se zu lei­hen, hat­te er zu oft an­ge­wandt; er hat­te sein Ge­halt schon für vier Mo­na­te im Voraus be­zo­gen und noch einen Vor­schuss von sechs­hun­dert Fran­cs auf sein Zei­len­ho­no­rar. Au­ßer­dem schul­de­te er Fo­res­tier hun­dert Fran­cs und Jaques Ri­val, der sehr frei­ge­big war, drei­hun­dert; be­son­ders quäl­ten ihn noch eine Men­ge klei­ner Schul­den, die er nicht ein­ge­ste­hen konn­te, in Höhe von fünf bis zwan­zig Fran­cs.

      Er frag­te Saint-Po­tin um Rat, wie er sich noch­mals hun­dert Fran­cs ver­schaf­fen könn­te, aber er wuss­te auch kei­nen Aus­weg mehr, ob­wohl er ein er­fin­de­ri­scher Kopf war; und Du­roy war er­bit­tert über sei­ne Lage, die jetzt viel emp­find­li­cher war, weil er mehr Be­dürf­nis­se hat­te als frü­her. In ihm koch­te ein dump­fer Groll ge­gen die gan­ze Welt, und eine be­stän­di­ge Ge­reizt­heit brach bei je­der Ge­le­gen­heit und bei den ge­rings­ten An­läs­sen her­vor.

      Manch­mal frag­te er sich, wie er es fer­tig ge­bracht hat­te, im Durch­schnitt tau­send Fran­cs mo­nat­lich zu ver­brau­chen, ohne sich ir­gend­wel­che Ex­zes­se oder kost­spie­li­ge Lau­nen zu leis­ten. Wenn er aber nach­rech­ne­te, wur­de es ihm klar, dass ein Früh­stück von acht Fran­cs und ein Di­ner von zwölf Fran­cs zu­sam­men einen Louis­dor aus­mach­ten. Dazu ka­men noch etwa zehn Fran­cs Ta­schen­geld, das man aus­gibt, man weiß nicht wo und wo­für, so hat­te er eine Ge­samt­sum­me von drei­ßig Fran­cs. Drei­ßig Fran­cs pro Tag wa­ren im Mo­nat neun­hun­dert Fran­cs, wo­bei noch alle die Aus­ga­ben für Klei­dung, Schuh­werk, Wä­sche usw. gar nicht ein­mal mit­ge­rech­net wa­ren.

      Ei­nes Ta­ges, am 14. De­zem­ber, hat­te er kei­nen Sou mehr in der Ta­sche und sah auch kei­ne Mög­lich­keit, sich Geld zu ver­schaf­fen. Er tat, was er schon öf­ter ge­tan hat­te, er spar­te sich das Früh­stück und ar­bei­te­te den Nach­mit­tag in der Re­dak­ti­on. Er war wü­tend und hat­te für nichts mehr Sinn.

      Um vier Uhr be­kam er einen blau­en Brief von sei­ner Ge­lieb­ten, die frag­te: »Wol­len wir zu­sam­men spei­sen und nach­her eine klei­ne Bum­mel­fahrt ma­chen?«

      Er ant­wor­te­te so­fort: »Di­ner un­mög­lich.« Dann aber über­leg­te er, dass es tö­richt sei, sich der an­ge­neh­men Stun­de zu be­rau­ben, die sei­ne Ge­lieb­te ihm bie­ten könn­te, und füg­te hin­zu: »Aber ich er­war­te dich um neun Uhr in un­se­rer Woh­nung,«

      Um die Kos­ten des Te­le­gramms zu spa­ren, Ließ er den Brief durch einen Re­dak­ti­ons­bo­ten be­sor­gen und grü­bel­te dann dar­über nach, auf wel­che Wei­se er sich das Geld für eine Mahl­zeit ver­schaf­fen könn­te.

      Um sie­ben Uhr war ihm noch nichts ein­ge­fal­len und da­bei ver­spür­te er einen furcht­ba­ren Hun­ger. Da griff er zu ei­nem ver­zwei­fel­ten Mit­tel. Er ließ alle sei­ne Kol­le­gen einen nach dem an­de­ren fort­ge­hen und dann klin­gel­te er ener­gisch. Der Die­ner des Chefs, der zur Be­wa­chung der Räu­me zu­rück­ge­blie­ben war, kam her­ein.

