Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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als der Kut­scher frag­te: »Wo­hin, Bür­ger?« rief er: »Wo­hin Sie wol­len!« Der Wa­gen setz­te sich lang­sam in. Be­we­gung und rum­pel­te auf dem Pflas­ter. Clo­til­de be­kam einen Ner­ven­an­fall, sie ver­barg ihr Ge­sicht in den Hän­den und er­stick­te fast vor Schluch­zen, wäh­rend Du­roy ver­zwei­felt da­saß und nicht wuss­te, was er tun, noch was er sa­gen soll­te.

      End­lich, als er sie wei­nen hör­te, stam­mel­te er:

      »Höre mich an, Clo, mei­ne lie­be Clo, lass mich es dir er­klä­ren! … Es war nicht mei­ne Schuld … Ich habe die­ses Weib frü­her ge­kannt … in der ers­ten Zeit …«

      Sie nahm plötz­lich die Hän­de vom Ge­sicht, und mit der Wut ei­ner ver­lieb­ten, und be­tro­ge­nen Frau, ei­ner stür­mi­schen Wut, die ihr die Spra­che wie­der­gab, stieß sie in schnel­len, ab­ge­hack­ten, keu­chen­den Wor­ten her­vor:

      »Du Elen­der! … Elen­der! … Du er­bärm­li­cher Lump! Ist es denn mög­lich? … O wel­che Schan­de! … Mein Gott! … Wel­che Schan­de!«

      Und je deut­li­cher ihre Ge­dan­ken wur­den, je kla­rer ihr die Lage wur­de, umso hef­ti­ger wur­de ihr Zorn.

      »Du hast sie mit mei­nem Gel­de be­zahlt, nicht wahr? … Und ich gab dir Geld … für die­se Hure … Oh, du Elen­der!«

      Ein paar Au­gen­bli­cke schi­en sie noch einen an­de­ren, kräf­ti­ge­ren Aus­druck zu su­chen, aber sie fand kei­nen; dann mach­te sie eine Be­we­gung, als ob sie ihn an­spu­cken woll­te und schleu­der­te ihm ins Ge­sicht:

      »Oh! … Schwein … Schwein … Schwein … Mit mei­nem Geld hat er sie be­zahlt … Schwein! … Schwein!«

      Sie fand kein an­de­res Wort mehr und wie­der­hol­te im­mer­fort:

      »Schwein! … Schwein!«

      Plötz­lich lehn­te sie sich zum Fens­ter hin­aus und zupf­te den Kut­scher am Är­mel: »Halt!« — riss die Tür auf und. sprang auf die Stra­ße.

      Du­roy woll­te ihr fol­gen, aber sie schrie: »Ich ver­bie­te dir, aus­zu­stei­gen!«

      Sie rief das so laut, dass die. Passan­ten sich so­fort um. die Drosch­ke sam­mel­ten, und Du­roy wag­te aus Angst vor ei­nem Skan­dal sich nicht zu rüh­ren.

      Dann zog sie die Bör­se aus der Ta­sche, such­te beim Schein der La­ter­ne zwei Fran­cs fünf­zig her­aus, gab sie dem Kut­scher und sag­te mit be­ben­der Stim­me:

      »Hier … das ist für ein Stun­de Fahrt … Ich be­zah­le! … Und nun fah­ren Sie die­sen schmie­ri­gen Lum­pen nach Rue Boursault am Bou­le­vard Ba­ti­gnol­les.«

      In der Grup­pe, die sich um die Drosch­ke ge­bil­det hat­te, ent­stand all­ge­mei­ne Hei­ter­keit. Ein Herr rief: »Bra­vo, Klei­ne!« Und ein Stra­ßen­jun­ge, der zwi­schen den Rä­dern der Drosch­ke stand, steck­te sei­nen Kopf in die of­fe­ne Tür hin­ein und schrie mit krei­schen­der Stim­me: »Gute Nacht, Bubi!« Dann setz­te sich der Wa­gen wie­der in Be­we­gung und lau­tes Ge­läch­ter klang hin­ter ihm her.

      VI.

      Es war am nächs­ten Mor­gen ein trau­ri­ges Er­wa­chen für Ge­or­ges Du­roy. Er zog sich lang­sam an, setz­te sich ans Fens­ter und be­gann über das Vor­ge­fal­le­ne nach­zu­den­ken. Er fühl­te sich am gan­zen Kör­per wie zer­schla­gen, als ob er ges­tern eine Men­ge Stock­hie­be er­hal­ten hät­te. End­lich trieb ihn die Not­wen­dig­keit, ir­gend­wo Geld auf­zu­trei­ben, fort und er be­gab sich zu Fo­res­tier.

