Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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die Geschichte ihrer Liebe.

      Rhodopis erbleichte.

      »Verlaß uns!« herrschte sie der Sklavin zu. Dann stellte sie sich vor ihre Enkelin, legte die Hände auf ihre Schultern und sprach: »Sieh mir in die Augen, Sappho! Kannst Du mich noch ansehen, eben so heiter, eben so kindlich rein, als vor der Ankunft jenes Persers?«

      »Wie sollt’ ich, Großmutter! Hab’ ich ihm nicht Treue für die Ewigkeit geschworen?«

      »Ihr Kinder spielt mit dieser Ewigkeit, als sei sie ein Augenblick! Was Deinen Schwur betrifft, so tadle ich ihn; aber ich freue mich, daß Du an ihm festhältst, denn ich verabscheue jenes frevelnde Sprichwort, welches lehrt, Zeus höre nicht die Schwüre der Liebenden. Warum sollte die Gottheit den in Beziehung auf das Heiligste im Menschen geleisteten Eid geringer achten, als eine Betheuerung, welche kleinliche Fragen des Mein und Dein betrifft? Halte denn, was Du versprochen, vergiß niemals Deiner Liebe, gewöhne Dich aber an den Gedanken, der Person des Geliebten entsagen zu müssen.«

      »Niemals, Großmutter! Wäre denn Bartja mein Freund geworden, wenn ich ihm nicht vertrauen könnte? Gerade, weil er ein Perser ist, der die Wahrhaftigkeit seine schönste Tugend nennt, darf ich zuversichtlich hoffen, daß er seines Schwures gedenken und mich, trotz der Unsitte der Asiaten, zu seinem einzigen Weibe machen werde.«

      »Und wenn er seines Schwures vergißt, so wirst Du Deine Jugend elend vertrauern und mit vergiftetem Herzen . . .«

      »O gute, liebe Großmutter, höre auf, so schreckliche Dinge zu reden! Wenn Du ihn kennen würdest, wie ich ihn kenne, so müßtest Du mit mir jauchzen und mir zugeben, daß wohl der Nil versiegen und die Pyramiden einstürzen mögen, mein Bartja aber mich nicht betrügen kann!«

      Das Mädchen sprach diese Worte mit so freudiger Zuversicht, mit so überzeugender Gewißheit, und ihre dunklen, von Thränen erfüllten Augen glänzten dabei so warm und selig, daß auch das Antlitz der Greisin wieder freundlich wurde.

      Sappho schlang nun noch einmal ihre Arme um den Hals der Großmutter, erzählte ihr jedes Wort, welches der Geliebte zu ihr gesprochen hatte, und endete ihre lange Rede mit dem Ausrufe: »O Großmutter, ich bin so glücklich, so glücklich! Und wenn Du nun gar mit uns nach Persien kommst, dann hab’ ich nichts mehr von den Unsterblichen zu erbitten.«

      »Nur zu bald werden sich Deine Arme wieder nach ihnen ausstrecken,« seufzte Rhodopis. »Nur mit neidischem Blick betrachten sie das Glück der Sterblichen und wägen uns das Schlimme mit verschwenderischen, das Gute mit kargen Händen zu. Geh jetzt in’s Bett, mein Kind, und bete mit mir, daß dies Alles ein glückliches Ende nehmen möge. Einem Kinde habe ich meinen Morgengruß gebracht, einer Jungfrau sage ich gute Nacht; mögest Du mir als Gattin eben so freudig Deinen Mund zum Kusse bieten, als eben jetzt. – Morgen will ich euretwegen mit Krösus reden. Von seinen Ausspruche wird es abhängen, ob ich Dir gestatten kann, die Rückkehr des Persers zu erwarten, oder ob ich Dich beschwören muß, den Königssohn zu vergessen, um bald die Hausfrau eines Hellenen meiner Wahl zu werden. Schlafe wohl, mein Liebling, schlummre ruhig; Deine alte Großmutter wacht für Dich!«

      Sappho entschlief von seligen Träumen eingewiegt; Rhodopis aber schaute mit offenen Augen bald lächelnd, bald bedenklich die Stirn runzelnd, in die aufgehende Sonne und den lichten Tag.

      Am folgenden Morgen ließ Rhodopis Krösus ersuchen, ihr eine Stunde zu schenken.

      »Nun so wären ja alle Schwierigkeiten beseitigt,« rief Rhodopis voller Freude.

      »Nicht die Vermählung, sondern die Zeit nach derselben macht mir Sorge.«

      »Meinst Du, daß Bartja –«

      »Von seiner Seite fürchte ich nichts. Er hat ein reines Herz und ist der Liebe so lange fremd geblieben, daß er, nun sie ihn einmal überwältigt hat, warm und dauernd lieben wird.«

      »Aber –«

      »Aber Du mußt bedenken, daß, wenn auch alle Männer die anmuthige Gattin ihres Lieblings jubelnd empfangen sollten, tausend Weiber in den Frauengemächern persischer Großen müßig verweilen, welche sich’s zum Geschäfte machen werden, der jungen Emporgekommenen mit Ränken und Schlichen aller Art zu schaden, deren höchste Freude es sein wird, das unerfahrene


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