Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Kleidung ihrer Heimath alle Schüchternheit abgelegt und mit den von Gold und Edelsteinen strotzenden seidenen Gewändern der persischen Fürstin den Stolz und die Hoheit einer Königin angezogen habe.
Die tiefe Ehrerbietung, welche man ihr soeben gezollt hatte, schien ihr wohlzuthun. Herablassend mit der Hand winkend, dankte sie den bewundernden Freunden; dann wandte sie sich an den Eunuchenobersten266 und sagte ihm freundlich, aber stolz: »Du hast Deine Schuldigkeit gethan. Ich bin mit den Kleidern und Sklavinnen, welche Du mir besorgtest, nicht unzufrieden. Ich werde meinem Gemahle Deine Umsicht zu rühmen wissen, empfange einstweilen diese goldene Kette als Zeichen meines Dankes.«
Der allmächtige Aufseher der Frauen des Königs küßte ihr Gewand und nahm diese Gabe schweigend in Empfang. Mit solchem Stolze war ihm noch keine seiner Untergebenen entgegen gekommen. Alle bisherigen Weiber des Kambyses waren Asiatinnen, und diese pflegten, weil sie die Allmacht des Eunuchen-Obersten kannten, Alles aufzubieten, um seine Gunst durch Schmeichelworte und demüthiges Wesen zu gewinnen.
Jetzt verneigte sich Boges zum Zweitenmale tief vor Nitetis; diese wandte sich aber, ohne ihn weiter zu beachten, dem Krösus zu und sagte leise: »Dir, mein gütiger Freund, kann ich weder durch Worte noch durch Gaben lohnen, was Du an mir gethan hast, denn Dir allein werde ich es zu danken haben, wenn mein Leben an diesem Hofe ein, wenn nicht glückliches, so doch friedliches sein wird.« Nun fuhr sie mit lauterer, auch ihren Reisegefährten verständlicher Stimme fort: »Nimm diesen Ring, welcher seit unserer Abreise von Aegypten meine Hand nicht verlassen hat. Sein Werth ist gering; seine Bedeutung aber groß. Pythagoras, der edelste aller Hellenen, gab ihn meiner Mutter, als er in Aegypten die Weisheitslehren unserer Priester erlauschte; diese schenkte ihn mir, als ich von der Heimat Abschied nahm. Auf dem schlichten Türkise hier steht eine Sieben. Diese durchaus untheilbare Zahl stellt die Gesundheit des Leibes und der Seele dar267, denn nichts ist untheilbarer, als die Gesundheit. Wenn nur das kleinste Theilchen des Körpers leidet, so krankt der ganze Mensch; wenn sich ein schlechter Gedanke in unser Herz einnistet, so ist die Harmonie der ganzen Seele gestört. Laß Dir diese Sieben, so oft Du sie siehst, zurufen, was ich Dir wünsche: den ungeteilten, ungetrübten Genuß leiblichen Wohlseins und eine lange Fortdauer jener liebreichen Milde, welche Dich zum tugendhaftesten und darum zum gesundesten aller Menschen macht. Keinen Dank, mein Vater, denn ich würde Deine Schuldnerin bleiben, selbst wenn ich dem Krösus die Schätze des Krösus wiederzugeben vermöchte. Du, Gyges, nimm diese lydische Leyer von Elfenbein und erinnere Dich, wenn ihre Saiten klingen, an die Geberin derselben. – Dir, Zopyrus, reiche ich diese goldene Kette, denn Du bist, wie ich gesehen habe, der treueste Freund Deiner Freunde; wir Aegypter aber geben unserer Göttin der Liebe und Freundschaft, der schönen Hathor, als Symbol ihres fesselnden Wesens, Bande und Stricke in die lieblichen Hände268. – Dir, Darius, dem Freunde ägyptischer Weisheit und des gestirnten Himmels, überreiche ich zum Andenken diesen goldenen Reifen, auf dem Du den Thierkreis, von kundiger Hand in das Metall gegraben, finden wirft. – Du, Bartja, mein lieber Schwager, sollst endlich das kostbarste Kleinod empfangen, welches ich besitze. Nimm dieses Amulet von blauem269 Gestein270. Meine Schwester Tachot hängte es um meinen Hals, als ich zum Letztenmal vor dem Schlafengehen den Nachtkuß auf ihre Lippen drückte. Sie sagte mir, dieser Talisman verschaffe Denen, welche ihn trügen, süßes Glück der Liebe. Sie weinte dabei, Bartja! Ich weiß nicht, an wen die Gute dachte; aber ich hoffe in ihrem Sinne zu handeln, wenn ich ihr Kleinod in Deine Hände lege. Denke, Tachot reiche es Dir durch mich, ihre Schwester, und erinnere Dich manchmal an unsere Spiele in den Gärten von Sais.«
Bis dahin hatte sie griechisch gesprochen. Jetzt wandte sie sich an die in ehrerbietiger Entfernung harrende Dienerschaft und sagte in gebrochenem Persisch: »Nehmt auch ihr meinen Dank! Zu Babylon sollt ihr tausend Goldstatern271 erhalten. Ich befehle Dir, Boges,« fügte sie, sich an den Eunuchen wendend, hinzu, »die angegebene Summe bis spätestens übermorgen unter die Leute vertheilen zu lassen. – Führe mich zu meinem Wagen, Krösus!«