      Sein Freund emp­fing ihn in sei­nem Ar­beits­zim­mer, die Füße am Ka­min­feu­er: »Na, warum so früh?«

      »Eine sehr wich­ti­ge An­ge­le­gen­heit. Ich habe eine Ehren­schuld.«

      »Beim Spiel?«

      Er über­leg­te und ge­stand: »Ja, beim Spiel.«

      »Wie viel?«

      »Fünf­hun­dert Fran­cs.«

      Er brauch­te nur zwei­hun­dert­und­vier­zig.

      Fo­res­tier frag­te miss­trau­isch:

      »Wem schul­dest du sie?«

      Du­roy wuss­te nicht gleich, was er ant­wor­ten soll­te: »Ei­nem … ei­nem Herrn … ei­nem Herrn de Car­le­ville.«

      »So … wo wohnt er denn?«

      »Er wohnt in der … in der …«

      Fo­res­tier lach­te: »In der Stra­ße, wo sich Hun­de und Kat­zen gute Nacht sa­gen, nicht wahr? Den Herrn ken­ne ich, mein Lie­ber. Wenn du zwan­zig Fran­cs willst, so viel ste­hen dir noch zur Ver­fü­gung, mehr aber nicht.«

      Du­roy nahm die zwan­zig Fran­cs.

      Dann ging er von Tür zu Tür zu al­len sei­nen Be­kann­ten, und um fünf Uhr hat­te er glück­lich acht­zig Fran­cs zu­sam­men­ge­bracht. Ihm fehl­ten noch zwei­hun­dert Fran­cs; da ent­schloss er sich kurz, das Geld für sich zu be­hal­ten und mur­mel­te: »Um die­ses Frau­en­zim­mer wer­de ich mir kei­ne grau­en Haa­re wach­sen las­sen. Ich wer­de es be­zah­len, wenn ich kann.«

      Vier­zehn Tage lang leb­te er spar­sam, re­gel­mä­ßig und zu­rück­ge­zo­gen. Er hat­te den Kopf voll ener­gi­scher Ent­schlüs­se, dann aber er­griff ihn ein großes Ver­lan­gen nach Lie­be. Es war ihm, als wä­ren Jah­re ver­gan­gen, seit er eine Frau be­ses­sen hat­te, und wie ein Ma­tro­se, der toll wird, wenn er wie­der an Land geht, er­reg­te ihn je­der Wei­ber­rock, dem er be­geg­ne­te.

      Da ging er ei­nes Abends nach Fo­lies-Ber­gè­re, in der Hoff­nung, Ra­hel dort zu tref­fen. In der Tat sah er sie gleich beim Ein­tritt, denn sie ver­ließ die­ses Lo­kal nie. Lä­chelnd ging er auf sie zu und woll­te ihr die Hand rei­chen; aber sie maß ihn von Kopf bis zu den Fü­ßen:

      »Was wün­schen Sie von mir?«

      Er ver­such­te zu la­chen: »Ach, mach’ doch kei­ne Fa­xen!«

      Da dreh­te sie ihm hef­tig den Rücken und sag­te:

      »Ich ver­keh­re nicht mit Lum­pen!«

      Sie hat­te die gröbs­te Be­lei­di­gung aus­ge­sucht. Er fühl­te, wie das Blut ihm zu Kopf stieg und ging al­lein nach Hau­se.

      Fo­res­tier, der krank und elend war und im­mer­fort hus­te­te, mach­te ihm auf der Re­dak­ti­on das Le­ben so schwer wie mög­lich. Es schi­en, als zer­brä­che er sich den Kopf, um ihm die pein­lichs­ten und un­an­ge­nehms­ten Auf­trä­ge zu ge­ben. Ei­nes Ta­ges sag­te er in ei­nem Au­gen­blick ner­vö­ser Er­re­gung nach ei­nem schwe­ren Hus­ten­an­fall zu Du­roy, als er ihm eine ver­lang­te Aus­kunft nicht ver­schaf­fen konn­te: »Wahr­haf­tig, du bist noch düm­mer, als ich ge­glaubt hat­te.«

      Der an­de­re hät­te ihn fast geohr­feigt, doch er nahm sich zu­sam­men, ging fort und brumm­te: »War­te nur, dich krie­ge ich noch.« Da­bei flog ihm blitz­schnell ein Ge­dan­ke durch den Kopf und er füg­te hin­zu: »Ich set­ze dir Hör­ner auf, Al­ter.« Dann ging er und rieb sich die Hän­de vor Ver­gnü­gen über die­sen Plan.

      Er woll­te schon am nächs­ten Tage mit der Aus­füh­rung be­gin­nen und mach­te zu­nächst Frau Fo­res­tier einen Be­such.

      Er fand sie le­send auf dem Sofa lie­gen. Sie reich­te ihm die Hand, ohne sich zu rüh­ren. Sie wand­te ihm nur den Kopf zu und sag­te:

      »Gu­ten


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