Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.seiner Hüfte trägt das Roß
Das Mal, das man ihm brennt,
Und Jedermann den Parther-Troß
An der Tiara kennt;
Doch, sehe ich Verliebte nah,
Weiß ich sogleich: Sie lieben;
Ein zartes Mal ward ihnen ja
In’s Herz hinein geschrieben310.«
Also zogen in Fleiß und Spiel, in Ernst und Scherz, in Liebe und Gegenliebe Tage, Wochen und Monde an Nitetis vorüber. Der Befehl des Kambyses: »Es muß Dir bei uns gefallen«, fand Gehorsam, und als der mesopotamische Lenz (Januar, Februar und März), welcher dem regnerischen Dezember in jenen Gegenden folgt, vorüber war, als man während der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche das größte Fest der Asiaten, das Neujahrsfest, gefeiert hatte, als die Maiensonne mit heißen Gluthen zu brennen begann, da fühlte sich Nitetis in Babylon wie zu Hause und alle Perser wußten, daß die junge Aegypterin Phädime, die Tochter des Otanes, aus der Gunst des Königs verdrängt und sichere Aussicht habe, die erste bevorzugte Gemahlin des Kambyses zu werden.
Das Ansehen des Eunuchen-Obersten Boges sank, denn man wußte, daß der König den Harem nicht mehr betrete und der Verschnittene seinen Einfluß nur den Weibern verdankte, welche, was er selbst für sich oder Andere begehrte, Kambyses abschmeicheln mußten. – Täglich besprach sich der gekränkte Mann mit der gestürzten Favoritin Phädime, wie man die Aegypterin verderben könne; aber ihre feinsten Ränke und Listen scheiterten an der Liebe des Kambyses und dem makellosen Wandel der Königsbraut.
Phädime, das ungeduldige, nach Rache lechzende, gedemüthigte Weib drängte fort und fort den vorsichtigen Boges zu einer entscheidenden That; dieser aber mahnte zum Abwarten und zur Geduld.
Endlich, nach vielen Wochen, kam er voller Freude zu ihr und rief: »Wenn Bartja heimgekehrt ist, mein Schätzchen, dann ist unsere Stunde gekommen. Ich habe ein Plänchen ersonnen, das der Aegypterin so sicher den Hals bricht, als ich Boges heiße.«
Bei diesen Worten rieb der ewig lächelnde Halbmann seine glatten, fleischigen Hände und schaute so gesättigt zufrieden drein, als habe er eine gute That verübt. Uebrigens machte er Phädime nicht einmal andeutungsweise mit seinem »Plänchen« bekannt und antwortete auf ihre dringenden Fragen: »Lieber möcht’ ich mein Haupt in den Rachen eines Löwen, als mein Geheimniß in das Ohr eines Weibes legen. Wohl schätze ich Deinen Muth; aber ich gebe Dir zu bedenken, daß sich die Kühnheit des Mannes im Handeln, die des Weibes im Gehorchen bewähren muß. Thue darum, was ich Dir sagen werde, und warte geduldig ab, was die Zukunft bringt!«
Nebenchari, der Augenarzt, pflegte Kassandane nach wie vor, hielt sich von allem Umgange mit den Persern zurück, und wegen seines düstern, schweigsamen Wesens wurde sein Name bald von ihnen sprüchwörtlich gebraucht. Man nannte bei Hofe jeden Glückseligen einen »Bartja«, jeden Griesgram einen »Nebenchari«. – Bei Tage verweilte er lautlos in den Zimmern der Mutter des Königs, in großen Papyrusrollen311 blätternd; bei Nacht bestieg er häufig mit Erlaubniß des Königs und des Satrapen312 von Babylon, Tritantächmes, einen der hohen Mauerthürme, um die Sterne zu beobachten.
Die chaldäischen Priester, die uralten Pfleger der Himmelskunde, hatten ihm anbieten lassen, seine Beobachtungen auf der Spitze des großen Bel-Tempels, ihrer Sternwarte, zu machen; er aber weigerte sich entschieden dieser Einladung zu folgen, und verharrte in vornehmer Abgeschlossenheit. Als ihm Oropastes, der Magier, den berühmten babylonischen Schattenweiser, den Anaximander von Milet auch in Griechenland eingeführt hatte, erklären wollte, lächelte er höhnisch und kehrte dem Obersten der medischen Priester den Rücken, indem er sagte: »Das kannten wir schon, bevor ihr wußtet, was eine Stunde sei313.«
Nitetis war ihm freundlich entgegen gekommen; er aber kümmerte sich nicht um sie, ja er schien sie absichtlich zu vermeiden. Als sie ihn eines Tages fragte: »Findest Du etwas Böses an mir, Nebenchari, oder habe ich Dich beleidigt?« gab er zur Antwort: »Du bist mir fremd, denn wie möchte ich Diejenige zu meinen Freunden zählen, welche ihren theuersten Lieben, den Göttern und den Sitten der Heimath, so willig und schnell treulos zu werden vermag?«
Boges der Eunuch merkte sehr bald, daß der Augenarzt der zukünftigen Gattin seines Königs zürne; darum bemühte er sich, ihn zu seinem Bundesgenossen zu machen; Nebenchari wies aber seine schmeichlerischen Anreden, seine Geschenke und Aufmerksamkeiten mit Würde zurück.
