Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525. Rudolf Stratz

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Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525 - Rudolf Stratz


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Angesichts einen steinernen Wassertrog auf Stangen davon und zankten sich Weiber um die Chorhemden, aus denen sie sich Schürzen zu schneiden gedachten. Die zerrissenen Briefe und Urkunden des Rentamts bedeckten wie ein Schneegestöber den Hof, und im Keller stand schuhhoch der Wein, der den zerschlagenen Fässern entronnen war. Betrunkenes Volk stapfte und plätscherte bei Fackelschein in der goldigleuchtenden Flut, die den Raum mit betäubendem Dunst erfüllte, und beugte sich nieder, den Wein mit der Hand in den Mund zu schöpfen oder in Näpfen und Kesseln auf die Gasse zu tragen.

      Dort scharte sich johlend und jubelnd das Volk, Weiber und Kinder, um die Brandmeister, die den Beuteschatz des Schlosses, Silber, Leinwand und Hausgerät, unter den armen Konrad verteilten, und gellend klang das Spottlied:

      „Essen, Trinken, Schlafengan,

      Kleider aus und Kleider an,

      Ist die Arbeit, so die Deutschherrn han!“

      Ernster aber ging es im Städtlein selbst zu. Dort rüsteten sich die wehrhaften Männer, um zu dem grossen Heer der Odenwälder und Neckarbauern zu stossen. Sie stellten sich in Reih’ und Glied, sie hoben ihr Banner mit der aufgehenden Sonne und der Umschrift: „Wer frei will sein, der zieh’ zu diesem Sonnenschein!“ und von einem Stein herab, neben dem die Pechkessel und das Brandgerät zum Einäschern der Burg schon bereit lagen, predigte der Schweineheinz von Krebsbach den Aufruhr.

      „Fahrt an, christliche Brüder!“ gellte seine heisere Stimme. „Wetzet die Waffen! Dran, dran, dran, weil das Feuer heiss ist! Lasset euer Schwert nicht kalt werden von Blut! Schmiedet Pinkepank auf dem Amboss Nimrods. Stellet euch fürwahr männlich und werfet den Turm zu Boden! Fresset den Pfaffen das Köstlichste aus den Speisekammern und saufet den Wein aus Gelten und packet die Schmerbäuche alle beim Grind! Und lasset euch von den Junkern nicht mit Affenschmalz bestreichen, sondern rucket ihnen die festen Häuser herum und schreiet: ‚Hier steht der arme Konrad mit Grund und Boden und sonst kein Herr!‘“

      Weiter und weiter ritt Herr Felix den schmutzigen, vielgewundenen Pfad längs des Neckars dahin, zuweilen zum Schwerte greifend und sein Pferd spornend, wenn wiederum mit Trommelschlag und aufgerecktem Bundschuh, den Pfarrherrn an der Spitze, ein Bauernhaufe des Weges zog.

      Schon senkte sich die Abenddämmerung hernieder, da machte er an einer Biegung halt. Dort, jenseits des brombeerumrankten Hügels, der an dem Fluss vorsprang, musste sich, von steiler Felswand auf die blauen Neckarwellen niederschauend, erheben, was von Trughof noch übrig war.

      Jawohl! Da ragte noch der Bergfried in das lichte Blau des Abendhimmels, ein brandgeschwärzter, unwirscher Geselle, um den sich, an zwei Stellen vom Bundesgeschütze niedergelegt, die Mantelmauer krümmte. Über ihr starrten einige verkohlte Sparren und Balken in die Luft. Mehr als das und ein Haufe von Schutt und Asche war von dem Wohnhaus, den Stallungen und Kammern nicht übrig geblieben. Auf den zersprungenen Ziegeln und Holzsplittern, den Steintrümmern der Mauer sprosste das junge Gras und webte seinen lichtgrünen Teppich über den Hof bis zu dem gähnend offenen Burgtor. Die schweren Eichenbohlen, die es einst schirmten, mochten wohl flussabwärts geschwommen sein, und in dem Lehmboden davor zeichneten sich die Spuren des Wildes ab, das vor Sturm und Regen in dem verlassenen Gemäuer seinen Unterschlupf suchte. Um den Bergfried schwärmten die Krähen. Drohend, als wollten sie den Gast verscheuchen, klang das Geschrei der dunklen Wolke, die über der Burg ihren allabendlichen Massenflug abhielt.

      Ritter Felix hatte sein Ross in den Trümmern des Hauses angepflöckt, da, wo noch ein Stück des einstigen Stalles aufrecht stand und vor Nachtfrost und Wölfen Schutz bot, und mit seinem Dolche Futter von dem Grase geschnitten, das üppig genug in seiner Stammburg gedieh. Nun klomm er vorsichtig zu dem hoch über dem Boden gelegenen Eingang des Bergfrieds empor. Dort in dem dicken Gemäuer wollte er, den Himmel hoch über sich, die Nacht rasten.

