Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.entgegen jubeln, doppelt beglückt, wenn es ihn als neuen Bauherrn –«
»Halt, Priester, halt!« rief Kambyses. »Eure erste Bitte soll, wie gesagt, nicht unerfüllt bleiben, denn ich hege schon lange den Wunsch, das reiche Tyrus, das goldene Sidon und Dein Jerusalem mit seinem wunderbaren Aberglauben kennen zu lernen; wollt’ ich euch aber die Erlaubniß zur Fortsetzung des Tempelbaues schon jetzt ertheilen, was bliebe mir dann noch übrig, euch im nächsten Jahre zu bewilligen?«
»Deine Knechte werden ihren Herrn mit Gaben und nicht mit Bitten willkommen heißen,« antwortete der Priester; »nun aber sprich das Wort und gestatte uns, dem Gott unserer Väter ein Haus zu bauen.«
»Seltsame Menschen, diese Palastinäer!« rief Kambyses. »Ich hörte sagen, daß ihr an eine einzige durch kein Bildniß darstellbare Gottheit glaubt, welche nichts sei als ein Geist. Meint ihr denn, daß dies luftige Wesen nach einem Hause verlangt? Wahrlich, euer großer Geist muß schwach und erbärmlich sein, wenn er eines Wetterdaches gegen Wind und Regen und eines Schutzes gegen die Hitze bedarf, welche er selbst erzeugt hat. – Ist eure Gottheit wie die unsere überall gegenwärtig, wohl, so fallt vor ihr nieder und betet zu ihr, wie wir es thun, an jeder Stelle, und ihr könnt gewiß sein, überall vernommen zu werden!«
»Der Gott Israels hört sein Volk an allen Orten,« rief der hohe Priester. »Er hat uns vernommen, als wir in der Gefangenschaft des Pharao fern von der Heimath schmachteten, er hörte uns, als wir an den Wassern Babels weinten! Er ersah Deinen Vater zum Werkzeuge unserer Befreiung, und wird auch heute mein Gebet erhören und Dein Herz erweichen. O, großer König, gestatte Deinen Knechten eine gemeinsame Opferstelle für die zwölf getrennten Stämme ihres Volkes, einen Altar, an dessen Stufen sie vereinigt für Dich beten, ein Haus, in welchem sie gemeinsam ihre Festtage heiligen können, zu erbauen! Für diese Huld werden wir die Gnade des Herrn unabläßlich auf Dein Haupt und seinen Fluch auf Deine Feinde herniederflehen.«
»Gestatte meinen Brüdern den Bau ihres Tempels!« bat auch Beltsazar, der reichste und angesehenste von den in Babylon zurückgebliebenen Juden, welchen Cyrus mit großer Auszeichnung behandelt und selbst vielfach um Rath gebeten hatte.
»Würdet ihr denn Frieden halten, wenn ich euren Bitten nachgeben wollte?« fragte der König. »Mein Vater erlaubte euch das Werk zu beginnen und gewährte euch die Mittel zu seiner Vollendung. Einig und glücklich zoget ihr von Babylon in die Heimath zurück; beim Bau des Tempels aber kam Zwist und Hader unter euch. Zahlreiche Bittschreiben, von den angesehensten Syrern unterschrieben, bestürmten Cyrus, die Fortsetzung des Tempelbaus zu verbieten, und erst vor Kurzem bin auch ich von euren Landsleuten, den Samaritern, flehentlich angegangen worden, den Bau zu unterbrechen. Betet denn zu eurem Gotte, wo und wie ihr wollt; weil ich euch wohl will, kann ich aber nicht die Fortsetzung eines Werkes genehmigen, welches Zwist und Uneinigkeit unter euch entflammt.«
»Willst Du an diesem Tage eine Gnade zurücknehmen, die uns Dein Vater durch ein königliches Schreiben gewährte?« fragte Beltsazar.
»Ein Schreiben?«
»Es muß noch heut in dem Archive Deines Reiches aufbewahrt werden.«
»Sobald ihr dasselbe findet und mir vorzeigen könnet,« gab der König zurück, »will ich den Bau nicht nur bewilligen, sondern euch sogar bei demselben unterstützen. Der Wille meines Vaters ist mir so heilig wie ein Befehl der Götter!«
»Gestattest Du mir,« fragte Beltsazar, »das Archiv von Ekbatana, woselbst sich das Schriftstück finden muß, von Deinen Schreibern durchsuchen zu lassen?«
»Ich erlaube es Dir; aber ich fürchte, daß ihr nichts entdecken werdet! Sage Deinen Landsleuten, Priester, ich sei mit der Ausrüstung der Krieger zufrieden, welche sie zum Kampfe gegen die Massageten nach Persien sandten. Mein Feldherr Megabyzus lobt ihre Haltung und ihr Aussehen. Mögen sie sich, wie in den Kriegen meines Vaters, bewähren! – Dich, Beltsazar, lade ich zu meinem Hochzeitsfeste mit der Aegypterin, und trage Dir auf, Deinen Landsleuten Mesach und Abed Nego331, den ersten Männern von Babylon nach Dir, zu sagen, ich erwarte sie heut Abend an meiner Tafel.«
»Der Gott des Volkes Israel schenke Dir Glück und Segen,« sprach Beltsazar, sich tief verneigend.
