Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May


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zweiten Band hat er mir wohl fünfundzwanzig versprochen. Ich denke, daß er Wort halten wird!«

      »Ich sehe allerdings, daß Sie sich wieder im Vollbesitze Ihrer Kräfte befinden. Halten Sie noch bis zum Abend aus; dann wird die Stunde der Erlösung geschlagen haben.«

      Er ging, und Robert wartete. Der Tag wollte ihm zur Ewigkeit werden. Endlich wurde es dunkel, und da kam die Krankenpflegerin, um ihm einige Packete hinzulegen.

      »Hier Ihre Kleider, welche Sie nun anlegen sollen, Herr Bertram!«

      Als sie sich entfernt hatte, stieg er aus dem Bette, um sich anzukleiden. Die Packete enthielten Alles zu einer feinen Gesellschaftstoilette Erforderliche. Wer war der Geber dieses theuren Anzuges? Jedenfalls der Fürst!

      Als Robert sich im Spiegel besah, erkannte er sich kaum selbst, so zu seinen Gunsten war er verändert. Und da wurde auch bereits die Thür geöffnet, und der Fürst trat ein.

      »Nun, mein junger Freund,« sagte er. »Ich komme, um Wort zu halten. Sie sollen endlich frei sein.«

      Robert war voll Dank gegen seinen Wohlthäter; aber dieser wies alle Danksagungen von sich.

      »Lassen wir das, mein Lieber,« sagte er. »Sind Sie bereit?«

      Draußen stand die Equipage. Sie stiegen ein. Als sie dann wieder ausstiegen, war es vor dem Hause des Obersten von Hellenbach, welches Robert ja kannte.

      »Hier?« fragte er. »Durchlaucht, was soll ich hier?«

      »Man hat einige Gäste eingeladen, und Sie sind dabei. Kommen Sie, Herr Bertram!«

      Er führte ihn die Treppe empor. Diener verbeugten sich respectsvoll. Robert befand sich wie im Traume. Der Fürst blieb vor einer Thür stehen und klopfte.

      »Hier herein,« sagte er. »Wir sehen uns nachher wieder.«

      Ehe Robert es sich versah, war er zur Thüre hinein geschoben worden, die sich hinter ihm verschloß. Er befand sich in einem reizend ausgestatteten Zimmerchen, welches ein lieblicher, feiner Duft durchwehte. Eine rosa Ampel erleuchtete den Raum auf magische Weise. Aus einem Fauteuil erhob sich eine wunderschöne Mädchengestalt. Er erkannte Fanny von Hellenbach.

      Von glühender Röthe übergossen, stand er da, ohne zu wissen, was er sagen sollte. Sie aber kam ihm freundlich entgegen und reichte ihm die Hand, die er nicht zu küssen, kaum zu berühren wagte.

      »Endlich!« sagte sie. »Willkommen nach so schweren Zeiten, Herr Bertram! Nehmen Sie auf einen Augenblick bei mir Platz. Die Eltern sind noch nicht disponibel.«

      Er trat zum Stuhle. Sollte er sich setzen? War es nicht besser, schnell fortzugehen, zu fliehen, weit, weit hinweg? Was sollte er hier? Er konnte die Gegenwart nicht fassen; er griff sich an den Kopf und blickte wie nach Hilfe suchend, umher.

      Sie verstand und begriff ihn. In unbeschreiblich mildem Tone, welcher ganz geeignet war, ihn zu beruhigen, sagte sie:

      »Ich habe heute eine Pflicht erfüllen wollen, Herr Bertram, eine Pflicht, welche ich nicht von mir weisen darf. Sie haben für mich gelitten; in diesen Räumen wurde Ihnen die Freiheit geraubt; hier soll und muß es auch sein, wo Sie sich derselben zuerst wieder erfreuen. Wir haben Sie verkannt; wir haben ein großes, ein schweres Unrecht an Ihnen verschuldet. Ich will die Erste sein, welche Sie um Verzeihung bittet. Können Sie mir vergeben?«

      Sie war zu ihm getreten und streckte ihm die Hand entgegen. Er ergriff dieselbe nicht. Er schüttelte mit dem Kopfe; er wollte sprechen, aber es ging nicht; er brachte kein Wort hervor; aber eine ganze Flut von Thränen brach aus seinen Augen hervor.

      Er stand auf und trat an das Fenster. Er mußte alle seine Kraft aufbieten, um nicht laut aufzuschluchzen.

      Was erblickte er? Da drüben stand das Haus, in welchem er gewohnt hatte. Da oben war das Fenster, an welchem er gestanden hatte, oft, wie so oft, um herüber zu blicken nach diesem Hause. Und jetzt?

