Die schönsten Kinderbücher (Illustriert). Гарриет Бичер-Стоу

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Die schönsten Kinderbücher (Illustriert) - Гарриет Бичер-Стоу


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Polizei befreite ihn rasch wieder. Er war ganz mit Blut und Dreck bedeckt und hängte sich an die Kriminalbeamten, als wenn sie seine besten Freunde wären. Die Leute hatten ihn mit den Füßen getreten, und die Weiber drohten ihm, das Herz aus dem Leibe zu reißen. Ich kann die Greifer noch sehen, wie sie in dem Gedränge der Menge kaum aufrecht zu stehen vermochten und ihn so zwischen sich hinschleppten!"

      Entsetzt saßen die Männer eine Weile schweigend da. Da hörten sie plötzlich auf der Treppe ein Trappeln, und gleich darauf sprang Sikes' Hund ins Zimmer. Von seinem Herrn war jedoch nichts zu sehen.

      "Was bedeutet das?" sagte Toby. "Er wird doch nicht hierherkommen wollen? Ich – ich hoffe nicht!"

      "Wenn das seine Absicht wäre, so würde er mit dem Hunde gekommen sein", meinte Kags und gab dem Hunde Wasser.

      "Er" – keiner nannte den Mörder bei seinem Namen – "er wird sich doch nichts angetan haben? Was meint ihr?" fragte Chitling.

      Toby schüttelte den Kopf.

      "Wenn das wäre", sprach Kags, "so würde uns der Hund an die Stelle führen wollen, wo er liegt. Nein, ich denke mir, er ist ins Ausland geflüchtet und hat den Hund zurückgelassen, sonst wäre das Tier nicht so ruhig."

      Der Hund kroch unter einen Stuhl, kauerte sich zusammen und begann zu schlafen.

      Da es dunkel geworden war, so wurde der Fensterladen geschlossen und eine Kerze angezündet. Die schrecklichen Ereignisse der zwei letzten Tage hatten auf sie einen mächtigen Eindruck gemacht, und die Unsicherheit ihrer eigenen Lage machte sie ängstlich. Bei jedem Laut fuhren sie auf und sprachen nur im Flüstertone. Sie hatten schon eine Weile ganz stumm dagesessen, als sich plötzlich ein lautes Klopfen an der Haustür vernehmen ließ.

      "Der junge Bates", meinte Kags.

      Das Klopfen wiederholte sich. Bates war es nicht, der hatte nie so gepocht. Crackit ging aus Fenster und steckte zitternd den Kopf hinaus. Er brauchte den andern nicht zu sagen, wer unten sei. Sein blaßgewordenes Gesicht sprach deutlich genug. Der Hund war im Augenblick wach und lief winselnd an die Tür.

      "Wir müssen ihn hereinlassen", sagte Crackit, nach dem Kerzenleuchter greifend.

      "Läßt sich's nicht anders machen?" fragte Kags mit heiserer Stimme.

      "Nein, wir müssen ihm öffnen."

      Crackit ging hinunter und kam mit einem vermummten Mann zurück. Es war Sikes. Er hatte tiefliegende Augen im erdfahlen Gesicht, eingefallene Backen und atmete kurz und schwer. Er griff nach einem Stuhl und setzte sich dicht an die Wand, so dicht, als es gehen wollte.

      Alle schwiegen, endlich fragte Sikes mit hohler Stimme:

      "Wie kam der Hund hierher?"

      "Allein. Vor drei Stunden."

      "Die Abendzeitungen schreiben, Fagin sei verhaftet. Ist es wahr oder gelogen?"

      "Wahr."

      Es folgte abermals eine Pause.

      "Geht zum Teufel alle miteinander!" schrie Sikes und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. "Habt ihr mir nichts zu sagen?"

      Sie wurden unruhig, aber keiner sprach.

      "Du, der du hier den Hausherrn spielst", sagte Sikes zu Crackit, "hast du die Absicht, dir die Belohnung zu verdienen, oder darf ich mich hier verstecken, bis die Verfolgung vorüber ist?"

      "Du kannst hierbleiben, wenn du es für richtig hältst", antwortete der Angeredete nach einigem Zögern.

      "Ist sie – sie – ist die Leiche – schon begraben?" fragte Sikes mit stockender Stimme.

      Sie schüttelten die Köpfe.

      "Warum nicht? Warum behält man so etwas Häßliches über der Erde? – Wer klopft da?"

      Crackit meinte, es wäre nichts zu befürchten. Er ging, um zu öffnen, und kam bald mit Karl Bates wieder. Sikes saß gerade der Tür gegenüber, so daß er dem eintretenden Jungen sofort ins Auge fallen mußte.

