Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.um ihn versammelte, trug nicht wenig dazu bei, die fröhliche Stimmung des Königs zu heben.
Sein Stolz war befriedigt, und die einzige leere Stelle in seinem Herzen, der Mangel an Liebe, durch Nitetis ausgefüllt. Er glaubte zum Erstenmale in seinem Leben vollkommen glücklich zu sein, und vertheilte seine Geschenke nicht nur, weil ein König von Persien schenken mußte, sondern weil ihm das Geben wirkliche Freude verursachte.
Der Feldherr Megabyzus wußte die Kriegsthaten des Bartja und seiner Freunde nicht hoch genug zu preisen. Kambyses umarmte die jungen Helden, beschenkte sie mit goldenen Ketten und Rossen, nannte sie »Brüder« und erinnerte Bartja an jene Bitte, welche er ihm nach der siegreichen Heimkehr zu gewähren versprochen hatte.
Als der Jüngling die Augen niederschlug und nicht gleich wußte, wie er seinen Antrag beginnen sollte, lachte der König und rief: »Seht, ihr Freunde, wie unser junger Held gleich einem Mägdlein erröthet! Ich glaube, daß mir Großes zu gewähren bevorsteht, darum soll er bis zu meinem Geburtstage warten, und mir beim Trinkgelage, wenn der Wein ihm Muth gegeben hat, zuflüstern, was er sich jetzt zu erbitten scheut. Laß die Forderung groß sein, Bartja! Ich bin glücklich, und wünsche darum all’ meine Freunde glücklich zu sehen!«
Bartja lächelte ihm zu und begab sich zu seiner Mutter, um ihr, jetzt zum Erstenmale, mitzutheilen, was sein Herz ersehnte.
Er fürchtete auf harten Widerstand zu stoßen; Krösus hatte ihm aber so gut vorgearbeitet und der Blinden so viel Rühmliches von Sappho erzählt, ihre Tugend und Anmuth, ihre Künste und Gaben so hoch gepriesen, daß die Mädchen behaupteten, die Enkelin der Rhodos habe dem Greise einen Zaubertrunk eingegeben, und Kassandane jetzt, nach kurzem Sträuben, den Bitten ihres Lieblings nachgab.
»Eine Hellenin die rechte Gemahlin eines persischen Königssohnes!« rief die Blinde. »Das ist noch niemals dagewesen! Was wird Kambyses sagen? – Wie werden wir seine Zustimmung erlangen?«
»Darüber kannst Du unbesorgt sein, Mutter,« erwiederte Bartja. »Ich bin der Einwilligung meinet Bruders ebenso sicher, als daß Sappho eine Zierde unseres Hauses werden wird.«
»Krösus hat mir viel Schönes und Gutes von der Jungfrau erzählt, und ich freue mich, daß Du endlich entschlossen bist, Dich zu vermählen; aber dennoch scheint mir solche Ehe nicht für einen Sohn des Cyrus zu passen. Und hast Du auch bedacht, daß die Achämeniden ein zukünftiges Kind dieser Hellenin schwerlich als ihren König anerkennen werden, wenn Kambyses ohne Söhne bleiben sollte?«
»Ich fürchte nichts, denn mein Sinn steht nicht nach der Krone. Uebrigens war schon mancher persische König der Sohn eines geringeren Weibes als meine Sappho316 ist. Ich weiß sicher, daß mich meine Verwandten nicht tadeln werden, wenn ich ihnen das Kleinod zeige, welches ich am Nile gewonnen habe.«
»Möchte Sappho unserer Nitetis gleichen! Ich liebe sie wie meine eigene Tochter und segne den Tag, an welchem sie dieses Land betrat. Mit ihren warmen Blicken hat sie den harten Sinn Deines Bruders geschmolzen, ihre Güte und Sanftmuth verschönern meine Nacht und mein Alter, ihr milder Ernst hat Deine Schwester Atossa aus einem unbändigen Kinde in eine Jungfrau verwandelt! Rufe jetzt die Mädchen, welche unten im Garten spielen, damit wir ihnen mittheilen, daß sie durch Dich eine neue Freundin erhalten sollen.«
»Verzeih’ mir, Mutter,« erwiederte Bartja, »wenn ich Dich bitte, diese Angelegenheit der Schwester zu verschweigen, bis wir die bestimmte Einwilligung des Königs erlangt haben.«
»Du hast Recht, mein Sohn. Wir müssen den Mädchen Deinen Wunsch verheimlichen, und wäre es nur, um ihnen eine mögliche Enttäuschung zu ersparen. Das Fehlschlagen einer schönen Hoffnung ist schwerer zu tragen als ein unerwartetes Leid; harren wir darum auf die Einwilligung Deines Bruders. Mögen Dir die Götter ihren Segen schenken!«
Am frühen Morgen des königlichen Geburtstagsfestes brachten die Perser am Ufer des Euphrat ihre Opfer dar. Auf einem künstlichen Berge stand ein ungeheurer silberner Altar, aus welchem ein mächtiges Feuer, Flammen und Wohlgeruch gen Himmel sendend, brannte. Weiß gekleidete Magier speisten die Gluth mit zierlich gehauenen Stücken des feinsten Sandelholzes und schürten sie mit Ruthenbündeln.
