Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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ich halte es für ganz gut, wenn er ihn auch jetzt sieht, mag es ihm immerhin peinlich sein."

      Diese Worte wurden so leise gesprochen, daß sie Oliver nicht hören konnte. Der Schließer berührte seinen Hut und blickte neugierig nach dem jungen hin, dann öffnete er eine Tür und führte sie durch dunkle Gänge nach der Armensünderzelle.

      Der Jude saß auf seiner Steinbank und wiegte sich mit einem Gesicht, das mehr dem eines eingesperrten Tieres als dem eines Menschen ähnlich sah, hin und her. Sein Geist beschäftigte sich augenscheinlich mit seinem früheren Leben, denn er murmelte, ohne sich durch den Eintritt der beiden stören zu lassen, unaufhörlich vor sich hin.

      "Guter Junge, Karl – brav gemacht! Oliver auch, ha! ha! ha! Oliver auch – ganz Herr jetzt – bringt ihn zu Bett! Ins Bett mit ihm! – Hört denn keiner von euch? – Er – er – ist gewissermaßen an allem schuld. Um des Geldes willen lohnt es sich, ihn dazu aufzuziehen – Bolters Hals, Bill. – Laßt doch das Mädchen laufen Schneid in Bolters Hals, so tief du kannst. Hau ihm den Kopf ab!"

      "Fagin!" sagte der Schließer.

      "Hier!" rief der Jude, plötzlich in die horchende Stellung verfallend, die er vor Gericht eingenommen hatte. "Ein alter Mann, Euer Gnaden. Ein sehr alter Mann."

      "Hier ist jemand", sagte der Schließer, "der Euch etwas fragen will. Fagin, Fagin, seid Ihr ein Mann?"

      "Werd's nicht mehr lange sein!" schrie der Jude mit schreckenerregender Stimme. "Schlagt alle tot. Was haben sie für ein Recht, mich abzumurksen?"

      Jetzt erst bemerkte er Oliver und Herrn Brownlow und fragte, nach dem hintersten Winkel seiner Bank zurückweichend, was sie hier wollten.

      "Ihr seid im Besitz einiger Papiere", sagte Herr Brownlow nähertretend, "die Euch ein gewisser Monks zur Aufbewahrung übergeben hat."

      "Alles gelogen", schrie Fagin. "Ich habe keine – keine."

      "Um Gotteswillen, sprecht nicht so am Rande des Grabes, sondern sagt, wo sie sind! Ihr wißt Sikes ist tot, und Monks hat gestanden. Es ist für Euch keine Hoffnung mehr vorhanden, daraus einen Gewinn zu erzielen. Also, wo sind die Papiere?"

      "Oliver", rief der Jude, ihm winkend. "Komm her, ich will es dir sagen."

      Ohne Furcht ging der Junge zu ihm und Fagin flüsterte ihm, ihn an sich ziehend, ins Ohr:

      "Sie sind in einem Leinenbeutel in einem Loch des Schornsteins, oben in der Vorderstube. Ich möchte gern mit dir noch sprechen, Liebling."

      "Ja, ja", entgegnete Oliver. "Lassen Sie mich beten und beten Sie mit mir. Und wenn es nur ein Gebet ist. Ich bleibe dann bei Ihnen bis zum Morgen."

      "Draußen, draußen", sagte Fagin und drängte den Jungen vor sich her nach der Tür. "sage, ich schlafe, dir wird man glauben. Du kannst mich retten. Los! Jetzt!"

      "Lieber Gott, vergib diesem Unglücklichen", schrie Oliver, in Tränen ausbrechend.

      "So ist's recht", sagte der Jude. "Das wird uns helfen! Diese Tür zuerst. Nur schnell! Komm!"

      "Haben Sie ihn noch etwas zu fragen?" erkundigte sich der Schließer bei Herrn Brownlow. Dieser verneinte. Man öffnete die Zellentür, und die Gefangenenwächter befreiten Oliver aus Fagins Griff. Er kämpfte mit einer Kraft, die ihm die Verzweiflung verlieh und stieß dabei schreckliche Jammertöne aus.

      Oliver wurde bei diesem schrecklichen Auftritt fast ohnmächtig und es dauerte eine Stunde, ehe er sich so weit erholt hatte, daß sie den Heimweg antreten konnten. Der Tag brach an, und es wimmelte auf dem Platz bereits von Menschen. Die Fenster waren von Leuten besetzt, die sich mit Rauchen und Kartenspielen die Zeit vertrieben. Die Menge auf der Straße drängte sich, scherzte und lachte. Alles atmete Heiterkeit und Leben, mit Ausnahme eines schwarzen Gerüstes in der Mitte des Platzes. Der Querbalken und der Strick waren grauenvolle Wahrzeichen des Todes in häßlichster Gestalt.