      Du­roy stand und wühl­te ner­vös in sei­nen Ta­schen und sag­te mit hef­ti­ger Stim­me:

      »Hö­ren Sie, Fou­cart, ich habe mein Por­te­mon­naie zu Hau­se lie­gen las­sen und ich muss zum Di­ner ins Lu­xem­bourg. Lei­hen Sie mir, bit­te, fünf­zig Sous, da­mit ich mei­ne Drosch­ke be­zah­len kann.«

      Der Mann hol­te drei Fran­cs aus der Wes­ten­ta­sche und frag­te:

      »Herr Du­roy wol­len nicht mehr?«

      »Nein, nein, das ge­nügt. Bes­ten Dank.«

      Du­roy er­griff das Sil­ber­stück und eil­te die Trep­pe hin­ab.

      Er aß in ei­ner Gar­kü­che, wo er in den schlimms­ten Ta­gen sei­ner Ar­mut oft ein­kehr­te.

      Um neun Uhr saß er im Sa­lon am Ka­min und er­war­te­te sei­ne Ge­lieb­te.

      Sie er­schi­en sehr gu­ter Lau­ne, sehr lus­tig, an­ge­regt von der kal­ten Luft auf der Stra­ße.

      »Wenn es dir recht ist,« sag­te sie, »ma­chen wir einen Spa­zier­gang und sind dann um elf Uhr wie­der zu­rück. Das Wet­ter ist herr­lich!«

      Er ant­wor­te­te in ei­nem mür­ri­schen Ton:

      »Wa­rum sol­len wir aus­ge­hen? Hier ist es auch sehr an­ge­nehm.«

      Sie er­wi­der­te, ohne ih­ren. Hut ab­zu­neh­men: »Wenn du wüss­test, welch wun­der­vol­ler Mond­schein drau­ßen ist! Es ist eine wah­re Won­ne, heu­te spa­zie­ren zu ge­hen.«

      »Schon mög­lich, aber mir liegt nichts dar­an.«

      Er sag­te das in wü­ten­dem Ton. Sie fühl­te sich ver­letzt und frag­te:

      »Was ist mit dir? Was sind das für Ma­nie­ren? Ich wün­sche aus­zu­ge­hen und sehe nicht ein, wie­so das dich är­gern kann?«

      Ganz auf­ge­bracht, stand er auf:

      »Ich är­ge­re mich gar nicht, es ist mir bloß lang­wei­lig. Das ist al­les!«

      Sie ge­hör­te zu den Leu­ten, die je­der Wi­der­stand reizt und jede Un­höf­lich­keit aus der Fas­sung bringt. So er­wi­der­te sie mit kal­ter, zor­ni­ger Ver­ach­tung:

      »Ich bin es nicht ge­wohnt, dass man mit mir so spricht. Es ist da­her am bes­ten, ich gehe al­lein. Adieu.«

      Er be­griff, dass die Sa­che ernst wur­de und stürz­te hin­ter ihr her, er­griff ihre Hän­de und küss­te sie. Er stam­mel­te:

      »Ver­zeih mir, Liebs­te, ver­zeih mir. Ich bin heu­te Abend ganz ner­vös und über­reizt. Ich hat­te Är­ger und Unan­nehm­lich­kei­ten im Be­ruf, weißt du?«

      Sie er­wi­der­te et­was mil­der, aber im­mer noch nicht be­ru­higt: »Das geht mich nichts an. Ich will nicht die­je­ni­ge sein, die un­ter dei­nen Lau­nen zu lei­den hat.«

      Er schloss sie in die Arme und zog sie zum Sofa.

      »So höre doch, Lieb­ling, ich woll­te dich doch nicht krän­ken; ich über­leg­te nicht, was ich sag­te!«

      Er hat­te sie ge­zwun­gen, sich hin­zu­set­zen und knie­te vor ihr nie­der:

      »Ver­zeih mir, bit­te, sage, dass du mir ver­zeihst!«

      Sie mur­mel­te mit ziem­lich küh­ler Stim­me:

      »Mei­net­we­gen. Aber komm mir nicht wie­der mit so et­was.«

      Dann stand sie auf und sag­te:

      »So, nun wol­len wir aus­ge­hen.«

      Er knie­te noch im­mer vor ihr und hielt ihre Hüf­ten mit sei­nen Ar­men um­schlun­gen. Er stot­ter­te: »Ich bit­te dich, blei­ben wir hier … bit­te. Ich fle­he dich an, tu es mir zu­lie­be … Ich möch­te dich heu­te Abend so gern für mich ganz al­lein ha­ben, hier am Ka­min. Sag’ ja, ich bit­te dich, sag’ ja!«

      Sie ant­wor­te­te klar und schroff:

      »Nein, ich will aus­ge­hen, ich wer­de mich dei­ner Lau­ne nicht fü­gen.«

      Er be­stand dar­auf:

      »Ich fle­he dich an, ich habe einen Grund, einen sehr erns­ten Grund.«

      Sie


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