Das Haupt der Priester war mit einer Binde, der Paiti-dhana317, umwunden, deren Enden ihren Mund verdeckten und auf diese Weise den unreinen Athem von dem reinen Feuer abwehrten. Auf einer Wiese neben dem Strome hatte man die Opferthiere geschlachtet, ihr Fleisch in Stücke geschnitten318, mit Salz bestreut und auf zarte Rasen und Kleesprossen, Myrthenblüthen und Lorbeerblätter ausgebreitet, damit nichts Todtes und Blutiges die schöne Tochter des Auramazda, die geduldige, heilige Erde, berühre.
Nun trat Oropastes, der oberste Destur319, an das Feuer und warf frische Butter hinein. Die Flammen schlugen hoch empor. Alle Perser fielen auf die Kniee und verbargen ihr Angesicht, denn sie glaubten, die Lohe schwinge sich ihrem Vater, dem großen Gotte, entgegen. Dann nahm der Magier einen Mörser, streute in denselben Blätter und Stengel des heiligen Haomakrautes320, zerstampfte sie und goß den röthlichen Saft der Pflanze, die Speise der Götter, in die Flammen.
Endlich hob er seine Hände zum Himmel empor und sang, während andere Priester das Feuer fortwährend mir frischer Butter zum wilden Auflodern zwangen, ein großes Gebet aus den heiligen Büchern. In diesem wurde der Segen der Götter auf alles Reine und Gute, vor Allem auf den König und das ganze Reich herabgerufen. Die guten Geister des Lichts, des Lebens, der Wahrheit, der edlen That, der Geberin Erde, des labenden Wassers, der glänzenden Metalle, der Weiden, der Bäume und der reinen Geschöpfe wurden gepriesen, die bösen Geister des Dunkels, der Lüge, welche die Menschen betrügt, der Krankheit, des Todes, der Sünde, der Wüste, der starren Kälte, der verödenden Dürre, des häßlichen Schmutzes und alles Ungeziefers sammt ihrem Vater, dem bösen Angramainjus, verflucht; und endlich stimmten alle Anwesenden singend in das Festgebet ein: »Reinheit und Herrlichkeit wartet des reinen Gerechten321!«
Dann schloß das Gebet des Königs die Opferfeierlichkeit. – Kambyses bestieg im reichsten Ornate den mit vier schneeweißen nisäischen Rossen bespannten goldenen, mit Karneolen, Topasen und Bernstein geschmückten Wagen und begab sich in die große Empfangshalle, um die Würdenträger und Abgeordneten der Provinzen zu empfangen.
Sobald sich der König und sein Gefolge entfernt hatten, wählten sich die Priester die besten Stücke des Opferfleisches aus und gestatteten dem herandrängenden Volke, das übrig Gebliebene mit nach Hause zu nehmen.
Die persischen Götter verschmähten das Opfer, als Speise; sie verlangten nur die Seelen der geschlachteten Thiere, und mancher Aermere, namentlich unter den Priestern, fristete sein Leben von dem Fleische der reichen Königsopfer.
Wie der Magier gebetet hatte, so sollten alle Perser beten. Ihre Religion verbot, daß der Einzelne etwas für sich allein von den Himmlischen verlange. Vielmehr mußte jeder Fromme für alle Perser, besonders aber für den König Gutes erflehen; war doch jeder Einzelne ein Theil des Ganzen, wurde doch auch er beglückt, wenn die Götter dem Reiche Segen verliehen. Dies schöne Aufgeben der eigenen Persönlichkeit zu Gunsten der Gesammtheit hatte die Perser groß gemacht. Wenn man besonders für den König betete, so geschah dies, weil man in ihm die Verkörperung des ganzen Reiches erblickte.
Die ägyptischen Priester stellten die Pharaonen als wirkliche Gottheiten dar, die Perser nannten ihre Fürsten nur Söhne der Götter322 und dennoch herrschten diese in der That weit unbeschränkter als jene, denn sie hatten es verstanden, sich von der Vormundschaft einer Priesterkaste frei zu halten, welche, wie wir gesehen haben, die Pharaonen wenn nicht beherrschte, so doch in den wesentlichsten Angelegenheiten zu beeinflussen