      "Toby", sagte Karl zurückprallend, als Sikes ihn anguckte, "warum habt Ihr mir das nicht vorher gesagt?"

      Der Mörder wollte den Jungen für sich günstig stimmen und streckte ihm die Hand entgegen.

      "Laßt mich in eine andere Stube gehen"; sagte Bates zurückweichend.

      "Warum, Karl?" fragte Sikes, auf ihn zugehend. "Kennst du – kennst du mich denn nicht?"

      "Komm mir nicht zu nahe!" schrie der Junge und wich wieder einige Schritte zurück. "Scheusal! Ungeheuer!"

      Der Mörder blieb stehen, und sie sahen sich gegenseitig an, doch Sikes konnte den Blick nicht aushalten und schlug zuletzt die Augen nieder.

      "Ich nehme euch drei zu Zeugen", schrie der Junge, die geballte Faust schüttelnd, in mächtiger Aufregung, "ich nehme euch drei zu Zeugen – ich habe keine Angst vor ihm – ich verrate ihn, wenn man ihn hier sucht. Das tue ich! Ich sage es frei heraus und mag er mich kalt machen, falls er den Mut dazu hat, wenn ich hier bin, verrate ich den Unmenschen. Ich würde ihn auch angeben, wenn er lebendig verbrannt werden sollte. Hilfe! Mörder! Wenn ihr noch richtige Kerle wäret und keine feigen Memmen, so würdet ihr mir jetzt helfen. Hilfe! Mörder! Schlagt ihn nieder!"

      Mit diesen Worten stürzte sich der Junge allein auf den großen, kräftigen Mann und brachte ihn durch die überraschende Schnelle und Heftigkeit des Angriffs zu Fall. Die drei Zuschauer waren wie vom Donner gerührt machten aber keine Miene einzugreifen. Der Junge wälzte sich mit dem Mörder auf dem Boden herum und schrie laut um Hilfe, doch war der Kampf zu ungleich, um lange zu währen. Sikes hatte Bates unter sich gebracht und setzte ihm das Knie auf die Kehle, als Crackit ihn zurückriß und bestürzt nach dem Fenster zeigte. Man sah unten auf der Straße Lichter schimmern und hörte laute Stimmen. Von der nächsten Brücke erscholl der Klang zahlloser Fußtritte. Unter der Menge, die über die Brücke quoll, schien sich auch ein Reiter zu befinden, denn der Schall von Huftritten ertönte auf dem holprigen Pflaster. Der Tumult wurde immer größer, schließlich wurde an die Haustür geklopft.

      "Hilfe!" schrie Karl Bates mit gellender Stimme. "Der Mörder ist hier! Schlagt die Tür ein!"

      "Im Namen des Königs!" wurde von draußen gerufen und gleich darauf erhob sich neuer Lärm.

      "Schlagt die Tür ein!" brüllte der Junge. "Man macht euch doch nicht auf. Kommt herauf ins Zimmer, wo Licht ist. Brecht die Tür auf!"

      Wuchtige Schläge donnerten gegen die Tür und die Fensterläden des Erdgeschosses, und ein lautes Hurra gab den Halunken im Hause zum erstenmal einen richtigen Begriff von der Anzahl der Verfolger.

      "Wo kann ich den schreienden Teufelsbraten einsperren?" schrie Sikes wütend und warf den zappelnden Jungen in eine kleine Kammer, die Toby aufgeschlossen hatte. Er schob den Riegel vor und fragte:

      "Ist die Haustür gut fest?"

      "Doppelt verschlossen und dreifach verriegelt", sagte Crackit, der wie betäubt dastand.

      "Und die Fensterläden?"

      "Gut gesichert."

      "Der Teufel soll euch holen!", brüllte der Verbrecher aus dem Fenster zur Menge hinab. "Strengt euch an, so viel ihr wollt, ich pfeife darauf, ihr kriegt mich doch nicht!"

      Ein Wutgeschrei der Volksmasse war die Antwort. Einige riefen, man solle Feuer an das Haus legen, andere schrien den Polizisten zu, den Mörder doch totzuschießen. Der Reiter schwang sich aus dem Sattel und rief mit Stentorstimme: "Zwanzig Guineen demjenigen, der mir eine Leiter bringt."

      Hunderte riefen nunmehr nach Leitern, und die Aufregung der immer größer werdenden Volksmasse wuchs zusehends. Einige der Kühnsten versuchten an der Wasserrinne und der zerbröckelten Wand hinaufzuklimmen.

      "Ich kam an, als es Flutzeit war", sagte der Mörder, nachdem er das Fenster wieder geschlossen hatte. "Gebt mir ein Seil – ein langes Seil. Ich werde mich hinten in den Graben hinunterlassen und entwischen. Sie sind ja alle vorn. Schnell ein Seil, oder ich begehe


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