Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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man seinem Bruder von allen Seiten freiwillig zollte, nicht erkaufen könne. Er haßte Bartja nicht; aber es verdroß ihn, daß der Knabe, welcher sich durch keine Thaten bewährt hatte, von allen Persern gleich einem Helden und Wohltäter verehrt und geliebt wurde. Alles, was ihm nicht gefiel, hielt er für Unrecht, was er für Unrecht hielt, mußte er rügen, und sein Tadel war, seit seiner Kindheit, selbst den Größten furchtbar gewesen.

      Die begeisterten Jubelrufe des Volkes, die überströmenden Liebesergüsse seiner Mutter und Schwester, besonders aber die warmen Lobpreisungen der Nitetis, welche dem Bartja gezollt worden waren, fachten heut in ihm eine Eifersucht an, die sein stolzes Herz bis dahin nicht gekannt hatte. Nitetis gefiel ihm ausnehmend wohl. Diese sich seiner Größe vollkommen unterwerfende und gleich ihm alles Geringe stolz verachtende Tochter eines mächtigen Königs, dieses Weib, welches, um seine Gunst zu gewinnen, sich ernstlicher Mühen bei der Erlernung der persischen Sprache unterzogen hatte, diese hohe Jungfrau, deren eigentümliche, halb ägyptische, halb griechische Schönheit (ihre Mutter war eine Hellenin gewesen) seine Bewunderung als etwas Neues, nie Gesehenes in Anspruch nahm, hatte nicht verfehlt, einen tiefen Eindruck auf ihn zu machen. Darum verstimmten ihn ihre dem Bartja freigebig gezollten Lobeserhebungen und machten sein Herz für die Eifersucht empfänglich.

      Als er mit dem Bruder die Gemächer der Frauen verließ, faßte er einen raschen Entschluß und rief ihm, ehe sie sich trennten, zu: »Du hast mich um eine Gelegenheit gebeten, Deine Mannhaftigkeit zu bewähren. Ich will sie Dir nicht versagen! Die Tapuren sind aufgestanden; ich habe ein Heer an ihre Grenze geschickt. Begib Dich nach Rhagae, übernimm den Oberbefehl und zeige, was Du bist und kannst.«

      »Ich danke Dir, mein Bruder,« rief Bartja; »darf ich meine Freunde Darius, Gyges und Zopyrus mit mir nehmen?«

      »Ich will Dir diese Gunst nicht versagen; haltet euch brav und zaudert nicht, damit ihr in drei Monaten wieder bei dem großen Heere seid, welches im Frühjahr zum Rachezuge gegen die Massageten aufbrechen soll.«

      »Morgen reise ich.«

      »Gehab’ Dich wohl!«

      »Willst Du mir eine Bitte gewähren, wenn Auramazda mein Leben erhält und ich siegreich heimkehre?«

      »Ich will.«

      »O, nun werde ich siegen und stände ich mit tausend Mann gegen zehntausend Tapuren!« Die Augen des Jünglings leuchteten. Er dachte an Sappho.

      »Ich werde mich freuen, wenn Du Deine schönen Worte zu Thaten machst. Aber halt; ich habe Dir noch etwas zu sagen. Du bist zwanzig Jahre alt und mußt heirathen. Roxane, die Tochter des edlen Hydarnes, ist mannbar geworden. Sie soll schön sein und ist ihrer Herkunft nach Deiner würdig.«

      »O, mein Bruder, sprich mir nicht von der Ehe, ich . . .«

      »Du mußt ein Weib nehmen, denn ich bin kinderlos.«

      »Doch Du bist jung und wirst nicht ohne Nachkommen bleiben; auch sage ich nicht, daß ich niemals heirathen will. Zürne mir nicht; aber gerade jetzt, wo ich meine Mannheit bewähren soll, mag ich nichts von den Weibern hören!«

      »Verschone mich mit diesem Befehle, mein Bruder. Bei der Seele unseres Vaters beschwöre ich Dich, strafe mich nicht mit einem Weibe, das ich nicht kenne und nicht kennen mag. Gib Roxane dem Zopyrus, der die Frauen liebt, gib sie dem Darius oder Bessus, welche dem Hydarnes verwandt sind; ich würde unglücklich werden . . .«

      Kambyses lachte und rief, seinen Bruder unterbrechend. »Das hört sich an, als hättest Du aufgehört ein Perser zu sein und wärest zum Aegypter geworden. Wahrlich, ich bereue schon lange, einen Knaben wie Dich in die Fremde geschickt zu haben! Ich bin nicht gewohnt, mir widersprechen zu lassen, und nehme nach dem Kriege keine Entschuldigung an. Jetzt magst Du meinetwegen unbeweibt in’s Feld ziehen, denn ich will Dir nichts aufdrängen, was, wie Du meinst, Deine Mannhaftigkeit gefährden könnte. Uebrigens scheint es mir, als hättest Du noch andere geheime Gründe, meinen brüderlichen Vorschlag abzulehnen. Das sollte mir um Deinetwillen Leid thun. Jetzt ziehe hin. Nach dem Kriege laß ich keinen Widerspruch gelten. Du kennst mich!«

      »Vielleicht bitt’ ich Dich selbst nach dem Kriege um das, was ich jetzt nicht von Dir annehmen möchte. So schlecht es ist, jemanden zu seinem Unglücke, so unweise ist es, einen Menschen zu seinem Glücke zwingen zu wollen. Ich danke Dir für Deine Nachgiebigkeit.«

      »Erprobe sie nicht zu oft! – Wie glücklich Du aussiehst! Ich glaube gar, daß Du verliebt bist und um der Holden Deines Herzens willen die andern Weiber verachtest.«

      Bartja erröthete bis zum Scheitel, ergriff die Hand seines Bruders und rief: »Forsche jetzt nicht weiter nach, nimm zum Zweitenmale meinen Dank und lebe wohl. Gestattest Du mir, nachdem ich von der Mutter und Atossa Abschied genommen habe, auch Nitetis Lebewohl zu sagen?«

      Kambyses biß sich in die Lippen, sah Bartja durchdringend an und rief, als er eine gewisse Verlegenheit in den Zügen seines Bruders zu bemerken glaubte, kurz und drohend. »Eile Dich, daß Du zu den Tapuren kommst! Meine Gattin bedarf Deines Schutzes nicht mehr; sie hat jetzt andere Hüter!«

      Ihm voraus gingen Herolde mit Stäben, seinen Schritten folgte ein Heer von Fächer-, Sänften- und Schemelträgern, Teppichbreitern und Schreibern, die jeden Befehl ihres Herrn, jede nur angedeutete Bewilligung, Belohnung oder Strafe sofort aufzeichneten und den betreffenden Beamten zur Ausführung übergaben.

      Als Kambyses in die Halle trat, warfen sich fast alle Anwesenden vor ihm nieder; nur seine Verwandten, die durch die blau und weiße Binde an ihren Tiaren kenntlich waren, begnügten sich mit einer ehrerbietigen Verbeugung.

      Dann erschienen Sklaven, die den Tisch von den Ueberresten der Mahlzeit säuberten. Andere Diener brachten riesige Weinkrüge herbei, der König trat aus seinem Zimmer heraus, um sich an der Spitze der großen Tafel niederzulassen, zahlreiche Schenken füllten auf’s Zierlichste die goldenen Becher und kosteten den Wein, um zu zeigen, daß sich kein Gift in demselben verberge, und bald war eines jener Trinkgelage im besten Gange, bei denen später Alexander der Große das Maßhalten, ja selbst die Freundschaft vergaß.

      Kambyses


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