Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher


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gelegt und schaute nachdenklich vor sich hin.

      Tobias Berghofer – war das der geheimnisvolle Fremde, der ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte?

      Eigentlich kam sonst niemand in Frage. Es paßte alles. Der Mann fuhr ein Auto mit ausländischem Kennzeichen, war nach eigenen Worten in Afrika gewesen und er sprach den hiesigen Dialekt.

      Ja, er mußte es sein, und sie wußte jetzt endlich seinen Namen!

      Sie kannte sogar das Haus, von dem ihr Vater gesprochen hatte. Es stand zwar in einer Seitenstraße von St. Johann, so daß man nicht sehr oft daran vorbeikam, wenn man dort nichts zu tun hatte, aber gleich vornean wohnte eine frühere Schulfreundin von Kathi, die sie heute noch ab und zu besuchte.

      Eigentlich war ich schon lang’ net mehr bei der Vroni, dachte sie schmunzelnd.

      Dann sah sie ihren Vater an.

      »Mama und ich wollen morgen noch ein bissel in der Stadt bummeln, wenn wir bei Burgl waren«, sagte sie.

      Der Bauer schnitt eine Grimasse.

      »Ohne mich!« antwortete er unwillig.

      »Ach, Wolfgang«, griff seine Frau ein, »jetzt tu’ uns doch den Gefallen! Du könntest übrigens auch eine neue Hose brauchen.«

      Ihr Mann stieß einen tiefen Seufzer aus.

      »Na schön«, gab er nach. »Aber wenn’s zu lang’ dauert, dann geh’ ich ins Wirtshaus.«

      Mutter und Tochter lächelten sich siegesgewiß an.

      *

      Es war schon erstaunlich, wieviel man schaffen konnte, wenn man sich ranhielt.

      Und das hatte Tobias Berghofer getan. Nicht einmal eine ganze Woche war vergangen, und nichts erinnerte mehr an das heruntergekommene Haus, das er vorgefunden hatte. Wie ein Berserker hatte er sich an die Arbeit gemacht, sämtliche Räume gesäubert, die Fenster geputzt und den Garten auf Vordermann gebracht und sogar noch den Zaun vor dem Haus repariert.

      Zwischendurch war er in die Stadt gefahren und hatte Möbel gekauft, die am Morgen geliefert worden waren, und nun saß der Heimkehrer zufrieden im Wohnzimmer auf dem neuen Sessel und trank gemütlich eine Flasche Bier.

      Freilich, es fehlten noch ein paar Kleinigkeiten. So waren noch keine Gardinen da und Lampen fehlten in sämtlichen Zimmern, aber das würde alles nach und nach kommen; jedenfalls konnte man es jetzt schon aushalten.

      Nach dem ersten Großputz hatten die Räume im Erdgeschoß einen neuen Anstrich bekommen. Tobias hatte beschlossen, sich erst einmal hier unten wohnlich einzurichten. Es gab sowieso mehr Zimmer, als er brauchte. Dann war er an den Garten gegangen, der fast noch mehr Arbeit machte als das Haus. Aber auch das Unkraut und der hohe Rasen konnten seiner Ausdauer und Arbeitswut nicht standhalten. Die Beete wurden nicht wieder angelegt, dafür war es um diese Jahreszeit schon zu spät, aber im nächsten Frühjahr würde er bestimmt Gemüse anpflanzen und auch die Blumenrabatte wieder herrichten.

      Was ihn die ganze Zeit, in der er nun schon hier war, wunderte, war die Tatsache, daß sich außer Pfarrer Trenker und Max sonst niemand um ihn zu kümmern schien. Von den meisten Dörflern hätte er es auch nicht erwartet, so aber doch zumindest von den nächsten Nachbarn. Doch bisher hatte er keinen aus den Häusern rechts und links von ihm zu Gesicht bekommen. Indes hatte er auch sonst kaum jemanden gesehen; die Leute, die ihm beim Einkaufen begegnet waren, kannte er nicht.

      Allerdings war ihm das auch herzlich egal. Tobias Berghofer war schon immer mehr ein Einzelgänger gewesen, und was andere über ihn dachten, interessierte ihn nicht weiter.

      Einer der ersten Wege, nachdem er zurückgekommen war, hatte ihn zum Friedhof geführt. Das Grab der Eltern wurde durch eine Gärtnerei gepflegt, doch jetzt würde er das selbst übernehmen. Lange Zeit hatte er davorgestanden, stumme Zwiesprache mit den Verstorbenen gehalten und dabei an ein anderes Grab gedacht, das sich, weit fort, in Afrika befand.

