Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525. Rudolf Stratz

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Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525 - Rudolf Stratz


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getrost wider die Bauern und verseht euch dort eurer Viktorie. Mich habt ihr ja schon dargestreckt und still und stumm gemacht bis auf die Sterbenszeit!“

      Die Brüder sahen sich an. Es war ihnen beklommen zumut. Jörg Heinrich versuchte zu scherzen. „Ich fürcht’ mich vor den Bauern!“ klagte er weinerlich. „Ich besorg’, sie tun mir was zuleid. Musst dann um uns weinen, Madlene!“

      Sie schüttelte den Kopf. „Für euch wären meine Augen trocken!“ sagte sie laut und langsam. „Ihr habt mir mein Leben genommen. Mögen andere eures nehmen. Da bin ich nicht davor und möchte keinen Finger rühren. Es ist eins wie ’s andere: Mir nicht zulieb und nicht zuleid. Ihr seid mir fremde Leute!“

      Eine Weile herrschte dumpfe Stille. „Solch Art hat es also um unsere Schwester!“ murmelte endlich Hans Daniel. „Wann freilich das eigene Geblüt einem den Tod an den Hals hängt, wie der Katze die Schellen ...“

      Ein rauher Bass unterbrach ihn. „Kommt!“ gebot Herr Wolfgremlich finster. „Ich mag nichts mehr hören! Tut euch in den Sattel!“

      Ohne Gruss stiegen sie die Treppe hinab in den Hof. Der alte Rebenkönig schaute ihnen unter der Pforte nach, wie sie längs der Hügel durch die weissdampfenden Nebel dahinritten.

      „Wo solch ungereimte Sachen in einem Geschlecht vorfallen,“ sagte er nachdenklich zu einem weisshaarigen Reisigen neben sich, „ist’s ein gewisses Zeichen, dass es zugrunde geht oder doch am nächsten dort vorbei. Denn wo’s solche Händel hat, das sind die Vorboten!“

      Der andere nickte: „Wann ein Unfall über ein Geschlecht soll gehen, so geschieht’s und ist mit einem Stück nicht ausgerichtet, sondern es folgt je eins zum andern ...“

      Als die Hähne krähten und die Sonne im Tau des Grases glitzerte, ward es unten im Dorf lebendig. Das zitterige Glöcklein liess wie alle Tage bisher seine Sturmschläge vernehmen, zwei eintönige Schläge, die wie ein fortgesetztes „Bundschuh!“ — „Bundschuh!“ über die dampfenden Äcker, den im Frühwind rauschenden Wald dahinwanderten, und ein Schwarm mit Spiessen und Knütteln bewehrter Bauern zog zum Schloss empor. Ihr Pfarrherr führte sie, ein stämmiger, älterer Mann mit gutmütigem, derbem Bauernkopf, auf dem eine Eisenkappe funkelte.

      Vor dem hochragenden, von dreifacher Ringmauer und tiefem Graben umlaufenen Turm- und Giebelgewirr der grimmen Feste, die sich wie eine kleine, bis an die Zähne verschanzte Stadt den Berg hinauf wölbte, machte der Zug Halt, in sorglicher Entfernung von den Armbrüsten der Knappen, die von den Torzinnen herabblinzelten.

      Nur ein paar der Kecksten wagten sich noch näher heran und schlichen bis unter die Fenster des hinter den Türmen zum Himmel aufstrebenden, efeuumrankten Herrenhauses, über das hinaus, ein aus Riesenquadern gefügter unförmlicher Koloss, der Bergfried sein Reich überschattete.

      „Kumm, Teifel!“ brüllte ein wüster Geselle. „Kumm! Hol alles, was im Schloss sei!“

      Und wie das Janken hungriger Wölfe, die wohl zur Winterszeit in feiger Mordgier den Edelsitz umkreisten, scholl das Gebelfer seiner Genossen: „Kumm herab, Wolframsteiner! Wir wöllen dir den Bart herausraufen!“

      Einer der Knappen legte einen Bolzen auf die stählerne Armbrust und schoss. In Zickzacksätzen fuhr das Gesindel zurück, und der Pfeil zitterte ohnmächtig auf der Erde.

      Herr Wolfgang Kirschenbeisser aber, der Pfarrherr zu Gottwoltshausen, trat unverzagt und waffenlos vor die noch herabgelassene Zugbrücke. „Meldet eurem Herrn, dem Freiherrn von Wolframstein,“ rief er mit dröhnender Stimme: „Es ist der gemeinen, nunmehr versammelten Bauernschaft ernstlicher Will’, Meinung und Befehl, dass er, der Ritter, in unsere christliche Brüderschaft eintritt und noch bei heutigem Tage mit dreissig wohlgerüsteten Mann der göttlichen Gerechtigkeit Beistand tut — und wo das nicht geschieht, soll er wissen, unsicher zu sein Leib’ und Lebens!“

      Die Knappen erwiderten nichts. Innen im Schlosshof erklang eine helle, befehlende Stimme, und knarrend öffnete sich das Tor. Frau Madlene trat heraus, fröstelnd in einen Fuchspelz gewickelt, und ging auf den Pfarrherrn und die hinter ihm sich drängenden Bauern zu. Unwillig musterte sie die in finsterem Trotz zur Seite schauende Schar.

