Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Weibe redete. Die Beiden näherten sich ihrem Fenster. Nitetis verbarg sich hinter die halb geöffneten Laden und lauschte, denn es war ihr, als habe sie ihren Namen vernommen.

      »Die Ägypterin schläft noch,« sagte der Eunuch, »sie muß von der Reise schwer ermüdet sein.«

      »So antworte schnell,« sprach die Perserin. »Meinst Du wirklich, daß mir von dieser Fremden Gefahr drohen kann?«

      »Gewiß, mein Püppchen.«

      »Was bringt Dich auf diese Vermuthung?«

      »Das neue Weib braucht nicht meinen, sondern nur den Befehlen des Königs zu gehorchen.«

      »Ist das Alles?«

      »Nein, mein Schätzchen; ich kenne aber den König und lese in seinen Zügen wie ein Magier in den heiligen Büchern.«

      »So müssen wir sie verderben.«

      »Das ist leicht gesagt und schwer gethan, mein Täubchen.«

      »Laß mich los, Du Unverschämter!«

      »Nun wir sind ja ungesehen, und Du wirst mich nöthig haben.«

      »Meinetwegen; aber sage schnell, was zu thun ist?«

      »Dank’, mein süßes Herzchen Phädime! – Ja also, für’s Erste müssen wir uns ruhig verhalten und auf eine Gelegenheit warten. Wenn Krösus, der widrige Heuchler, der sich der Aegypterin anzunehmen scheint, fort ist, dann gilt es eine Schlinge zu stellen . . .«

      Die Redenden hatten sich so weit entfernt, daß Nitetis nichts mehr verstehen konnte. In stummer Entrüstung schloß sie den Laden und rief ihren Dienerinnen, um sich ankleiden zu lassen. Sie kannte jetzt ihre Feinde, sie wußte nun, daß tausend Gefahren ihrer warteten; dennoch fühlte sie sich gehoben und stolz, denn sie sollte das echte Weib des Kambyses werden. Niemals hatte sie ihren eigenen Werth so froh empfunden, wie diesen Elenden gegenüber. Eine wunderbare Siegesgewißheit zog in ihr Herz, welches sicher an die Zauberkraft des Guten und der Tugend glaubte.

      »Was hatte der schreckliche Ton heute früh zu bedeuten?« fragte sie die erste ihrer persischen Zofen, welche ihr Haar ordnete.

      »Meinst Du das tönende Erz, Herrin?«

      »Vor kaum zwei Stunden wurde ich durch einen seltsamen Klang aus dem Schlafe geschreckt.«

      »Sollen sie schon so früh die große Ueppigkeit dieses Hofes kennen lernen?«

      »Und aus diesen harten, schlicht erzogenen Knaben werden so üppige Männer?«

      »Das geht ja immer so! Je länger man hungern muß, je besser mundet die Mahlzeit! So ein junger Edler sieht täglich allen Glanz der Welt, weiß, daß er reich ist, und muß dennoch darben. Was Wunder, daß er, wenn man ihn losläßt, alle Freuden des Lebens mit zehnfacher Lust genießt? Geht es aber in den Krieg oder zieht man zum Jagen aus, dann grämt er sich auch nicht, wenn es zu hungern und zu dürsten gilt, dann springt er lachend mit seinen dünnen Stiefeln und purpurnen Hosen in den Koth und schläft auf einem Felsen so gut wie auf seinem Lager von zarter arabischer Wolle. Du mußt sehen, welche Wagestücke die Knaben machen, besonders wenn der König ihren Uebungen zusieht! Kambyses wird Dich gewiß einmal mitnehmen, wenn Du ihn darum bittest.«

      »Wie seltsam! Bei uns wachsen wir Frauen heran, wie wir eben wollen, und lernen nichts, als ein bischen weben und spinnen. Ist es wahr, daß die meisten Aegypterinnen sogar die Kunst des Schreibens und Lesens verstehen?«

      »Fast alle werden in diesen Fertigkeiten unterrichtet.«

      »Beim Mithra, ihr müßt ein kluges Volk sein! Außer den Magiern und Schreibern erlernen nur wenige Perser jene schweren Wissenschaften. Die edlen Knaben lehrt man nichts, als die Wahrheit zu reden, gehorsam und tapfer zu sein, die Götter zu ehren, zu jagen, zu reiten, Bäume zu pflanzen und Kräuter zu unterscheiden. Wer schreiben lernen will, der mag sich später, wie der edle Darius, an die Magier wenden. Den Frauen ist es sogar verboten, solchen Wissenschaften obzuliegen. – Aber jetzt bist Du fertig. Diese Perlenschnur, welche Dir der König heute Morgen geschickt hat, steht prächtig zu Deinen rabenschwarzen Haaren. Darf ich Dich bitten, Dich zu erheben? Wahrlich, auch diese Schuhe sind Dir zu groß! Versuche dieses Paar! Du strahlst wie eine Göttin; aber man sieht, daß Du noch nicht gewohnt bist, die weiten seidnen Beinkleider und hohen Hacken an den Stiefelchen zu tragen. Geh’ nur ein paarmal auf und ab, dann wirst Du selbst im Gange alle Perserinnen ausstechen!«

      In diesem Augenblicke klopfte es an die Thür und Boges, der Eunuch, trat ein, um Nitetis der blinden Kassandane, bei welcher Kambyses ihrer wartete, zuzuführen.

      Der Verschnittene stellte sich als ihr demüthigster Sklave dar und ergoß sich in einen Strom von blumenreichen Schmeichelworten, indem er sie mit der Sonne, dem Sternenhimmel, einer reinen Quelle des Glücks und einem Rosengarten verglich. Nitetis würdigte ihn keines Wortes und trat hochklopfenden Herzens in das Gemach der Mutter des Königs.

      Die blinden Augen der Greisin waren geschlossen, aber man erwartete, wenn sie sich öffnen würden, ein paar milde, freundliche Sterne leuchten zu sehen. Die Haltung und Größe der Sitzenden verriethen einen stattlichen Wuchs. Die ganze Erscheinung war würdig der Wittwe des großen und guten Cyrus.

      Auf einem kleinen Sessel zu Füßen der Greisin saß


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