      Dreiundfünfzigstes und letztes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Es waren noch keine drei Monate ins Land gegangen, als Rosa Flemmings und Harry Maylies Ehebund in der Dorfkirche geschlossen wurde, die fortan der Schauplatz der Tätigkeit des jungen Geistlichen sein sollte. An demselben Tage zogen sie in ihr neues Heim. Frau Maylie die sich für den Rest ihrer Tage an dem Glücke ihrer Kinder erfreuen wollte, schlug ihren Wohnsitz bei dem jungen Paare auf.

      Monks und seine Mutter hatten den größten Teil des Leefordschen Vermögens verwirtschaftet. Es blieben noch für ihn und Oliver je dreitausend Pfund übrig. Dem letzten Willen des Vaters zufolge hätte Oliver Anspruch auf das Ganze gehabt. Herr Brownlow aber hatte diese Teilung vorgeschlagen, um den älteren Sohn in den Stand zu setzen, ein neues Leben zu beginnen. Und Oliver hatte gern zugestimmt. Monks behielt seinen angenommenen Namen bei und wanderte nach Amerika aus. Hier brachte er in kurzer Zeit sein Geld durch und beging verschiedene Betrügereien, die ihn ins Gefängnis führten, in dem er auch bald starb. Ebenso fern von der Heimat starben die noch übriggebliebenen Mitglieder der Bande seines gehenkten Freundes Fagin.

      Herr BrownIow nahm Oliver an Kindesstatt an und bezog mit ihm und Frau Bedwin eine Wohnung, die nur zehn Minuten vom Maylieschen Pfarrhaus entfernt lag. Er erfüllte damit einen Herzenswunsch des Jungen.

      Bald nach der Vermählung des jungen Paares kehrte der würdige Doktor nach Chertsey zurück. Er fühlte sich aber dort nicht mehr glücklich, da seine alten Freunde doch alle fortgezogen waren. Er übertrug daher seine Praxis seinem Assistenten und kaufte sich ganz in der Nähe des Dorfes, wo Harry Maylie Pfarrer war, ebenfalls ein kleines Häuschen. Er legte sich nun auf Ackerbau und Viehzucht und wurde bald von den Nachbarn als Autorität darin anerkannt. Mit Grimwig hatte er eine herzliche Freundschaft geschlossen. Dieser besuchte daher den Doktor häufig. An Sonntagen verfehlte Herr Grimwig nie, dem jungen Geistlichen seine Predigt ins Gesicht zu kritisieren, versicherte jedoch Herrn Losberne nachher im strengsten Vertrauen, daß sie ausgezeichnet gewesen sei; er halte es jedoch für richtig, es nicht zu sagen. Es machte ihm auch immer Vergnügen, Herrn Brownlow mit seiner alten Prophezeiung über Oliver zu necken und ihn an den Abend zu erinnern, an dem sie, die Uhr mitten zwischen sich, seine Rückkehr erwarteten. Herr Grimwig meinte dann, daß er in der Hauptsache doch recht hatte, denn Oliver sei eben nicht zurückgekommen. Dann lacht er vergnügt und ist in bester Stimmung.

      Herr Noah Claypole wurde begnadigt, da er gegen den Juden als Kronzeuge aufgetreten war. Das Diebesgewerbe hielt er nach seinen Erfahrungen nicht für ganz sicher und wandte sich daher einem anderen Berufe zu, nämlich dem eines Denunzianten. Er geht alle Sonntage während der Kirchzeit mit Charlotte, fein angezogen, spazieren. Vor der Tür eines Wirtshauses fällt die Dame in Ohnmacht; um sie wieder zu sich zu bringen, kauft der Herr für einige Pence Kognak. Am anderen Tage erstattet er Anzeige gegen den menschenfreundlichen Gastwirt wegen Sabbatschändung und streicht die halbe Strafe ein. Manchmal wird auch Herr Claypole ohnmächtig, aber das Resultat ist dasselbe.

      Herr und Frau Bumble verloren ihre Stellen, versanken allmählich in das größte Elend und kamen zuletzt als Arme in dieselbe Anstalt, in der sie einst geherrscht hatten.

      Was Herrn Giles und Brittles anbelangt, so versehen sie noch immer ihre alten Posten, nur ist ersterer kahl und der junge Brittles grau geworden.

      Herr Karl Bates war durch das Entsetzen, das ihm Sikes Verbrechen eingeflößt hatte, auf den Gedanken gekommen, daß ein anständiges Leben am Ende doch das beste wäre. Er wandte deshalb dem Schauplatz seiner Vergangenheit den Rücken und nahm sich vor, einen ehrlichen Beruf zu ergreifen. Es kam ihm zwar anfangs hart an, aber nachdem er bei einem Bauern und einem Fuhrmann seine Lehrjahre bestanden, hat er sich auf den Viehhandel gelegt und ist einer der gewandtesten und lustigsten jungen Viehhändler von ganz Northamptonshire geworden.

      An dem Altar der alten Dorfkirche befindet sich eine weiße Marmortafel, auf der nur das einzige Wort – Agnes – eingegraben ist. Sie bezeichnet keinen Sarg, der darunter liegt. Doch wenn die Geister der Toten auf die Erde zurückkehren, um Stellen zu besuchen, die durch die


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