Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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      »Aber ihr habt doch recht schlimme Sitten.«

      »Nun?«

      »Ihr nehmt so viele Frauen zur Ehe!«

      »Meine Sappho . . .«

      »Versteh’ mich nicht falsch! Sieh’, ich habe Dich so lieb, daß ich Nichts will, als Dich glücklich sehen und Dein ganzes Dasein theilen zu dürfen. Verstößt Du, wenn Du mich allein zum Weibe nimmst, gegen die Sitten Deiner Heimath, sollte man Dich Deiner Treue wegen verachten oder nur tadeln wollen, denn wer dürfte meinen Bartja verachten, so nimm Dir andere Weiber neben mir; aber erst laß mich nur zwei, nur drei Jahre lang Dich ganz allein besitzen. Willst Du das, Bartja?«

      »Ich will.«

      »Und dann, wenn meine Zeit vorüber ist und Du der Sitte Deines Landes nachgeben mußt, denn aus Liebe wirst Du keine Zweite heimführen, so laß mich Deine erste Sklavin bleiben. O, ich habe mir das so herrlich ausgemalt! Wenn Du in den Krieg ziehst, so setze ich Dir die Tiara auf die Locken, so gürte ich Dir das Schwert um und gebe Dir die Lanzen in die Hand. Wenn Du als Sieger heimkehrst, dann bekränze ich Dich zuerst. Reitest Du zur Jagd, so schnalle ich Dir die Sporen an, und gehst Du zum Gastmahle, dann schmücke und salbe ich Dich, winde Dir Pappel- und Rosenkränze und schlinge sie um Deine Stirn und Deine Schultern. Bist Du verwundet, so pflege ich Dich, bist Du krank, so weiche ich nicht von Deiner Seite, bist Du glücklich, dann ziehe ich mich zurück und weide mich aus der Ferne an Deiner Ehre und Deinem Wohlergehen; vielleicht rufst Du mich dann zu Dir und Dein Kuß sagt mir, daß Du mit Deiner Sappho zufrieden bist, daß Du mich noch immer liebst.«

      »O Sappho, wärest Du doch heute schon mein Weib! Wer einen so großen Schatz besitzt wie ich in Dir, der mag ihn hüten, aber nicht nach anderen Schätzen, die doch nur, mit ihm verglichen, ärmlich sein können, streben. Wer Dich geliebt, liebt keine Andre mehr! In meiner Heimath ist es zwar der Brauch, daß jeder Mann viele Weiber heimführt; aber dies wird nur gestattet, keineswegs durch ein Gesetz befohlen. Auch mein Vater hatte zwar hundert Sklavinnen, aber nur eine rechte, echte, wahre Gattin, unsere Mutter Kassandane.«

      »Und ich werde Deine Kassandane sein?«

      »Nein, meine Sappho, denn was Du mir wirst, das war noch keinem Manne sein Gemahl!«

      »Wann kommst Du mich zu holen?«

      »Sobald ich kann und darf.«

      »Nun will ich wohl geduldig warten!«

      »Und werde ich Nachricht von Dir erhalten?«

      »Ich schreibe Dir lange, lange Briefe und trage allen Winden Grüße für Dich auf . . .«

      »Thu’ das, mein Liebchen; und was die Briefe anbelangt, so übergib sie dem Boten, welcher Nitetis von Zeit zu Zeit Nachrichten aus Aegypten überbringen wird.«

      »Wo find’ ich ihn?«

      »Ich werde einen Mann zu Naukratis anstellen, der Alles, was Du ihm zukommen läßt, besorgen soll. Das Nähere will ich mit Melitta besprechen.«

      »Wir dürfen ihr vertrauen, denn sie ist klug und treu; doch habe ich noch eine andere Freundin, welche mich nach Dir am meisten liebt, und die auch ich nach Dir am liebsten habe.«

      »Du meinst Deine Großmutter Rhodopis?«

      »Meine treue Pflegerin und Lehrerin!«

      »Sie ist ein edles Weib! Mein Vater Krösus hält sie für die trefflichste der Frauen, und er kennt die Menschen wie der Arzt die Kräuter und die Wurzeln. In jenen weiß er, schlummert arges Gift, in diesen Tropfen, welche Heilung spenden, und Rhodopis, so sagte Krösus oft, gleicht einer Rose, welche Duft verleiht und Labungsöl für schwache Kranke spendet, selbst wenn sie welkend Blatt auf Blatt verliert und in Geduld des Windes wartet, der sie ganz verweht.«

      »O, daß sie lange lebe! Liebster Mann, gewähre mir noch eine große Bitte!«

      »Sie ist gewährt, schon eh’ ich sie vernommen.«

      »Laß Rhodopis, wenn Du mich heimwärts führst, nicht in Aegypten zurück. Sie soll uns folgen. O, sie ist so gut und liebt mich so innig, daß sie, was mich beglücken mag, beglückt, und daß, was meinem Herzen theuer ist, auch ihrem liebenswerth erscheinen muß.«

