Heimliche Ehe. Rudolf Stratz

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Heimliche Ehe - Rudolf Stratz


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mit ihren Geldforderungen gequält. Für aussichtslose Sachen gibt Otto nun mal nichts! Dazu ist er zu sehr Geschäftsmann!“

      „Ich will ihn auch gar nicht anpumpen!“

      „Gott sei Dank! Dass ich die Eltern besuche und aus meiner Kasse unterstütze — dagegen hat der Otto ja nichts. Nur er will ungeschoren sein! Heute ist er leider Gottes noch ungemütlicher als sonst! Erstens hat er grässlichen Ärger im Geschäft, so das ser aus heiler Haut mit dem Nachtschnellzug nach Hamburg muss, und zweitens seit einer Stunde auch noch plötzlich Zahnweh. Ich warne Neugierige, Alfred!“

      „Ich kann ihm nicht helfen! Nun bin ich schon mal da!“

      Die junge Frau lachte plötzlich leise. Es belebte ihr sanftes Gesicht. Sie sah viel hübscher aus. Nur unter den langen, dunklen Wimpern blieb der resignierte Ausdruck der Augen.

      „Worüber amüsiert du dich denn, Käte?“

      „Heute nachmitttag hab’ ich euch, vom Auto aus, auf der Spazierfahrt mit Otto, auf der Chaussee gesehen!“ sagte die Schwester. „Ihr standet neben eurem Verhältnisrad. Du — die ist ’mal nett! Ich gratuliere!“

      „Ein herrliches Mädchen . . . “

      „Ihr habt’s gut! Ihr seid frei!“ Käte Vögeding wandte den dunklen Bubischeitel nach der Türe. Ein achtjähriger, kleiner, blauer Matrose rannte rabiat über die Schwelle, das Fräulein atemlos hinter ihm her.

      „Ungebärdig ist er wieder, gnädige Frau! . . . Er sollte ja längst im Bett sein! Aber der Herr Doktor kann sich ja nicht von ihm trennen! Hermännle — sag’ schön gute Nacht!“

      „. . . auch dem Onkel Alfred da!“ mahnte die Mutter. „Das ist ein wirklicher Onkrl!“

      „Kommste aus Amerika, Onkel?“ Das Hermännle sass auf Alfreds Knien. „. . . . weil du noch nie da warst . . . “

      „Ich komme von weit — weit her — aus Berlin!“

      „Haste mir nichts mitgebracht?“

      „Das nächste Mal! Meine Koffer sind noch nicht da!“

      „Biste vorausgeflogen? . . . Au fein! Der Pappi fliegt auch bald ’mal mit mir! Pappi! Pappi! . . . “

      Das Hermännle glitt von den Knien des Gastes herunter und stürzte nach der Portiere zum Nebenraum. Sie wurde mit zwei heftigen Rucken nach rechts und links geteilt. Otto Vögeding stand auf der Schwelle, ein gedrungener, breitschulteriger Vierziger, mit einem Ansatz zum Embonpoint, grosse Glatze, die Zigarre schief im Mundwinkel, Ungeduld auf dem glattrasierten, rötlich gedunsenen Gesicht mit der energischen, kurzen Nase und den starken Kiefern.

      „Wo bleibt denn zum Kuckuck ver Wagen, Käte? Ich werde mit der ewigen Bummelei von dem Krause noch den Zug versäumen!“

      „Du hast noch reichlich Zeit, Otto!“ sagte Käte Vögeding leise und scheu. Sie stand auf. Ihr Mann duckte sich in den Knien. Plötzlich strahlten seine herrischen Züge. Er breitete die Arme aus und fing das herantrabende Hermännle auf und schwenkte es begeistert hoch in die Luft und betrachtete es liebevoll von unten.

      „Wo ist denn mein Kommerzienrätle — wo ist es denn?“

      „Alleweil hoch über den andern, Pappi!“

      „Erst kommt wer?“

      „Ich!“ krähte das Hermännle aus der Höhe.

      „Und dann?“

      „Lange nix!“

      „Recht so! Du bist mein Kommerzienrätle!“

      „Er verzieht den Jungen masslos!“ sagte die junge Frau zu ihrem Bruder. „Ich kann nichts dagegen machen. Ich bin die reine Nebenfigur.“

      Das Hermännle verschwand geräuschvoll an der Hand der Houvernante. Otto Vögeding blickte ihm zärtlich nach und griff sich dann an die Backe.