So oft ein Angare mit irgend einer Botschaft an den König in den Schloßhof einritt, beeilte sich der Eunuch ihn auszufragen, woher er komme und ob er nichts von dem Heere gegen die Tapuren vernommen habe?
Endlich erschien der erwünschte Bote, welcher die Nachricht brachte, der aufrührerische Stamm sei gebändigt und Bartja werde binnen Kurzem heimkehren.
Drei Wochen vergingen, Bote auf Bote meldete das Nahen des siegreichen Prinzen, die Straßen prangten wiederum im reichsten Festschmucke, das Heer zog in Babylon ein, Bartja dankte dem jubelnden Volke und lag bald darauf in den Armen seiner Mutter.
Auch Kambyses empfing seinen Bruder mit unverstellter Herzlichkeit und führte ihn absichtlich zu Kassandane, als er wußte, daß sich Nitetis bei ihr befinde.
Sein Herz war voll von der Gewißheit, daß ihn die Aegypterin liebe. Er wollte Bartja zeigen, daß er ihr vertraue, und nannte seine frühere Eifersucht einen thörichten Wahn.
Seine Liebe machte ihn mild und freundlich, seine Hände wurden niemals müde zu schenken und wohl zu thun, sein Zorn war eingeschlummert, und die Krähen Babylons umkreisten jetzt, vor Hunger schreiend, den Platz, an welchem sonst die Häupter der Hingerichteten in großer Zahl als warnende Schreckbilder aufgestellt worden waren.
Mit dem Sinken des Einflusses der schmeichlerischen Eunuchen, einer Menschenrasse, welche erst durch die Einverleibung von Medien, Lydien und Babylonien, woselbst sie viele der höchsten Staats- und Hof-Aemter bekleidet hatte, an die Pforte des Cyrus gekommen war, stieg das Ansehen der edlen Perser aus dem Geschlechte der Achämeniden, und Kambyses gewöhnte sich zum Wohle des Landes, mehr auf die Stimme seiner Verwandten, als auf die Ratschläge der Verschnittenen zu hören.
Der greise Hystaspes, der Vater des Darius und Statthalter des persischen Stammlandes, welcher zu Pasargadae zu residiren pflegte, ein Vetter des Königs, Pharnaspes, sein Großvater von mütterlicher Seite, Otanes, sein Oheim und Schwiegervater, Intaphernes; Aspathines, Gobryas, Hydarnes, der Feldherr Megabyzus314, der Vater des Zopyrus, der Gesandte Prexaspes, der edle Krösus, der alte Held Araspes, kurz die vornehmsten Stammhäupter der Perser befanden sich gerade jetzt am Hofe des Königs.
Dazu kam, daß der ganze Adel des Reichs, die Satrapen oder Statthalter aller Provinzen und die Oberpriester aller Städte sich zu dieser Zeit in Babylon befanden, weil der Geburtstag315 des Königs gefeiert werden sollte.
Sämmtliche Würdenträger und Abgeordnete aus allen Provinzen strömten in die Königsstadt, um dem Herrscher Geschenke darzubringen, ihm Glück zu wünschen und an den großen Opfern teilzunehmen, an welchen Tausende von Rossen, Hirschen, Stieren und Eseln für die Götter geschlachtet zu werden pflegten.
An diesem Festtage wurden alle Perser beschenkt, und Jeder durfte dem König eine Bitte vortragen, die nur selten unerfüllt blieb; auch ward das Volk in allen Städten auf Kosten des Herrschers gespeist. Kambyses hatte bestimmt, daß acht Tage nach dem Geburtstage seine Vermählung mit Nitetis stattfinden und zu derselben alle Großen des Reichs geladen werden sollten.
Die Straßen von Babylon wimmelten von Fremden, die riesengroßen Paläste auf beiden Seiten des Euphrat waren überfüllt und alle Häuser prangten in festlichem Schmucke.