      »Sie sei der erste Gast in unserem Hause!«

      »Wie gut Du bist! Jetzt bin ich ganz zufrieden und beruhigt. Die gute Greisin bedarf ja meiner! Sie kann nicht leben ohne mich, ihr Kind. Ich lache ihr die trüben Sorgen fort, und wenn sie, mich belehrend, bei mir sitzt, wenn sie mir Lieder singt, wenn sie mir zeigt, wie man den Griffel führt, die Laute schlägt, dann glänzt ein reineres Licht von ihrer Stirn, und alle Furchen, die der Gram gepflügt, sie glätten sich, ihr mildes Auge lacht, und sie vergißt so manchen bösen Tag, indem sie froh der Gegenwart genießt.«

      »Ich frage sie, bevor wir scheiden, ob sie uns in meine ferne Heimath folgen will?«

      »O, wie bin ich froh! – Und weißt Du auch, daß mir die erste Zeit der Trennung gar nicht furchtbar scheint? Jetzt darf ich Dir, als meinem Mann und Herrn, wohl Alles sagen, was mich schmerzt und freut; vor Anderen aber muß ich schweigsam sein. So wisse, Liebster, daß wir, wenn ihr in eure Heimath zieht, zwei kleine Gäste in unserem Hause erwarten; des guten Phanes Kinder, jenes Mannes, für den Dein Freund, der Sohn des Krösus, eine so edle That begangen hat. Ich will für die Kleinen immerdar wie eine Mutter sorgen, und wenn sie brav gewesen sind, dann werde ich ihnen schöne Mährchen singen von einem Königssohne, einem starken Helden, der sich ein schlichtes Mädchen zum Weibe nahm; und wenn ich dann beschreibe, wie der Prinz, der junge Held zu schauen war, so wirst Du hell vor meinen Augen stehen, und, ohne daß mein Pärchen etwas merkt, beschreib’ ich Dich vom Kopfe bis zum Fuß. Mein Held erfreut sich Deines hohen Wuchses, ihn zieren Deine goldnen Locken, Dein blaues Augenpaar schmückt seine Stirn und Deiner Kleider königliche Pracht umgibt auch seine prangende Gestalt; Dein edles Herz, Dein treuer wahrer Sinn, die Ehrfurcht vor den Göttern, die Dich ziert, die Tapferkeit, Dein hoher Heldenmuth, kurz Alles, was an Dir mir lieb und werth, das wird dem Helden meines Liedes zu Theil. Die Kinder werden lauschen! Und wenn sie ausrufen werden: ›O wie lieben wir den Königssohn, wie ist er schön und gut; ach, könnten wir den edlen Jüngling sehen‹ – dann presse ich sie liebend an mein Herz und küsse sie, so wie ich Dich geküßt, und auch der Kinder Wunsch ist dann erfüllt, denn, weil Du ja in meinem Herzen thronst, so bist Du in mir lebend, ihnen nah, und, wie sie mich, umarmen sie auch Dich!«

      »Ich aber geh’ zu meinem Schwesterlein, Atossa, und erzähle ihr von Allem, was ich auf meiner Fahrt gesehen habe. Und wenn ich der Griechen Anmuth, den Glanz ihrer Werke und die Schönheit ihrer Frauen preise, so will ich Dein holdes Wesen schildern, als das Bild der goldnen Aphrodite. Ich werde ihr von Deiner Tugend, Deiner Schönheit und Sittsamkeit, von Deinem Sange, dessen Wohllaut selbst die Nachtigall, wenn sie ihn hören darf, zum Lauschen zwingt, von Deiner Liebe, Deiner Zärtlichkeit gar viel erzählen. Dieß Alles aber übertrage ich von Dir auf Cypris göttliche Gestalt und küsse meine Schwester, wenn sie ruft: ›O Aphrodite, könnte ich Dich sehen!‹«

      »Horch, was war das, da klatscht die Wärterin! Leb’ wohl, wir müssen fort! auf baldiges Wiedersehen!«

      »Noch einen Kuß!«

      »Leb’ wohl!«

      Melitta war auf ihrem Posten, von Müdigkeit und Alter überwältigt, eingeschlafen. Endlich wurde sie durch ein lautes Geräusch aus ihren Träumen gerissen. Sie klatschte sogleich in die Hände, um das Paar zu warnen und Sappho herbeizurufen, denn sie sah an den Sternen, daß der Morgen nicht mehr fern sei.

      Als sich die Alte mit ihrer Schutzbefohlenen dem Hause näherte, bemerkte sie, daß jenes Geräusch, welches sie vorher geweckt hatte, von den Gästen ausgehe, die sich zum Aufbruch anschickten.

      Zur höchsten Eile drängend, schob sie das erschreckte Mädchen durch die Hinterthüre in das Hans, führte sie in ihr Schlafzimmer und wollte eben beginnen die Jungfrau zu entkleiden, als Rhodopis eintrat.

      »Du bist noch auf, Sappho?« fragte dieselbe. »Was bedeutet das, mein Kind?«


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