Privatdetektiv Joe Barry - Der Tod geht um in Alabaska City. Joe Barry

Читать онлайн книгу.

Privatdetektiv Joe Barry - Der Tod geht um in Alabaska City - Joe Barry


Скачать книгу
dem erschrockenen Ruf „Was ist passiert?“ auf die Straße lief.

      Natürlich hatten sich die Zeiten geändert. Die Cowboys fuhren mit Jeeps durch die Gegend, und die Longhorns trugen Funkgeräte zwischen den Hörnern, über die sie dem Computer auf der Ranch automatisch Standort, Gewicht und Schlachtreife mitteilten. Aber manches war unverändert geblieben. Die alten Männer beispielsweise, die auf Schaukelstühlen in den Vorgärten saßen und seit hundertdreißig Jahren darauf warteten, daß etwas passierte.

      An diesem Abend verhielten alle Schaukelstühle entlang der Main Street mit einem Ruck, und zwei Dutzend Augenpaare starrten ungläubig auf die Figuren, die da aus der Wüste kamen. Gegen die untergehende Sonne boten die beiden Tramps einen malerischen Anblick. Sie schritten so munter dahin, als hätten sie eben mal einen Abendspaziergang um die Ecke gemacht.

      „Bill“, sagte ein Hundertjähriger und kaute heftig auf seinem Zigarrenstummel. „Hast du so was schon mal in deinem Leben gesehen?“

      „Doch“, sagte der Angeredete, „1898 kam Jesse Jones hier zu Fuß an, nachdem die Sioux ihm seinen Gaul erschossen hatten. Aber danach hat’s keiner mehr versucht.“

      „By Jove, daß ich das noch erlebendarf!“

      Hocherhobenen Hauptes schritten die beiden Gentlemen über die Main Street. Verächtlich musterten sie die Bürger von Alabaska City. Was waren das für armselige Figuren? Fuhren das Automodell vom vorigen Jahr und rakkerten sich tagaus, tagein für ein paar lumpige Dollars ab.

      „Buck“, sagte Sir Winston und wies auf eine Fassade aus Glas und Stahl mit der Aufschrift The Emperor Hotel. „Das ist das richtige für uns. Scheint mir das erste Haus am Platze zu sein.“

      „Ich weiß nicht“, sagte Buck Boy zweifelnd, der sich in seinem Leben noch nie einem vornehmen Hotel auf mehr als hundert Meter genähert hatte. „Ich hätte wirklich gern ein erstklassiges Haus mit tadelloser Bedienung. Nichts ist so wichtig, wie erstklassig geschultes Personal, Bruder!“

      „Wahrscheinlich finden wir hier nichts Besseres. Sehen wir uns den Laden mal an.“

      Sie stiegen die breite Freitreppe empor und landeten in einer angenehm gekühlten Halle, in der kostbare Hölzer, Stahl und Glas einen Lobgesang auf den Architekten anstimmten. Um die Wahrheit zu sagen, Alabaska City war im Umkreis von fünfhundert Meilen die einzige richtige Stadt, und die immer noch existierenden Viehbarone hielten die Wirtschaft mit ihren Dollarspritzen in Gang. Das „Emperor“ wäre auch in New York oder Philadelphia ein erstklassiges Hotel gewesen.

      Dem Portier fiel bei ihrem Anblick der Telefonhörer aus der Hand.

      „Gütiger Gott, das kann doch nicht wahr sein! Charly, ruf den Hausknecht, aber schnell!“

      Sir Winston baute sich vor dem Tresen auf und knallte einen Hunderter auf die Theke.

      „’n Tag“, sagte er und wartete ab.

      In der Seele des Portiers entstand ein Zwiespalt, und der Graben wurde immer größer.

      „Aber, Gentlemen“, wand er sich, „doch nicht in diesem Aufzug, bitte. Wir müssen auch an die anderen Gäste denken.“

      Sir Winston schob den Hut ins Genick und wandte sich an Buck Boy.

      „Wie wär’s, Bruder. Wollen wir das Hotel kaufen?“

      „Weiß nicht recht“, nuschelte Buck Boy, „ich habe dir vorhin schon gesagt, daß ich ein wirklich erstklassiges Hotel suche. Mit einem erstklassigen Portier.“

      Der Portier peilte den Hunderter an. Der Vorgang war gar nicht so ungewöhnlich. In Texas kam es immer wieder mal vor, daß irgendein lausiger Farmer von einer munter sprudelnden Ölquelle in die Höhe gehoben und in die nächste Stadt geschwemmt wurde. Es gab genug Leute hier, die sich von der Armut zum Reichtum aufgeschwungen hatten, ohne das Zwischenstadium des Wohlstandes auch nur zu streifen.

