Eine Frau von dreißig Jahren. Marie Louise Fischer

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Eine Frau von dreißig Jahren - Marie Louise Fischer


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in der Tür des Zimmers erschienen.

      Beim Abendessen gab es dann einen kleinen Zwischenfall, den Brigitte sofort zu überspielen verstand, der sich aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen tief in Verenas Gedächtnis einprägte.

      »Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn Michaela mit uns ißt …«, hatte Brigitte gefragt, als sie aufstanden.

      »Aber nein, natürlich nicht«, hatte Verena sofort versichert.

      »Weißt du, ich möchte, daß sie möglichst bald gute Tischmanieren …«

      Michaela, Brigittes kleine Tochter, hatte die ernsten braunen Augen ihres Vaters und die unscheinbare Haarfarbe ihrer Mutter geerbt, ihr Gesichtchen war blaß und spitz. Sie begrüßte Verena artig, doch ohne Fröhlichkeit, aß appetitlich, die Augen auf ihren Teller gesenkt, und versuchte in keiner Weise, sich in die Unterhaltung der Freundinnen zu mischen.

      Verena erzählte auf Brigittes Fragen von ihrer Arbeit in der Agentur, von Jochen Schmidts heutigem Besuch, den sie drollig ausschmückte, als sie Michaelas große Augen plötzlich auf sich gerichtet sah.

      »Na, Michaela«, fragte sie, »das interessiert dich wohl?« Michaela nickte stumm und eifrig.

      »Tu den Mund auf, wenn du gefragt wirst!« mahnte Brigitte.

      Michaela errötete.

      »Hast du dir denn schon überlegt, was du später einmal werden willst?« fragte Verena.

      Michaela schluckte. »Nein, noch nicht, Tante Verena.«

      »Oder willst du lieber heiraten?«

      »Nein, heiraten bestimmt nicht!« erklärte Michaela rasch und bestimmt.

      »Warum denn nicht?«

      »Verheiratet sein ist …«

      Hier riß Brigitte die Unterhaltung an sich, so daß Verena Michaelas letzte Worte nicht mehr verstehen konnte.

      »Diesen jungen Mann kenne ich, glaube ich«, sagte Brigitte, »aber ich wußte nicht, daß er Bücher schreibt!«

      Das Abendessen war ausgezeichnet: es gab mehrere Gänge, sie tranken eine gute Flasche Wein; das Mädchen im Spitzenhäubchen servierte rasch und geschickt. Es war ein richtiges kleines Festmahl, und Verena war der Ehrengast, wie Brigitte ihr mit jeder Geste zu verstehen gab. Wenn Verena dies alles auch ein wenig übertrieben, wenn nicht gar protzig fand, so vergaß sie doch unmerklich immer mehr ihre Alltagssorgen und fühlte sich gehoben und festlich beschwingt.

      Gleich nach dem Essen verabschiedete sich Michaela – mit einem artigen Knicks von Verena, einem flüchtigen Kuß von ihrer Mutter – und die beiden Damen gingen ins Wohnzimmer zurück, um dort eine Tasse Kaffee und einen Likör zu trinken. Verena fühlte sich satt und ein wenig faul, die Unterhaltung kam ins Stocken.

      »Sag mal, Verena«, begann Brigitte, »hast du nicht vorhin erzählt, daß Ina wieder mal läufig ist?«

      »Brigitte!« Verena richtete sich so rasch in ihrem Sessel auf, daß ihr Kaffee auf die Untertasse schwappte. »Wie kannst du …?«

      Brigitte lachte. »Nun … Ich finde das sehr treffend ausgedrückt.«

      »Ich möchte nur wissen, was du gegen Ina hast!«

      »Nichts … nicht das geringste!«

      »Warum redest du dann so über sie?«

      »War doch nur Spaß!«

      »Und warum lädst du sie nie ein?«

      Brigitte zuckte mit den Schultern. »Sie interessiert mich nicht, das ist alles.«

      »So? Und gerade hast du mich nach ihr gefragt!«

      »Deinetwegen, mein Schatz, nur deinetwegen!«

      »Reizend von dir«, entgegnete Verena, »klingt nur nicht ganz überzeugend.«

      »Ina ist für mich uninteressant!« erklärte Brigitte mit Nachdruck. »Sie gehört meines Erachtens nach zu den Frauen, die man nur akzeptiert, wenn sie im Schlepptau eines bedeutenden Mannes segeln!«