Der Greis beeilte sich, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Während er Nitetis dem Fuhrwerke entgegen führte, flüsterte sie ihm, seinen Arm an ihre Brust drückend, zu: »Bist Du mit mir zufrieden, mein Vater?«
»Ich sage Dir, Mädchen,« antwortete der Greis, »Du wirst an diesem Hofe, nach der Mutter des Königs, die Erste werden, denn auf Deiner Stirn thront der wahre Stolz der Königin und Du besitzest die Kunst, mit Wenigem viel zu verrichten. Glaube mir, daß eine kleine Gabe, wie Du sie zu wählen und darzureichen verstehst, dem Edlen größere Freude bereitet als ein Haufen Goldes, den man vor ihm niederwirft. – Köstliche Geschenke zu geben und zu empfangen ist die Gewohnheit der Perser. Sie verstehen es, einander zu bereichern; Du wirst sie lehren, einander zu beglücken. – Wie schön Du bist! Sitzest Du gut oder verlangst Du höhere Polster? Aber, was ist das? – Siehst Du nicht Staubwolken von der Stadt her aufwirbeln? Das wird Kambyses sein, welcher Dir entgegenzieht. Halte Dich aufrecht, Mädchen! Vor Allem bemühe Dich, den Blick Deines Gatten auszuhalten und zu erwiedern. Nur Wenige ertragen die Blitze dieses Auges. Gelingt es Dir, ihm frei und ohne Zagen in’s Gesicht zu schauen, dann hast Du gesiegt. Muth, Muth, meine Tochter; Aphrodite schmücke Dich mit ihrer schönsten Schönheit! – Zu Pferde, meine Freunde, ich glaube, daß der König uns entgegenzieht!« Nitetis saß hoch aufgerichtet und die Hände auf das Herz pressend in dem goldenen Wagen. Die Staubwolke kam immer näher und näher. Jetzt flackerten auf derselben lichte Sonnenstrahlen, welche sich in den Waffen der Heranziehenden spiegelten, wie Blitze aus dem Gewitterhimmel hervor. Jetzt theilte sich die Wolke und einzelne Gestalten wurden sichtbar, jetzt verschwand der nahende Zug hinter dichtem Buschwerk an der Krümmung des Weges, jetzt, kaum hundert Schritte von ihr entfernt, zeigten sich die heransprengenden Reiter, nah und immer näher kommend, fast greifbar deutlich.
Der ganze Zug glich einer bunten Masse von Rossen, Männern, Purpur, Gold, Silber und Edelsteinen. Mehr als zweihundert Reiter, alle auf schneeweißen nisäischen Pferden, deren Saumzeug und Schabracken von goldenen Glöckchen und Buckeln, von Federn, Quasten und Stickereien strotzten272, folgten einem Manne, welcher von dem gewaltigen rabenschwarzen Hengste, den er ritt, oftmals fortgerissen wurde, öfter aber mit riesiger Kraft dem unbändigen schäumenden Thiere bewies, daß er der Mann sei, seinen tollen Muth zu zähmen. Dieser Reiter, dessen gewaltige Schenkel den Hengst zusammendrückten, daß er bebte und keuchte, trug ein scharlachroth und weiß gemustertes Gewand, welches über und über mit silbernen in dasselbe eingestickten Adlern und Falken bedeckt war273. Seine Unterkleider waren von Purpur und seine Stiefel von gelbem Leder. Um seine Hüften schlang sich ein goldener Gürtel, in dem ein kurzer, dolchartiger Säbel steckte, dessen Griff und Scheide mit Edelsteinen übersäet waren. Sein übriger Schmuck glich dem des Bartja. Auch seine Tiara wurde von der blauen und weißen Binde der Achämeniden umgeben. Unter derselben quollen dichte, ebenholzschwarze Locken hervor. Ein ungeheurer Bart von gleicher Farbe verbarg den ganzen unteren Theil seines Angesichts. Seine Züge waren bleich und unbeweglich; seine Augen aber, schwärzer noch als Haar und Bart, sprühten ein nicht erwärmendes, sondern versengendes Feuer. Eine tiefe, brandrothe Narbe, der Säbelhieb eines massagetischen Kriegers, durchfurchte die hohe Stirn, die große gebogene Nase und die schmalen Lippen des Reiters. Seine ganze Haltung trug den Stempel höchster Kraft und maßlosen Stolzes.
Nitetis vermochte nicht, ihre Augen von der Gestalt dieses Mannes abzuwenden. Einen gleichen hatte sie niemals gesehen. Sie glaubte in diesem unbändig stolzen Angesichte den Inbegriff aller Männlichkeit zu erblicken. Es war ihr, als sei die ganze Welt, vor Allem aber sie selbst, um diesem Manne zu dienen, geschaffen worden. Sie fürchtete sich vor ihm, und dennoch sehnte sich ihr weiblich unterwürfiges Herz, wie eine Rebe an den Ulmenstamm, sich an diesen starken Menschen