      „Vielleicht — das Apartment 3 D“, schlug er vor.

      „Haben Sie nichts Besseres?“ fragte Sir Winston.

      „Das Fürstenzimmer. Aber …“

      „Ist schon gemietet. Ich hoffe, in der Wasserleitung ist heißes Wasser.“

      „Gentlemen, Sie sind im ,Emperor‘.“

      „Na, schön, wollen hoffen, daß alles zu unserer Zufriedenheit ausfällt. Gepäck haben wir keins, kaufen wir erst. Wir gehen gleich nach oben. Lassen Sie sofort einen erstklassigen Friseur kommen.“

      „Und eine hübsche Masseuse“, kicherte Buck Boy.

      „Vielleicht auch einen Schneider?“ sagte der Portier hoffnungsvoll.

      „Tadellose Idee. Den besten der Stadt. Und alles pronto! — Buck, fällt dir noch etwas ein?“

      „Whisky!“

      „Richtig, zwei Flaschen Grand Old Ded. Und viel Eis. Das ist meistens das Übel. Whisky kriegt man genug, aber am Eis fehlt es. Denken Sie daran, Mann!“

      „Ist schon notiert, Gentlemen. Der Boy führt Sie nach oben. Wie wär’s nachher mit einem hübschen kleinen Dinner im Blue Star Room auf der Dachterrasse, mit zauberhaftem Ausblick auf ganz Südtexas.“

      „Genehmigt“, sagte Sir Winston gnädig. „Halten Sie schon mal mit dem Küchenboß eine Konferenz ab. Ich bevorzuge französische Küche.“

      „Es ist nicht zu fassen“, murmelte der Portier, als die beiden im Lift verschwunden waren. „Charly, komm doch mal mit der Spraydose her. Die beiden haben bestimmt in ihrem ganzen Leben noch kein Bad gesehen. Aber französische Küche bevorzugen sie.“

      Zwei Stunden später war die Verwandlung vollzogen. Sie hatten ein heißes Bad genommen und sich anschließend den Künsten eines Friseurs anvertraut, der sich ihnen als Coiffeur vorgestellt hatte — „wir kaufen nichts“, hatte Buck Boy erst erklärt. Sie waren rasiert, hatten einen Messerschnitt verpaßt bekommen und sich dann staunend im Spiegel betrachtet.

      Tiefe Falten zogen durch die lederartige Gesichtshaut. Die Gesichter, die sie anstarrten, kamen ihnen fremd vor. Der ungewohnte weiße Hemdkragen scheuerte, und in den federleichten Anzügen aus Rohseide kamen sie sich halb nackt vor. Die brandneuen Schuhe knarrten beim Gehen. Sie hatten sich mit den verschiedenartigsten Duftwässern besprüht und rochen wie das Versuchslabor einer Parfümmischerei.

      Eine vollkommene Niederlage erlebten sie beim Dinner. Das Personal des Hotels zeigte ihnen mit vollendeter Perfektion, wer der Topf und wer der Deckel war.

      Sir Winston begann in guter Haltung, während Buck Boy nervös wurde und leise zu fluchen begann, als er merkte, daß jede Regung mit sozusagen zehnfach hochgezogener Augenbraue kommentiert wurde. Dazu war es ein Ding der Unmöglichkeit, den Langusten mit Messer und Gabel beizukommen. Überall leistete die harte Schale Widerstand, und schließlich sah er angewidert auf.

      „Verflucht, Bruder, warum geben die uns solches Ungeziefer? Ich wünsche mir nichts als ein anständiges Steak.“

      „Du hast eben von den Feinheiten französischer Küche keine Ahnung.“

      „Feinheiten“, knurrte Buck Boy verächtlich. „Ich will satt werden, nichts weiter.“

      Sie waren froh, als sie es überstanden hatten. Gleich nach dem Essen zogen sie sich auf ihr Zimmer zurück, bestellten vorsorglich noch einmal Whisky, und dann begann der schönste Teil des Abends: das Saufen. Sie hatten sich fest vorgenommen, diesen Teil des Vergnügens nach allen Regeln der Kunst abzuziehen. Erst zwei, drei Gläser gegen den Durst, hatte Buck Boy freudig erregt, erklärt, und den Rest wegen der Wollust.

      Aber als sie mitten im schönsten Anlauf waren, wurde hart an die Tür geklopft.

      „Herein!“ lallte Sir Winston mit schwerer Zunge.

      Die Tür ging auf, und eine mächtige Gestalt mit einem glitzernden Stern an der Hemdbrust wurde sichtbar.

      „Hallo, Freunde!“ dröhnte ein heiterer Baß.


Скачать книгу