»Diesen Wunsch nehme ich an,« rief der König, »denn ich halte euren großen Geist, welcher große Wunder geübt haben soll, nicht für machtlos. Noch Eins, Beltsazar! Mehrere Juden haben neulich die Götter der Babylonier geschmäht und sind dafür bestraft worden. Warne Deine Landsleute! Sie machen sich verhaßt durch ihren starren Aberglauben332 und den Hochmuth, mit dem sie sich zu behaupten erkühnen, euer großer Geist sei die einzige wahre Gottheit! Nehmt ein Beispiel an uns, die wir, zufrieden mit dem, was wir haben, auch den Besitz der Andern gut sein lassen. Haltet euch selbst nicht für besser als alle übrigen Menschen! Ich will euch wohl, denn selbstbewußter Stolz gefällt meinem Herzen; hütet euch aber, daß der Stolz nicht zu eurem Schaden in Ueberhebung ausartet! Lebt wohl und bleibt meiner Huld versichert!«
Die Hebräer entfernten sich, enttäuscht, aber doch nicht ohne Hoffnung, denn Beltsazar wußte bestimmt, daß sich jenes den Tempelbau zu Jerusalem betreffende Dokument im Archive von Ekbatana vorfinden müsse.
Den Juden folgte die Gesandtschaft der Syrer und der jonischen Griechen. Als die Letzten im Zuge zeigten sich in Thierfelle gekleidete, wild aussehende Männer von fremdartiger Gesichtsbildung. Ihre Gürtel, Schulterbänder, Bogen-Futterale, Aexte und Lanzenspitzen waren aus gediegenem Golde roh gearbeitet, ihre hohen Pelzmützen mit goldenen Zierrathen versehen. Ihnen voraus ging ein Mann in persischer Tracht, dessen Züge andeuteten, daß er demselben Stamme wie die ihm folgenden Männer angehöre333.
Der König schaute mit Verwunderung auf diese sich dem Throne nähernden Gesandten. Seine Stirn verfinsterte sich, und indem er dem Fremdenführer winkte, rief er aus: »Was begehren diese Menschen von mir? Irr’ ich nicht, so gehören sie jenen Massageten an, welche gar bald vor meiner Rache erzittern sollen. Sage ihnen, Gobryas, daß ein wohlgerüstetes Heer in der medischen Ebene bereit stehe, um ihnen mit dem Schwerte blutige Antwort auf jede Forderung zu geben!«
Der Fremdenführer verneigte sich und sprach: »Diese Menschen sind heute Morgen während des Opfers mit großen Lasten des reinsten Goldes zu Babylon eingezogen, um Deine Nachsicht zu erkaufen. Als sie vernahmen, daß man zu Deiner Ehre ein großes Fest begehe, drangen sie in mich, ihnen heute noch die Gnade zu verschaffen, vor Dein Angesicht treten und Dir mittheilen zu dürfen, mit welchen Aufträgen sie von ihren Landsleuten zu Deiner Pforte entsandt worden sind.«
Die bewölkte Stirn des Königs wurde heller. Mit scharfen Blicken musterte er die hohen, bärtigen Gestalten der Massageten und rief: »Laßt sie vortreten! Ich bin neugierig zu vernehmen, welche Aufträge mir die Mörder meines Vaters zu machen wagen!«
Gobryas winkte; der größte und älteste der Massageten trat, von dem persisch gekleideten Manne begleitet, dicht vor den Thron und begann in der Sprache seiner Heimath mit lauter Stimme zu reden. Sein Nachbar, ein massagetischer Kriegsgefangener des Cyrus, welcher die persische Sprache erlernt hatte, übersetzte dem Könige Satz für Satz die Anrede des Wortführers der Nomaden.
»Wir wissen,« begann derselbe, »daß Du, großer Herrscher, den Massageten zürnest, weil Dein Vater in einem Kampfe gegen unsere Macht, den er selbst, obgleich wir ihn niemals beleidigt hatten, heraufbeschwor, gefallen ist.«
»Mein Vater war wohl berechtigt euch zu strafen,« unterbrach der König den Redner, »denn eure Fürstin Tomyris vermaß sich, ihm eine abschlägige Antwort zu geben, als er sich um ihre Hand bewarb.«
»Zürne nicht, o König,« antwortete der Massaget; »aber ich darf nicht verschweigen, daß unser ganzes Volk diese Weigerung billigte. Einem Kinde konnte es ja nicht verborgen sein, daß der greise Cyrus unsere Königin nur darum der Zahl seiner Gattinnen beizugesellen wünschte, weil er, unersättlich nach Ländern, mit ihr auch unser Gebiet zu gewinnen hoffte.«