Heimliche Ehe. Rudolf Stratz

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Heimliche Ehe - Rudolf Stratz


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und stillschweigen! Da kennst du sie flach! — ? Mutter kann nichts bei sich behalten. Sie ist viel zu gut. Sie traut allen Menschen und vertraut ihnen blindlings alles an!“

      „Ich danke.“

      „Sie würde sofort geheimnisvolle Andeutungen machen — bei Tanten und Verwandten . . . ‚Kinder — wenn Ihr wüsstet!‘ — und ihre Sorge um unseren Streich unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihren Freundinnen beichten! Und in kurzem Weiss es Gott und die Welt, und Fräulein Meinhold erfährt es, die Direktorin — na — und alles Weitere kann man sich ja denken!“

      „Schrecklich mit so alten Damen . . . “

      „Du wirst Mutter nicht ändern! Nachher erinnert sie sich gar nicht, wem allen sie’s erzählt hat, und stellt es entrüstet in Abrede! Nein – da muss man schweigen, wie das Grab! Und wenn einem das Herz blutet.“

      Beide waren blass und ernst. Alfred Giebisch nickte entschlossen.

      „An sich wäre die Chose auf die Weise furchtbar einfach! Du bleibst bei deiner Mutter wohnen und ich bei meinen Eltern. Wir brauchen keinen Pfennig für Wohnung und Aussteuer und Möbel, auch wenn ich abgebaut werde. Du behältst deine Stellung. Und zwei Tage fast in der Woche — da haben wir uns, Änne!“

      „Hier im Häuschen . .“

      „Das ist doch alles so furchtbar einfach!“

      „Aber wenn es herauskommt — dann bin ich perdü!“

      „Es darf eben nicht herauskommen!“ Alfred Giebisch riss zornig einen Schilfkopf vom Stengel, betrachtete ihn aufmerksam und warf ihn weg.

      „Das sagst du so!“

      „. . . wenigstens so lange nicht herauskommen, bis ich eine seriöse Position hab’ und dich ernähren kann! Das kann über Nacht kommen, auch ohne dass ich zu meinem grossen Schwager Vögeding lauf! So gut, wie der mit Geduld und Spucke — na — eigentlich über Nacht — von einem kleinen Mann zum Reichmeier geworden ist, so sicher werd’ ich auch ’mal Millionär! Wetten dass . . . ?“

      „Ach – lass nur jetzt die Zukunftsmusik – ja?“

      Alfred Giebisch legte Änne leise die Hand auf den blossen Scheitel.

      „Ich will dich nicht drängen, Änne!“ sagte er weich. „Die Entscheidung steht bei dir!“

      „Und die Verantwortung!“

      „Die trage ich mit dir! Sage ja oder nein — ich werde tun, was du willst! Aber wenn es geschehen soll, dann nicht erst lange gefackelt! Dann gleich! Das Warten hat gar keinen Zweck!“

      Er liess Änne stehen und ging zur Seite. Er hatte nur ein paar Schritte getan, da hörte er hinter sich laufen. Zwei weiche Arme schlangen sich um seinen Hals. Er sah in ein blasses, tränenbeperltes, glückselig lachendes Gesicht.

      „Änne — wollen wir . . . ?“

      „Ja.“

      „Heimlich?“

      „Ja! Ja! Ja! Wir riskieren’s! Jch hab’ dich zu lieb!“

      3

      Ein paar Studen später war die Landstrasse nach Berlin eine einzige kilometerlange Staubfahne. Die sinkende Sonne schien rötlich durch die grauen Schleier. In ihnen hupten die Autos, knatterten die Krafträder, bimmelten die Radler. Seitlings zogen die Wandervögel, die Familien, die Vereine. Dann stockten die Kolonnen, geblockt vom Anprall eines Kühlers an den Tank vor ihm. Alfred und Änne standen neben ihrem Rad in einem heissen Brodem von Staub, Schweiss, Benzin, Zigarren. Er entzündete, jetzt vom Sturzhelm bis zu den Schnürschuhen in dattelgelbem Sportleder, eine Zigarette zwischen den zusammengepressten Lippen.

      „Also es bleibt dabei, Änne: Wenn schon, denn schon! Ohne langes Gefackel! Wir heiraten gleich!“

      „Ja. Wir wollen doch den Sommer draussen nutzen!“ sagte Änne. Sie sah jetzt, mit der grossen Brille vor den Augen, fremdartig und hochmütig aus, streng wie eine Lehrerin. Das Schwarz der Brille machte ihre schmalen Wangen blass. Sie vertrat sich die steifgewordenen Beine, die in Breeches und Wickelgamaschen staken, passend zu dem hochgeknüpften Lederjäckchen und der Lederkappe.

