Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.wußte man in Asien nichts. Die von Cyrus besiegten Babylonier durften nach ihrer Einverleibung in das große asiatische Reich nach wie vor zu ihren alten Göttern beten. Die Juden, Ionier und Kleinasiaten, kurz die ganze Menge der dem Scepter des Kambyses gehorchenden Völkerschaften blieb ungestört im Besitze ihrer angeerbten Religionen und Sitten.
So brannten denn auch zu Babylon am Geburtstage des Königs neben den Feueraltären der Magier viele andere Opferflammen, welche die Festgesandten für die Götter, welche sie in ihrer Heimath verehrten, angezündet hatten.
Die Riesenstadt glich aus der Ferne einem ungeheuren Schmelzofen, denn über ihren Thürmen schwebten dichte Rauchwolken, welche das Licht der brennenden Maisonne verfinsterten.
Als der König im großen Reichspalaste angelangt war, ordnete sich die Schaar der Festboten zu einem unabsehbaren Zuge, der durch die geraden Straßen Babylons dem Schlosse entgegen wallte.
Myrthen und Palmenzweige, Rosen, Mohn- und Oleanderblüthen, Silberpappel-, Palmen- und Lorbeerblätter lagen auf allen Wegen. Weihrauch, Myrrhen und tausend andere Wohlgerüche durchwehten die Luft, Fahnen und Teppiche flatterten und wogten von allen Häusern. Das Jauchzen und die Jubelrufe des zahllosen babylonischen Volkes, welches, erst seit wenigen Jahren dem Perserreiche unterworfen, nach asiatischer Sitte seine Ketten gleich einem Schmucke trug, so lange es sich vor der Macht seines Zwingherrn fürchtete, übertönten die schmetternden Fanfaren medischer Trompeten, die sanften Töne phrygischer Flöten, die Cymbeln und Harfen der Juden, die Tamburine der Paphlagonier, die Saitenspiele der Ionier, die Pauken und Becken der Syrer, die Muscheln und Trommeln der Arier von der Indusmündung und die lauten Töne der baktrischen Schlachtposaunen.
Duft, Farbenpracht, Gold- und Edelsteingefunkel, Pferdegewieher, Jauchzen und Gesang vereinten sich zu einem Ganzen, das die Sinne betäubte und die Herzen mit taumelnder Lust erfüllte.
Keine der Festgesandtschaften war mit leeren Händen gekommen. Diese führten eine Koppel edler Pferde, jene riesenhafte Elephanten und possierliche Affen, eine dritte mehrere mit Schabracken und Quasten behängte Nashörner und Büffel, die vierte zweibucklige baktrische Kameele mit goldenen Ringen um den zottigen Hals. Andere brachten Wagen voll seltener Holzarten und Elfenbein, köstliche Gewebe, silberne und goldene Gefäße, Wannen voller Goldstaub und Barren, seltene Gewächse für die Gärten und für den Wildpark des Königs ausländische Thiere, unter denen sich Antilopen, Zebra’s, seltene Affen- und Vogelarten auszeichneten323, welche letzteren an grüne Bäume gekettet waren und, mit den Flügeln schlagend, ein fröhliches Schauspiel darboten.
Diese Geschenke galten als Tribute der unterjochten Stämme. – Nachdem sie dem Könige gezeigt worden waren, wurden sie von den Schatzmeistern und Schreibern gewogen, geprüft und entweder für genügend befunden oder, als zu gering, zurückgewiesen. In letzterem Falle mußten die kargen Geber doppelte Nachzahlungen leisten324.
Der Zug gelangte ohne Aufenthalt an die Pforten des Reichspalastes, denn die Peitschenträger und Soldaten, welche zu beiden Seiten der Straßen ein Spalier bildeten, hielten den Weg von der drängenden Masse des Volkes frei.
Wenn die Fahrt des Königs zur Opferstelle prächtig gewesen war (fünfhundert reich geschmückte Rosse hatte man hinter seinem Wagen hergeführt325) und der Aufzug der Gesandten glänzend genannt werden mußte, so war der Anblick des großen Thronsaales blendend und zauberhaft.
Im Hintergrunde desselben stand auf sechs Stufen, deren jede von zwei goldenen Hunden gleichsam bewacht wurde, der güldene Thron, über welchen sich ein purpurner, von vier goldenen mit Edelsteinen besetzten Säulen getragener Baldachin breitete, dessen Dach zwei geflügelte Scheiben, die Feruer326 des Königs, trug.
