Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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als Beherrscherin der halben Welt, nannte sie, wenn sie mit ihr allein war, »Fürstin« und »Königin«, und erblickte sich selbst in mancher schwachen Stunde als reichgeschmückte Würdenträgerin am persischen Hofe.

      Elftes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Drei Tage vor der zur Abreise der Nitetis bestimmten Zeit hatte Rhodopis eine große Anzahl von Gästen, unter denen sich Krösus und Gyges befanden, nach Naukratis geladen.

      Während des Gastmahls sollten sich, von der Nacht und der Sklavin beschützt, die beiden Liebenden im Garten treffen. Als Melitta sich überzeugt hatte, daß die Tischgespräche im besten Gange waren, öffnete sie die Pforte, ließ den Königssohn in den Garten treten und führte ihm das liebende Mädchen entgegen. Dann entfernte sie sich, um die Beiden durch Händeklatschen vor jedem unberufenen Lauscher zu warnen.

      »Nur noch drei Tage lang werde ich Dich in meiner Nähe wissen,« flüsterte Sappho. »Weißt Du, manchmal kommt mir’s vor, als hätt’ ich Dich gestern zum ersten Male gesehen; gewöhnlich mein’ ich aber, daß Du mir schon eine Ewigkeit gehörtest und ich Dich lieb gehabt hätte, so lang ich lebe!«

      »Auch ich glaube immer, daß ich Dich, so lang ich lebe, besitze; denn ich kann mir nicht vorstellen, daß ich einmal gelebt haben soll ohne Dich.«

      »Wäre die Trennungszeit nur erst vorüber!«

      »O, glaube mir, sie vergeht schneller wie Du meinst. Das Warten wird uns freilich lang, sehr lang vorkommen; wenn wir aber wieder beisammen sind, so denk’ ich, daß es uns sein muß, als hätten wir uns erst eben Lebewohl gesagt. Siehst Du, so ist’s mir jeden Tag ergangen. Wie hab’ ich mir den Morgen um Dich herbeigesehnt; wenn er aber da war, und Du an meiner Seite saßest, so glaubte ich, ich hätte Dich gar nicht von mir gelassen, und Deine Hand ruhte noch von gestern her auf meinem Haupte.«

      »Und dennoch überkommt mich eine mir sonst unbekannte Bangigkeit, wenn ich an die Scheidestunde denke.«

      »Und Dein Vertrauen betrügt Dich nicht!«

      »Und so soll es bleiben.«

      »Ja, so muß es bleiben! Sprich aber leiser, Liebster, damit uns Knakias, der dort zum Nile geht, um Wasser zu schöpfen, nicht bemerk.«

      »Ja ich will leise sprechen. So! Jetzt streich’ ich Dir Dein seidenes Haar zurück und flüstre in Dein Ohr: ›Ich liebe Dich!‹ Hast Du’s verstanden?«

      »Was man gerne hört, sagt mein Ahne, das versteht sich leicht; doch hättest Du mir eben auch in’s Ohr gerufen: ›Ich hasse Dich!‹ so würde mir Dein Blick trotzdem mit tausend Stimmen zugejubelt haben, daß Du mich liebst. Des Auges stummer Mund ist viel beredter, als alle Zungen in der ganzen Welt.«

      »Könnt’ ich nur, wie Du, die schöne Sprache der Hellenen reden, dann wollt’ ich . . .«

      »O, ich freue mich, daß Du nicht besser sprichst; denn könntest Du mir Alles sagen, was Du fühlst, so würdest Du mir, mein’ ich, weit weniger zärtlich in die Augen schauen. Was sind denn Worte? Hörst Du dort die Nachtigall? Der Rede Gabe ward ihr nicht zu Theil und dennoch glaub’ ich, daß ich sie verstehe.«

      »Willst Du mir’s anvertrauen? Ich möchte gern wissen, was Bülbül, wie die Perser die Nachtigall benennen, mit ihrem Liebsten, dort drüben in dem Rosenbusche, zu verhandeln hat. Darfst Du verrathen, was der Vogel spricht?«

      »Und was heißt ›Ito, Ito‹?«

      »Ich nehm’ es an, ich nehm’ es an!«

      »Und ›Itys‹?«

      »Das müßte man, um’s richtig zu verstehen, schon künstlich deuten. Itys ist ein Kreis; der Kreis bedeutet, so ward ich belehrt, die Ewigkeit, denn er hat keinen Anfang und kein Ende. Drum ruft die Nachtigall: ›Ich nehm’ es an, ich nehm’ es an für alle Ewigkeit!‹«

      »Und wenn ich Dir nun sag’: ›Ich liebe Dich‹?«

      »So geb’ ich, wie die Sängerin der Nacht, Dir jubelnd wieder: Ich nehm’ es an, für heut’, für morgen, für die Ewigkeit!«

      »O welche Nacht, wie Alles ruht und schweigt; ich höre selbst die Nachtigall nicht mehr. Dort drüben im Akazienbaume, dessen Blüthentrauben so süßen Duft versenden, weilt sie jetzt. Der Palmen Kronen spiegeln sich im Nil und zwischen ihnen schimmert des Mondes Bild gleich einem weißen Schwan.«

      »Und seine Strahlen fesseln mit Silberfäden Alles, was da lebt. Drum liegt die ganze Welt wie ein gefangenes Weib in tiefem Schweigen da und regt sich nicht. Ich könnte jetzt, so froh ich bin, nicht lachen und noch viel weniger mit lauter Stimme sprechen.«

      »So flüstere oder singe!«

      »Es schlafen die Gipfel der bergigen Höh’,

      Es schlafen die Klippen in schlummernder See;

      Es schlafen die Schluchten, der Blätter Schaar,

      Der Wurm, den die nährende Erde gebar.

      »Die Thiere der Berge, sie träumen schwer,

      Es schlummert der emsigen Bienen Heer;

      Es schläft in des purpurnen Meeres Fluth

      Der salzigen Tiefen furchtbare Brut;

      Die hurtigen Vögelein schlafen fest

      Und ruhen die Schwingen im traulichen Nest.«

      »Nun, Geliebter; meinen Kuß?«

      »Ich hatte vor Lauschen das Küssen vergessen, wie ich vorhin vor Küssen das Lauschen vergaß.«

      »Du Loser! Ist mein Liedchen nicht schön?«

      »Schön, wie Alles, was Du singst.«

      »Und die großen hellenischen Sänger dichten.«

      »Auch darin geb’ ich Dir Recht.«


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