      Eine wilde, zornige Traurigkeit erfüllte ihn. Wie war das alles zerstört und verwüstet von denen, die stärker waren als er! Seit undenklichen Zeiten hatte sein Geschlecht hier gehaust, frei und kühn wie die Bergfalken, die hart daneben an der Steinwand nisteten, und wie alljährlich neue Falken aus ihrem Reisiggestrüpp auskrochen und schrillen Schreies über das Flusstal hin auf Raub strichen, so, schien es, sollte auf ewig die Sippe der Trugenhoffen vom ragenden Felsen herab auf Welt und Menschen niederschauen.

      Und nun sass er, ein Bettler, als der Letzte seines Stammes, in der zerstörten Burg ...

      Wovon sie wieder aufbauen? Und wenn es ihm gelang, was half’s? Die neue Zeit war da. Stärker als die dickste Mauer war das Pulver, und gewaltiger als der Ahnen Lehre und Beispiel der tiefe, sehnsüchtige Drang da innen: Heraus aus den unwirtlichen, windumpfiffenen Raubnestern! Lieber tot, als solch ein Leben voll endloser Fehden und Völlerei, Speere brechen, Herden wegtreiben und Wanderer brandschatzen — hin und her in deutschen Landen, — ohne Zweck und Ziel — bis der Tod die krausen Händel endet!

      Aber wohin? Dem Fürsten am Hofe dienen als geschmeidiger Knecht? Nein, die Heerfolge stand einem Mann von freiem Adel an, nichts weiter! Den Kaufherren gleich werden und mit dem Ellenmass den Samt messen ... Ritter Felix griff, wie um einen Schimpf abzuwehren, an sein Schwert. Oder als Pfaffe dem Himmel dienen und dem Weib entsagen? Der Trugenhofer schaute trotzig lächelnd auf den Neckar herab, und seine Lippen murmelten es wieder: „Wann der Neckar bergaufwärts fliesst und über ihm die Sonne gen Osten läuft, zur selben Stunde will ich lassen von Madlene, meines Feindes Hausfrau!“

      Kein Fürst, kein Pfaff, kein Bürger, dann — dann müsste ein Armer vom Adel zum Bauern werden, mit den Haufen wandern, die unzählbar wie die Bienenschwärme auf Tal und Höhen summten und die grossen Herren landflüchtig aus Palästen und Abteien trieben!

      Unten im Hofe regte sich etwas. Leise Schritte stapften über das Gras. Eine dunkle Gestalt hob sich im Dämmerlicht undeutlich ab. Der Ritter nahm sein Schwert zur Hand. „Wen sucht Ihr?“ rief er aus dem Bergfried herab.

      „Den Felix von Trugenhoffen,“ klang halblaut die Stimme des Fremden dagegen.

      „Woher wisst Ihr, dass er hier ist?“

      „Ich hab’ ihn in Gundelsheim gesehen, als ich mit Jäcklein Rohrbach, Uz Entenmaier und dem Flammenbäck beisammen war!“

      „So seid Ihr ein Bauernhauptmann?“

      „Das bin ich!“

      „Seid Ihr ein Mann oder mehr?“

      „Ein einziger Mann! Lasst mich zu Euch aufsteigen, Felix!“

      „Wer seid Ihr, dass Ihr mich beim Namen nennt?“

      „Einst Euer Freund und Bruder! Antonius Eysenhut, der Leutpriester zu Eppingen, jetzt des freien Kraichgauer Haufens Gewaltiger und Hauptmann!“

      „Antonius Eysenhut!“ Ritter Felix eilte herab und trat dem Fremden in dem Hof entgegen.

      Ein hageres Schwärmerangesicht, von blondem Vollbart und langen blonden Haarsträhnen umrahmt, von dunkelblauen, fanatisch leuchtenden Augen überglüht, so stand der schmächtige Mann da und begrüsste mit hartem Händedruck den Freund. „So sehen wir uns wieder, Bruder Felix!“ sprach er. „Zwei Gute von uraltem Adel, die als Buben in der Klosterschule von Kron’ und Landen träumten, und nun du ein geächteter Heckenreiter, ich ein entlaufener Pfaffe, und doch reicher als meine Feinde zumal. Denn mein ist die Zukunft!“

      Der von Trughoffen liess sich neben dem anderen auf die Steintrümmer nieder. „Bist also auch in der Bauern Brüderschaft eingetreten?“ fragte er finster.

      Pfaff Eysenhut schaute ihm ins Gesicht. „Mondelang,“ sprach er langsam und feierlich, „hab’ ich in Wahrheit in grosser Angst und Bekümmernis keinen Schlaf getan, bis dass das Wort des Herrn und Martin Luthers, seines Knechtes, hell in mir erstand!“

      „Ist schon mancher lutherische Geselle eines Hauptes kürzer geworden!“ meinte Ritter Felix kopfschüttelnd.

      „Seitdem sind wir, meine Brüder im Geiste und ich, im Lande umgezogen, gleichwie die Krähen in der Luft, wohin uns Gottes Wille weist. Und sieh: das Samenkorn sprosst auf! Allenthalben klingt es: ‚Brüder, es will sich der Bundschuh regen,‘ und sammeln sich die christlichen


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