      Da legte sich ein kleines, weiches Händchen auf seinen Arm.

      »Ja, weinen Sie, weinen Sie sich aus!« sagte Fanny. »Das Herz hat seine Rechte. Und dann kommen Sie durch diese Thür!«

      Sie öffnete eine Seitenthür. Ja, das war das Schlafzimmer, in welches er damals gestiegen war, um ihr zu Hilfe zu kommen. Da stand das jungfräuliche, blüthenweiße Bette, und hier der Pfeilertisch, an welchem er den Riesen überrascht hatte.

      Aber was sollte das? Sie, die Tochter des Freiherrn, lud ihn, den Sohn des Schneiders, in ihr Schlafzimmer! Einem Ebenbürtigen wäre dies nie widerfahren. Dies gab ihm sein Gleichgewicht zurück.

      »Erinnern Sie sich jenes unglücklichen Abends?« fragte sie.

      »Jeder Kleinigkeit, gnädiges Fräulein.«

      »Nun, so werden Sie mir nun auch sagen wollen, ob Sie mir verzeihen können.«

      »Was hätte Robert Bertram der Baronesse von Hellenbach zu verzeihen? Eine unglückliche Verkettung der Umstände ließ mich als Mitschuldigen erscheinen; jetzt ist der Irrthum aufgeklärt. Sie erdrücken mich mit Ihrer Güte!«

      Sie blickte ihm voll in das Angesicht.

      »Sie haben Recht,« sagte sie dann. »Ich denke, die Eltern werden bereit sein. Lassen Sie uns gehen.«

      Sie begaben sich miteinander nach dem Familienzimmer, wo sich der Baron und die Baronin befanden. Der Fürst war bei ihnen. Sie empfingen Robert mit großer Freundlichkeit. Er fühlte, daß es nicht leere Redensarten seien, die er in seiner einfachen, bescheidenen aber freien Weise beantwortete.

      Nach und nach stellten sich mehrere Gäste ein, welche sich erfreut zeigten, ihn zu sehen. Unter ihnen befand sich eine wunderbar schöne, nicht mehr sehr junge Dame. Sie ging ganz in Schwarz, und doch war es, als ob ein Licht von ihr ausgehe. Er konnte das Auge nicht von ihr wenden. Es war ihm, als ob er diesem Gesichte mit den weichen Zügen, diesen blauen, tiefen Augen und diesem reichen, goldblonden Haare bereits einmal begegnet sei. Er sann und sann, konnte aber zu keiner Antwort kommen.

      Es war die Baronesse Alma von Helfenstein.

      Später wurde die Thür zum Salon geöffnet. Da brannte ein reich ausgestatteter Christbaum, unter welchem Geschenke ausgebreitet lagen. Diese Letzteren waren für die Familienmitglieder bestimmt; aber doch lag auch für jede der anderen anwesenden Personen eine Gabe bereit.

      Da trat Fanny zu Robert.

      »Kommen Sie, Herr Bertram!« sagte sie. »Sollte das Christkind nicht auch an Sie gedacht haben? Darf ich Sie führen?«

      Sie nahm ihn bei der Hand und geleitete ihn dahin, wo ein in blauen Sammet gebundener Band lag. Auf der Außenseite war in Goldschrift zu lesen: »Heimaths-, Tropen- und Wüstenbilder von Hadschi Omanah, siebente Auflage.«

      Er war doch überrascht.

      »Bereits die siebente?« fragte er. »Diese Freude haben Sie mir gegönnt. Ich danke Ihnen!«

      Er reichte ihr die Hand; sie aber fragte:

      »Haben Sie diese Auflage bereits gelesen?«

      »Das war mir allerdings noch nicht möglich.«

      »So schlagen Sie schleunigst auf!«

      Er folgte dieser Aufforderung. Was war das! Auf dem Tittelblatte eine zusammengelegte Hundertguldennote, und zwischen den anderen Blättern je ein Zehnguldenschein. Er erbleichte. Sie Alle sahen es.

      »Was ist das?« fragte er.

      Sein Auge suchte mit einem beinahe vorwurfsvollen Blicke im Kreise umher. Da antwortete Fanny:

      »Sie dürfen es nehmen. Es ist Ihr wohlverdientes Honorar, um welches Sie beinahe betrogen worden wären. Da steht er, dem Sie diese Freude zu verdanken haben.«

      Sie deutete auf den Fürsten. Dieser trat herbei und zog ein Document hervor.

      »Hier der revidirte Verlagscontract zwischen Hadschi Omanah und der Firma Zimmermann! Sie waren krank, und so habe ich mich dieser Angelegenheit ein Wenig


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