      »Natürlich, ich verstehe. Und der fehlt Ina. Ich will dir mal was sagen, Brigitte …du bist ein gräßlicher Snob!«

      »Ina war mal ein reizendes junges Mädchen, das will ich gar nicht leugnen«, fuhr Brigitte nachdenklieh fort, »aber sie hat es nicht verstanden, aus ihrem Leben etwas zu machen … und jetzt ist sie einfach passé!«

      »Wie kannst du nur so hart sein!«

      »Ich habe nie begriffen, wieso du dich ausgerechnet mit Ina zusammentun konntest!«

      »Ich mag Ina …«

      »Wird mir ewig unbegreiflich bleiben … Ich bewundere es restlos, wie du es fertigbringst, ihre ewigen unglückseligen Verliebtheiten zu ertragen!«

      »Sei doch gerecht, Brigitte! Für eine Frau unseres Alters ist es doch nur natürlich, sich nach Liebe zu sehnen!«

      »Natürlich wäre es für uns, nackt in Höhlen zu hausen und auf allen vieren zu kriechen!«

      »Du lieber Himmel!«

      »Nun mach nicht so ein Gesicht, Verena. Du brauchst dich doch nicht verletzt zu fühlen!«

      »Ich bin der Ansicht, du hast kein Recht, über Ina den Stab zu brechen«, antwortete Verena böse. »Daß du eine verheiratete Frau bist, gibt dir nicht das Recht …«

      »Verzeih, Verena«, sagte Brigitte rasch, »bitte, verzeih! So habe ich das alles nicht gemeint, ich habe nur so dahergeredet!«

      »Na schön.«

      »Wirklich. Es ist doch zu blöd, daß wir beide uns jetzt ausgerechnet Inas wegen streiten müssen!«

      »Du hast angefangen …«

      »Mea culpa, ich weiß … Sei nicht mehr böse, Verena, ja?«

      »Bin ich doch gar nicht!« murrte Verena, schon wieder besänftigt.

      »Weißt du, was?« rief Brigitte. »Ich habe eine Idee! Wollen wir nicht eine Partie Schach miteinander spielen? Wie in alten Zeiten?«

      »Nur zu! Los, hol das Brett! Verlaß dich drauf, ich werde dir deinen Hochmut bald ausgetrieben haben!«

      Je weiter der Abend fortschritt, desto unruhiger wurde Verena. Es drängte sie aufzubrechen, noch bevor Georg kam. Sie fürchtete, daß er sich anbieten würde, sie nach Hause zu bringen; und eine Fahrt durch die nächtlichen Straßen, allein mit Georg in der intimen Enge seines Wagens war mehr, als Verena ihren Nerven heute noch zumuten mochte.

      Vergebens versuchte Brigitte sie zu halten.

      Als sie dann endlich auf der Straße stand, fühlte sie sich befreit, wie einer tatsächlichen Gefahr entronnen, obwohl sie sich gleichzeitig darüber klar war, daß ihr diese Gefahr nicht von Georg drohte, nicht aus äußeren Umständen erwuchs, sondern einzig und allein in ihren eigenen Gefühlen bestand, die sie nicht abzuschütteln vermochte wie man ein abgetragenes Kleid weglegt.

      Es hatte aufgehört zu regnen, noch stand kein Stern am Himmel, aber die Luft war von seltener Reinheit. Das nasse Pflaster schimmerte im Schein der Straßenlaternen, und Verena war froh, daß sie zu Fuß nach Hause gehen konnte. Sie fühlte sich auf diesem einsamen nächtlichen Gang glücklich und ängstlich zugleich, wie ein Kind, das die Schule schwänzt.

      Ina schlief schon, als sie ins Schlafzimmer kam, ihre blonden Löckchen waren zerzaust, ihr rundes Gesicht wirkte auf eine merkwürdige Weise kindlich und doch welk. Verena zog sich rasch und lautlos aus und versank, ehe sie noch die Erlebnisse des Tages überdenken konnte, in einen tiefen traumlosen Schlaf.

      Am nächsten Morgen kam es zu keinem Gespräch zwischen den beiden Freundinnen; sie hatten das Klingeln des Weckers überhört und mußten sich, endlich erwacht, sehr beeilen, um rechtzeitig an ihren Arbeitsplätzen zu sein.

      Verena stürzte sich mit geradezu


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