      »Ihr hättet sie gemocht«, sagte er leise. »Und Patricia euch.«

      Auch jetzt, als er in seinem Wohnzimmer saß, mußte er wieder an sie denken. Ihr Foto hielt er in der Hand. Er hatte es kurz vor dem tragischen Unglück gemacht, und es zeigte eine strahlend schöne Frau, die ihn anlächelte, und in ihren Augen las er, wie glücklich sie gewesen war und wie sehr sie sich auf die bevorstehende Hochzeit gefreut hatte.

      Unwillkürlich griff sich Tobias an die Brust, wo unter dem T-Shirt das Kettchen mit den Ringen hing, und schloß für einen Moment die Augen.

      Dann war es schon an der Zeit fürs Abendessen. Er richtete sich ein paar belegte Brote her, die er auf der Terrasse verzehrte. Dann saß er mit ausgestreckten Beinen auf seinem Stuhl, schaute in den Garten und stellte sich vor, wie es im nächsten Jahr hier aussehen würde, wenn die Beete angelegt waren, und in den Rabatten die Blumen blühten.

      Das Zwitschern der Vögel in den Bäumen erinnerte ihn an die Geräusche in Afrika. Es war zwar ganz anders, aber er hatte oft so auf der Veranda seines Hauses gesessen und den Tieren gelauscht. Manchmal erklangen von irgendwoher Trommeln, und die ganze Szenerie war eigentümlich, exotisch und geheimnisvoll gewesen.

      Tobias hatte die Augen geschlossen und versetzte sich ganz in die Erinnerung zurück. Er schien die Wärme zu spüren, den Geruch wahrzunehmen und hörte deutlich das Schlagen der Trommeln, die die Arbeiter schlugen, wenn sie abends feierten.

      Unwillkürlich richtete er sich auf und schaute um sich.

      Blödsinn, schoß es ihm durch den Kopf, Afrika, das war einmal. Du bist wieder daheim, wieder dort, wo du geboren bist.

      Aber das Trommeln wollte nicht enden, und plötzlich wußte Tobias, was das zu bedeuten hatte.

      »Ach ja, der Tanzabend«, murmelte er, immer noch irritiert.

      Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach neun; das Spektakel hatte gerade erst angefangen.

      Soll ich, oder soll ich net?

      Tobias überlegte eine ganze Weile. Es war schon über eine Stunde vergangen, bis er sich endlich auf den Weg machte. Den Tanzabend gab es schon, bevor er St. Johann verlassen hatte. Die Veranstaltung war immer ein großes Spektakel, zu dem Jung und Alt kamen. Die Bauern freuten sich die ganze Woche über darauf, und nicht wenige Urlauber fanden Spaß daran.

      Als er den Saal betrat, war die Stimmung auf dem Höhepunkt. Es wurde ausgelassen getanzt, und der Lärmpegel in der Nähe der Musiker war so hoch, daß die Gäste an den Tischen dort schreien mußten, um sich zu verständigen. Aber das tat dem Vergnügen keinen Abbruch.

      Tobias ging an den Tresen und bestellte sich eine Maß.

      Hier hatten sich diejenigen eingefunden, die keine Lust zum Tanzen hatten. Bauern und Knechte, Burschen und Madln, alle unterhielten sich über den neuesten Tratsch, oder es wurde wieder einmal über die Bürokraten in Brüssel geschimpft, die mit ihren immer neuen Verordnungen den Landwirten das Leben schwer machten.

      Der Heimkehrer hörte amüsiert zu und trank gemächlich sein Bier. Plötzlich stieß ihn jemand an.

      »Mensch, du bist’s ja wirklich!« rief ein Mann in seinem Alter. »Dann ist’s ja doch kein Gerücht, daß du wieder da bist.«

      Tobias sah ihn einen Moment unschlüssig an, dann weiteten sich seine Augen, und ein Lächeln glitt über seine Lippen.

      »Grüß dich, Andreas«, sagte er. »Ja, wie du siehst, stimmt es.«

      Andreas Bruckner war ein früherer Klassenkamerad. In der Schule hatten sie nebeneinander gesessen und hinterher oft zusammen gespielt.

      »Wie geht’s dir, altes Haus?« wollte der Bauernsohn wissen und deutete auf Tobias’ Bart. »Ich hätt’ dich beinah’ net wiedererkannt.«

      »Dank’ schön, geht so.«

      »Ich hätt’ wirklich net gedacht, daß ich dich jemals wiedersehen würd’. Warum hast denn net mal was von dir hören lassen?«

      Tobias zuckte


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