Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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oder den Geber alles Lichts, den großen Ra, vorzustellen habe.

      Auf ihrem Angesichte wechselten, wie Licht und Schatten, wenn sich zur Mittagszeit der Himmel mit Gewölk umzieht, hohe Röthe und tiefe Blässe. Sie vergaß der Lehren ihres väterlichen Freundes und dennoch schaute sie, als Kambyses sein unbändiges, schnaubendes Roß zum Stillstehen an der Seite ihres Wagens zwang, athemlos in die flammenden Augen des Mannes, von dem sie wußte, daß er der König sei, wenn es ihr auch niemand gesagt hatte.

      Das strenge Angesicht des Beherrschers der halben Welt ward immer freundlicher, je länger sie, von einem wunderbaren Triebe gezwungen, seinen durchbohrenden Blick ertrug. Endlich winkte er ihr mit der Hand einen Gruß des Willkommens entgegen und ritt auf ihre Begleiter zu, welche von ihren Pferden gesprungen waren und sich theils vor dem Könige in den Staub geworfen hatten, theils, sich tief verneigend und nach persischer Sitte die Hände in den Aermeln ihres Gewandes verbergend, dastanden.

      Jetzt sprang er selbst von seinem Hengste. Im gleichen Augenblicke schwangen sich auch alle seine Begleiter von ihren Pferden. Die ihm folgenden Teppichbreiter legten, schnell wie der Gedanke, eine schwere purpurne Decke auf die Landstraße, damit der Fuß des Königs den Staub des Weges nicht zu berühren brauche, und wenige Augenblicke später begrüßte Kambyses seine Freunde und Verwandten, indem er ihnen den Mund zum Kusse darbot.

      Dann schüttelte er die Rechte des Krösus und befahl ihm, sein Pferd von Neuem zu besteigen und ihn, als Dolmetscher, zum Wagen der Nitetis zu begleiten.

      Die höchsten Würdenträger sprangen herbei und hoben den König wiederum auf sein Roß; dieser winkte, und der Zug setzte sich von neuem in Bewegung.

      Krösus trabte neben Kambyses zur Seite des goldenen Wagens.

      »Sie ist schön und gefällt meinem Herzen,« rief der Perser dem lydischen Greise zu. »Jetzt übersetze mir treulich, was sie auf meine Fragen antworten wird, denn ich verstehe keine andere als die persische, die assyrische und medische Sprache.«

      Der sonst so ernste Mund des Kambyses lächelte. Seine Eitelkeit fühlte sich durch den Eifer der Nitetis, sein Wohlgefallen zu erringen, geschmeichelt, und der strebsame Fleiß eines Weibes erschien dem Perser, welcher gewohnt war die Frauen in Unwissenheit und Trägheit, nur auf Putz und Ränke sinnend, aufwachsen zu sehen, eben so wunderbar als lobenswerth. Darum antwortete er mit sichtlichem Wohlgefallen: »Es freut mich, daß ich ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich zu bemühen, die schöne Sprache meiner Väter zu erlernen; mein Tischgenosse Krösus wird auch in Zukunft Dein Lehrer bleiben.«

      »Du beglückst mich mit diesem Befehle,« rief der Greis, »denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere Schülerin wünschen, wie die Tochter des Amasis.«

      »Sie bewährt den alten Ruhm ägyptischer Weisheit,« erwiederte der König, »und ich denke, daß sie auch die Lehren der Magier, welche sie in unserer Religion unterrichten werden, in kurzer Zeit verstehen und in ihre Seele aufnehmen wird.«

      Nitetis schlug die Augen nieder. Das Gefürchtete nahte. Statt den ägyptischen sollte sie von nun an fremden Göttern dienen.

      Kambyses bemerkte nicht ihre innere Bewegung und fuhr fort. »Meine Mutter Kassandane soll Dich in die Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Ich selbst werde Dich morgen zu ihr führen. Was Du unschuldiger Weise erlauschtest, wiederhole ich Dir: Du bist meinem Herzen wohlgefällig. Sorge dafür, daß dieses Wohlgefallen erhalten bleibe! Wir wollen versuchen, Dir unsere Heimath lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, so gebe ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegensandte, liebreich zu begegnen, denn Du wirst ihm in vielen Dingen zu folgen haben, da er der Vorgesetzte des Weiberhauses ist.«

      »Mag er auch dem Hause der Weiber vorgesetzt sein,« antwortete Nitetis, »so denke ich doch, daß Deiner Gattin selbst kein Sterblicher als Du allein zu befehlen hast. Winke, und ich werde gehorchen; bedenke aber, daß ich eine Königstochter bin und einem Lande entstamme, wo das schwache Weib die Rechte des starken Mannes theilt, daß auch meine Brust jener Stolz durchdringt, den ich aus Deinem Auge leuchten sehe, mein Geliebter! – Dir, dem Großen, meinem Gatten und Beherrscher, will ich gleich einer Sklavin folgen; doch um die Gunst des unmännlichsten aller Männer, eines käuflichen Dieners zu werben, vermag ich eben so wenig, als den Geboten, die er mir vorschreiben möchte, zu gehorchen.«

      Das Erstaunen und Wohlgefallen des Kambyses wuchs. In solcher Weise hatte er noch kein Weib, außer seine Mutter, reden hören, und die kluge Art, mit der Nitetis unbewußt seine Macht über ihr ganzes Dasein anerkannte und hervorhob, befriedigte seine Eigenliebe. Der Stolz gefiel dem Stolzen. Er nickte dem Mädchen beifällig zu und sagte: »Du hast Recht. Ich werde Dir eine eigene Wohnung anweisen lassen. Ich allein will Dir befehlen, wie Du Dich verhalten sollst. Das freundliche Haus auf den hängenden Gärten wird heute noch für Dich eingerichtet werden.«

      »Dank, tausend Dank,« rief Nitetis. »O, wenn Du wüßtest, wie sehr Du mich durch diese Gabe beglückst. Von den hängenden Gärten hat Dein lieber Bruder Bartja mir so viel erzählen müssen, und keine von allen Herrlichkeiten Deines großen Reichs gefiel uns so wohl, als die Liebe jenes Königs, der diesen grünenden Berg aufthürmen ließ.«

      »Morgen wirst Du die neue Wohnung beziehen können. Sage mir jetzt, wie meine Boten Dir und den Ägyptern gefallen haben?«

      »Wie magst Du solches fragen? Wer konnte diesen edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer müßte nicht die Vorzüge der jungen Helden, Deiner Freunde, bewundern? Sie alle sind unserem Hause theuer geworden. besonders aber hat Dein schöner Bruder alle Herzen gewonnen. Die Aegypter sind den Fremden abhold, sobald sich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Murmeln der Bewunderung durch die gaffende Menge.«

      Bei diesen Worten der Königstochter verfinsterte sich die Stirn des Königs. Er gab seinem Rosse einen harten Streich, daß es aufbäumte, warf es herum, sprengte an die Spitze seines Gefolges und gelangte nach wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.

      Nitetis, welche als Aegypterin an die größesten Bauten gewohnt war, staunte dennoch über die riesenhafte Ausdehnung und die Großartigkeit dieser ungeheuren Stadt.


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