Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Göttern fröhlich danken, daß sie die Erde so schön bereitet haben. In Aegypten dacht’ ich immer, wie man mich gelehrt hatte: ›Das Leben ist Schlaf, in der Todesstunde werden wir erst zum rechten Dasein im Reiche des Osiris erwachen,‹ in Griechenland meinte ich: ›Zum Leben bin ich geboren und zum Genusse dieser Welt, die mich so heiter und schön umblüht und umglänzt.‹«

      »Ach erzähle uns mehr von Griechenland,« rief Atossa; »aber erst soll Nebenchari die Augen der Mutter von neuem verbinden.«

      Der Augenarzt, ein großer ernster Mann im weißen ägyptischen Priestergewande, ging an sein Geschäft und zog sich nach Beendigung desselben und nachdem ihn Nitetis herzlich begrüßt hatte, schweigend in den Hintergrund zurück. Ein Eunuch trat in das Zimmer und fragte an, ob Krösus der Mutter des Königs seine Ehrfurcht bezeugen dürfe.

      Bald darauf erschien der Greis und ward als alter, bewährter Freund des persischen Königshauses mit aufrichtiger Herzlichkeit empfangen. Die ungestüme Atossa fiel dem lange Vermißten um den Hals, die Königin streckte ihm ihre Hand entgegen, und Nitetis begrüßte ihn wie einen geliebten Vater.

      »Ich danke den Göttern, daß sie mir euch wiederzusehen gestatten,« rief der rüstige Greis. »In meinem Alter muß man jedes neue Jahr als ein unverdientes Göttergeschenk hinnehmen, während die Jugend das Leben, als etwas von selbst Verständliches, als ein ihr von Rechtswegen zukommendes Eigenthum betrachtet.«

      »Wie beneide ich Dich um Deinen frohen Lebensmuth!« seufzte Kassandane. »Ich bin jünger wie Du; aber jeder neue Tag, dessen Ausgang zu sehen mir die Götter versagen, kommt mir vor wie eine neue Strafe der Unsterblichen.«

      »Was sagte dieser?« fragte Atossa.

      »O nein,« rief Kassandane, »ein so langes Dasein würde mir, selbst wenn Mithra das Licht meiner Augen erneuern wollte, furchtbar scheinen. Ohne meinen Gatten komm’ ich mir vor wie ein Wanderer, der sonder Ziel und Führer die Wüste durchirrt.«

      »Vergißt Du denn ganz Deine Kinder und dieses Reich, welches Du entstehen und wachsen sahst?«

      »O nein! Aber die Kinder bedürfen meiner nicht mehr, und der Beherrscher dieses Reiches ist nicht gewillt, auf den Rath eines Weibes zu hören.«

      Jetzt ergriff Atossa die rechte, Nitetis die linke Hand der Greisin, und die Aegypterin rief: »Um Deiner Tochter, um unseres Glückes willen mußt Du Dir ein langes Leben wünschen. Was wären wir ohne Deinen Schutz und Deine Hülfe?«

      Kassandane lächelte und murmelte kaum hörbar: »Ihr habt Recht, meine Kinder, ihr werdet der Mutter bedürfen.«

      »An diesen Worten erkenn’ ich die Gattin des Cyrus,« rief Krösus, das Gewand der Blinden küssend. »Ich sage Dir, Kassandane, daß man Deiner bedürfen wird, wer weiß wie bald! Kambyses ist ein harter Stahl, der Funken weckt, wohin er schlägt. Deine Pflicht ist es, dafür zu sorgen, daß diese Funken keine Feuersbrunst im Kreise Derjenigen, welche Deinem Herzen die Liebsten sind, entzünden. Du bist die Einzige, welche den Aufwallungen des Königs eine Mahnung entgegensetzen darf; Dich allein betrachtet er als ebenbürtig seiner Majestät. Er verachtet das Urtheil aller Menschen; aber der Tadel seiner Mutter thut ihm weh. – So ist es denn Deine Pflicht, als Vermittlerin zwischen dem Könige, dem Reiche und den Deinen auszuharren und dafür zu sorgen, daß der Stolz Deines Sohnes nicht, statt von Deinem Tadel, von der Strafe der Götter gedemüthigt werde.«

      »O, wenn ich solches bewirken könnte!« antwortete die Blinde. »Doch wie selten beachtet mein stolzer Sohn den Rath seiner Mutter!«

      »Aber er wird wenigstens hören müssen, was Du ihm räthst,« gab Krösus zurück; »und damit ist schon viel gewonnen, denn wenn er auch Deine Lehren nicht befolgt, so werden sie dennoch als Götterstimmen in seinem Busen fortklingen und ihn von manchem Frevel zurückhalten. Ich will Dein Verbündeter bleiben, denn auch ich, der von seinem sterbenden Vater bestellt ward, um ihm mit Rath und That zur Seite zu stehen, wage manchmal, mit einem kühnen Worte seinen Ausschreitungen entgegen zu treten. Wir Beide sind die einzigen Menschen an diesem ganzen Hofe, deren Tadel er scheut. Seien wir muthig und verwalten wir treulich unser Mahneramt; Du aus Liebe zu Persien und Deinem Kinde, ich aus Dankbarkeit gegen den großen Mann, der mir einst Leben und Freiheit schenkte. Ich weiß, daß Du es beklagst, Kambyses nicht anders erzogen zu haben; die Nachreue aber muß man fliehen wie schädliches Gift. ›Bessermachen‹, nicht ›Reue‹ ist das Heilmittel für die Fehler der Weisen; denn die Reue verzehrt das Herz, das Bessermachen aber füllt es mit edlem Stolz und zwingt es zu volleren Schlägen.«

      Nitetis, welche bis dahin freudig gelächelt hatte, schlug jetzt die Augen nieder und fragte mit gedämpfter Stimme: »Soll ich den Göttern meiner Heimat, zu denen ich bis heute gebetet habe, und die mich niemals unerhört ließen, untreu werden? Kann ich, darf ich ihrer vergessen?«

      »Du kannst, darfst und mußt,« sagte Kassandane mit fester Stimme, »denn die Frau soll keine andern Freunde haben, als der Mann. Die Götter sind aber die mächtigsten, treuesten und ersten Freunde des Mannes, darum ist es Deine Pflicht als Frau, sie zu ehren und, wie Du fremden Bewerbern Dein Haus verbietest, Dein Herz vor den Göttern und dem Aberglauben Deiner früheren Heimath zu verschließen.«


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