      „Das Zahnweh wird immer toller! Natürlich ausgerechnet am Sonntagabend, wo weit und breit kein Zahnarzt — und wenn — nee — muss der Mensch auch noch gerade die Nacht durch nach Hamburg! Wenn sie mich dort morgen in der Sitzung belämmern . . . “

      „Dich, Otto?“ Die junge Frau lächelte nur bei dem Gedanken.

      „. . . dann ist mein hohler Zahn daran schuld!“ Otto Vögeding sah jetzt erst, dass noch ein dritter in dem dämmerigen Zimmer war. Er runzelte die Stirne. „Wen hast du den da, Käte?“ Er trat forschend mit schweren Schritten, die Zigarre in der Hand, näher. „Kenn’ ich ja gar nicht!“

      „Doch, Otto!“ sagte seine Frau bittend und ängstlich.

      „. . . und beinahe zu nachtschlafender Zeit . . . da bin ich doch neugierig!“

      „Mein Bruder Alfred. Du hast ihn vier Jahre nicht gesehen, Otto! Ich weiss: Es ist dir nicht recht! Aber er hat sicher etwas sehr Dringenes. Er will kein Geld, Otto!“

      „Ist er krank?“

      „So seh’ ich aus!“ Alfred Giebisch’ braunes Gesicht lachte über dem grauen Sonntagnachmittagsanzug.

      „Krank? Wieso — Otto?“

      „Na — ’n Giebisch, der kein Geld will!“ Otto Vögeding zuckte freundlich-brutal die Achseln. Er setzte sich, steckte die Hände in die Hosentaschen und streckte die Beine aus. Dann musterte era us seinen kleinen, hellgrauen Augen, unheimlich-gemütlich lächelnd, den Schwager.

      „Na — nimm schon Platz! Du siehst merkwürdig ansändig aus — für einen Giebisch!“

      „Otto . . . “

      „Na ja, Käte! Segen, dass ich auch bei Zahnweh sonniger Laune bin!“ Otto Vögeding sah nach seiner Taschenuhr. „Zehn Minuten hab’ ich Zeit! Nicht ’ne Sekunde länger . . . Betörend wirkt der Knabe! Findest du nicht auch, Käte?“

      „Ja. Aber spiele nicht mit ihm, wie der Kater mit der Maus! Ach — ich kenn’ dich doch, Otto!“ Käte Vögeding sagte es gepresst und schnell und ging leise aus dem Zimmer. Ihr Mann seufzte.

      „So wird man verkannt! Sogar von der eigenen Frau! Dabei bin ich ’n Mensch wie ’n Kind. Nur das eine: Ich bin Patentvertreter! Das weisst du.“

      „Ein ganz grosser sogar!“

      „. . . und nicht ’n Anwalt für finanzielle Schwulitäten kleiner Leute! Verstanden — ja?“ Es klang kurz und scharf. „Nicht so ’ne Pumpstation, wie auf den Dörfern, wo jeder kommt und seinen Tank — will sagen seine Taschen füllt! Das voraus — in aller Freundschaft! Nun schiess also los!“

      7

      Der Patentvertreter Otto Vögeding sass und drehte in den Tiefen seines Klubsessels die Daumen über der gewölbten Weste, die Zigarre schief zwischen den sarkastischen Lippen. Seinem Gast hatte er nichts zu rauchen angeboten. Der junge Mann langte sich aus dem Kasten eine Zigarre, entzündete sie und began zwischen den ersten Zügen:

      „Offen gestanden, Schwager: Du bist mir ein Rätsel! Das wollte ich dir schon lange ’mal bei Gelegenheit sagen! Du bist ja reineweg mit Blindheit geschlagen! Merkst du den das nicht?“

      Otto Vögeding nahm überrascht die Havannah aus dem Mund und schaute sein Gegenüber so schweigend und aufmerksam an, wie ein Irrenarzt einen bedenklichen patienten!

      „Höflich ist es ja nicht von mir, dir das so unumwunden zu Gemüt zu führen. Aber du bist ja ein Mann, der die Wahrheit verträgt!“

      „Immer munter so weiter!“ sprach der hausherr.

      „Du giltst doch für so smart! Vor zehn Jahren noch ein kleiner Rechtsanwalt ohne Kundschaft! Und jetzt . . . “

      Otto Vögeding griff nach dem Telephon neben ihm, horchte hinein und sagte gleichgültig in den Trichter:

      „So? Eben kabeln die Amerikaner, dass sie in den Patentsachen von Wieses Erben nicht nachgeben? Schön.


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