      „Morgen vormittag, Änne, geh’ ich zu dem Standesbeamten! Der Onkel traut uns mit Wonne!“

      „Du — aber wir sagen’s wirklich keinem Menschen!“

      „Keiner Seele! Das heist: wart’ einmal! Zwei Trauzeugen brauchen wir doch!“

      „Um Gottes willen — wen denn?“

      „Wozu hat der Mensch Brüder? Den Friedrich habe ich hier sofort in Berlin greifbar! Den stökere ich jetzt gleich ’mal in seinem Photographenatelier drinnen auf!“

      „Und der Bruno?“

      „Dem schreib’ ich auf seine Gutsstelle in Holstein, dass wir seinerzeit hier auf ihn rechnen! Der Oberinspektor beurlaubt ihn schon für einen Tag von seinen Kühen und Schafen! Er kann ihm sagen: ’ne olle Erbtante sei abgekratzt..“

      „Dass der Bruno es nur nicht als Junggeselle zu leicht nimmt und etwas ausschwasst — von unserer heimlichen Ehe!“

      Der Studienreferendar brachte die beiden Schicksalsworte aufgeregt und geheimnisvoll, mit schwankender Stimme über die Lippen. Ihr Bräutigam legte ihr die hand auf die Schulter.

      „Der Bruno! Der nimmt doch das Leben so Ernst! Er und seine jungen Leute vom Lande da oben starren ja von Grundsätzen. Der gibt sein Ehrenwort und schweigt sich aus! Und der Friedrich auch!“

      „Eben wird der Weg frei!“

      „Vorwärts! Aufgesessen!“

      Das Gerolle und Gestrampel und Getute wälzte sich weiter, achtlos an dem seitlings auf das Feld geschobenen blessierten Wagen vorbei, nach Berlin. Berlin riss seinen Rachen auf. Berlin verschluckte hungering die heimkerenden Millionen. Alfred Giebisch und Änne Bender sausten mit vorgebeugten Köpfen und hämmernden Herzen und einem feierlichen, beklommenen Lächeln auf den blassen Gesichtern wie Goldaten vor der Schlacht, im Gewühl der Unzähligen, in Donner und Glut Berlins hinein. Nahe dem Brausen und Tosen des Alexanderplatzes lud er in einer kleinen Seitenstrasse den blonden Sozius vor einem Mietshaus ab.

      Sie standen am Haustor, die Hände ineinander, und schauten sich stumm ins Gesicht und küssten sich mit den Augen. Überall in den Hausgängen und Höfen standen jetzt in der Dämmerung die Paare, die Strasse entlang, in ganz Berlin, in Deutschland, auf der ganzen Welt.

      „Ich töffe nachher noch ’mal rasch wieder hierher zurück und melde dir, was der Bruder gesagt hat!“

      Alfred Giebisch knatterte davon. Hoch im Norden, in der Welt der Fabriken, legte er im Flur einer Miestkaserne die Sicherheitskette vor sein Rad und stieg die ausgetretenen Treppen empor, vier Stockwerke hoch, bis zu einem Schild: Friedrich Giebisch, Photograph..

      „Ist er zu Hause, Linda?“ Er gab der jungen Frau, die auf sein Klingeln öffnete, die Hand. Sie sah in dem Zwielicht wie ein schlankes, langes Gespenst aus, in dem weissen Leinenkittel vom Hals bis fast zu den Knöcheln. Sie gähnte und hielt, ihre Rechte in seiner, die tadellos manikürte, langfingerige weisse Linke vor den etwas grossen und etwas rot getönten Mund.

      „Na klar! Als Photograph — bei dem Prachtwetter!“ Sie hatte eine helle, schnelle Berliner Stimme. Berlinisch intelligent, mit beweglichen braunen Augen, war auch ihr sehr hübsches, schon etwas faniertes und leicht gepudertes Gesicht. Es paste sich, mit der langen, geraden ein wenig nach den Sternen gerichteten Nase, den hochangestetzten Nasenflügeln, der kurzen Oberlippe und schnippisch gerundeten Unterlippe dem neuen mondänen Typ der Modeblätter an. Das kurze Braunhaar wellte sich sorgfältig onduliert um die kleinen, von falschen Riesenperlen umpendelten Ohren. Sie ging, mit der Uebung eines Empfangsfräuleins, dem Besucher durch das dürftige, dämmernde Vorstadt- Atelier voraus und rief:

      „Du, Fritze! Der Alfred ist gekommen!“

      „Er


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