Hinter dem Throne standen Wedel- und Fächerträger, vornehme Hofbeamte; zu seinen beiden Seiten die Tischgenossen, Verwandten und Freunde des Königs, die Würdenträger des Reichs, die vornehmsten Priester und Eunuchen.
Die Wände und die Decke des ganzen Saales waren mit blitzenden Goldblechen bekleidet und der Fußboden mit purpurnen Teppichen belegt.
Geflügelte Stiere mit Menschenhäuptern lagen als Wächter vor den silbernen Thoren der Halle, und im Hofe des Palastes hatten sich die Leibgarden, deren Lanzen mit goldenen und silbernen Aepfeln geschmückt waren, aufgestellt. Sie trugen goldene Panzer auf purpurnen Röcken, von Edelsteinen blitzende Schwerter in goldenen Scheiden und hohe persische Mützen. Unter ihnen zeichnete sich durch stattlichen Wuchs und kühne Haltung die Schaar ›der Unsterblichen‹327 aus.
Anmelder und Fremdenführer, elfenbeinerne kurze Stäbe in den Händen tragend, führten die Festboten in die Halle und an dem Throne vorüber. Vor den Stufen desselben angelangt, warfen sie sich, als wollten sie die Erde küssen, zu Boden und verbargen die Hände in die Aermel ihres Gewandes. Ehe sie dem Könige auf eine etwaige Frage antworteten, wurde ihnen ein Tuch um den untern Theil des Gesichts gebunden, damit ihr unreiner Athem seine reine Person nicht berühre.
Kambyses sprach freundlich oder streng, je nachdem er mit den Geschenken und dem Gehorsame der einzelnen Provinzen zufrieden war, mit den vornehmsten Festboten. Als sich am Ende des Zuges die Gesandtschaft der Juden seinem Throne nahte, rief er den Hebräern, welchen zwei ernste Männer mit scharfen Zügen und langen Bärten vorangingen, ein freundliches ›Halt‹ entgegen.
Der Erste von diesen war nach Art der vornehmsten und reichsten Babylonier gekleidet, der Zweite trug ein aus einem Stücke gewebtes, mit Schellen und Quasten besetztes Purpurgewand, welches von einem blau-roth-weißen328 Gürtel zusammengehalten wurde, und ein blaues Schulterkleid. Von seinem Halse hing ein Täschchen mit den heiligen Loosen329 herab, welches zwölf in Gold gefaßte Edelsteine mit dem Namen der Stämme Israels schmückten. Eine weiße Binde, deren Zipfel bis über die Schultern herniederwallten, umschlang die ernste Stirn des hohen Priesters.
»Ich freue mich, Dich wieder zu sehen, Beltsazar330,« rief der König dem babylonisch gekleideten Manne zu. »Seit dem Tode meines Vaters hast Du Dich nicht an meiner Pforte blicken lassen!«
Der also Angeredete verneigte sich demüthig und antwortete: »Die Gnade meines Herrn beglückt Deinen Knecht! Willst Du die Sonne Deiner Huld, trotz seiner Unwürdigkeit, Deinem Knechte leuchten lassen, so gewähre meinem armen Volke, welches Dein großer Vater in das Land seiner Väter heimkehren ließ, eine Bitte! Dieser Greis an meiner Seite, Josua, der hohe Priester unseres Gottes, hat den weiten Weg nach Babylon nicht gescheut, um sie Dir vorzutragen. Laß seine Rede Deinem Ohre angenehm sein und seine Worte eine fruchtbare Stelle in Deinem Herzen finden.«
»Mir ahnt, was ihr verlangen werdet,« rief der König. »Hab’ ich Recht, Priester, wenn ich vermuthe, daß sich eure Bitte abermals auf den Tempelbau in eurer Heimath bezieht?«
»Meinem Herrn kann nichts verborgen bleiben,« antwortete der Priester, sich tief verneigend. »Deine Knechte zu Jerusalem sehnen sich danach, das Angesicht ihres Beherrschers zu schauen, und flehen zu Dir durch meinen Mund, Du möchtest das Land ihrer Väter besuchen, und um die Erlaubniß, den Bau des Tempels, welchen Dein erlauchter Vater, über dem die Gnade Gottes sei, genehmigte, fortsetzen zu dürfen.«
Der König lächelte und erwiederte: »Du weißt Deine Bitte mit der Schlauheit Deines Volkes vorzubringen und wählst das rechte Wort und die rechte Stunde! An meinem Geburtstage kann ich einem treuen Volke kaum eine Bitte abschlagen; so versprech’ ich Dir denn, so bald als möglich die gute Stadt Jerusalem und das Land Deiner Väter zu besuchen.«
»Du wirst Deine Knechte hoch