      „Wen habt ihr für euren Redner aufgeworfen?“ fragte sie kurz. „Etwa dich, Michel Heul, den bösesten Bauern, der hinter meinem Herrn sitzt, oder gar dich, Christa Kutter, du loser Schalksknecht, der ihm den Bart ausraufen möcht’? — Wann er von seinem Ritt nach Weinsberg wieder heim ist, kannst dich melden und es versuchen!“

      Der Pfarrer reckte sich auf. „Ist unser gnädiger Herr nicht im Schlosse, so höret Ihr, Frau, unser Begehr!“

      „Ei schau!“ sagte Madlene. „Unser Pfaff’ an der Spitze des leichtfertigen Volks! Hat sich eine Eisenkappe über die Ohren gezogen und dünkt sich fürwahr ein Reitersmann! Aber so ist’s überall! Wer leitet den gemeinen Mann zum Aufruhr an? Ausgeloffene Mönche, abtretene böse Pfaffen, lutherische Buben — fressen Fleisch, wann Fastens ist!“

      „Tut gemach, Frau!“ wollte sie Wolfgang Kirschenbeisser unterbrechen, aber sie liess sich nicht stören.

      „Nun habt ihr’s erreicht! Unruhe und Mutwillen allenthalben. Die Bauern gehen in die adligen Häuser, prassen und schlemmen am dicksten zu, lassen das Vöglein sorgen, halten redlich und männiglich kostfrei Spass und Frass!“

      „Jetzt muss auch der Bauer Herr werden!“ knurrte einer der Knüttelträger. „Gott will’s!“

      „Was Stab und Stangen tragen kann,“ ergänzte Pfaff Kirschenbeisser, „das muss jetzt auf sein! Es tut not!“

      „Treibt keine ungeschickten Worte!“ gebot Madlene kurz. „Wie ich Euch hab’ kommen sehen, hab’ ich meinen Pelz umgetan und bin fürbass gegangen. Was also wollt Ihr?“

      Der Pfarrherr holte ein dünnes Heftchen aus dem Chorrock. „Ihr hört’s ja! Euch in die christliche Brüderschaft zwingen!“

      „Mit dem Büchlein da?“

      „Das sind die zehn gründlichen und rechten Artikel der freien Bauernschaft,“ sprach der Kirschenbeisser bedächtig, „wie sie allerdings von Thüringen bis Tirol im Schwange sind! Ihr habt sie wohl verlesen und wisset, weswegen wir beschweret sind!“

      Madlene nickte. „Mein Herr hat sie mit mir in gerechtem Unwillen verlesen! Der Böse haust in euch. Ihr wollt euch den Pfarrherrn selbst erwählen und kiesen und schätzet den kleinen Zehent für einen unziemlichen Zehent, den die Menschen erdichtet haben!“

      „Und zum dritten,“ rief Wolfgang Kirschenbeisser grimmig, „ist der Brauch bisher gewesen, dass man die Bauern für Eigenleut’ gehalten hat, welches zum Erbarmen ist, angesehen, dass uns Christus alle mit seinem vergossenen kostbaren Blut erlöst und erkauft hat. Ihr aber schindet und schabt uns mit Scharwerk und Todfall und Fastnachthennen, als wolltet ihr viel Freud’ und Mut an unserem blutenden Schweisse haben!“

      „Das glaub’ ich,“ — Madlene zuckte die Achseln — „dass euch der Müssiggang besser behagt! Darum dünkt es euch in euren Teufelsartikeln unziemlich und unbrüderlich, dass ihr Fische im fliessenden Wasser, Wildbret und Geflügel nicht fangen sollt! Darum beschwert ihr euch der Befolgung halber, wollt uns die schönen Wälder verwüsten, um eure Bettlersuppen zu kochen, und darum wollt ihr der Herrschaft keine Dienste mehr tun!“

      „Die Herrschaft hat’s verdient,“ grollte der Pfarrherr, „und ihr Edelfrauen insbesonders! Ei, ihr hoffärtigen Geschöpfe, müssen euch die Bauern nicht mitten in der Ernte Schneckenhäuslein suchen, Garn darauf zu winden, und für euch Erdbeer, Kriesen und Schlehen gewinnen? Den Herren aber muss der Bauer werken bei gutem Wetter, sich selbst bei schlechtem, und über sein armes bisschen Saat läuft das Gejaid und die Hunde ohne Achtung einigen Schadens!“

      „Pfarrherr,“ sprach Madlene mitleidig, „so hat’s Gott gewollt und ist’s immer gewesen. Ihr werdet’s nicht ändern. Aber meinet ja nicht, die vom Adel seien alte Weiber und schier tot, weil ihr einen neuen armen Konz machen wollt! Sie werden mit euch Bösewichtern übel umgehen!“

      „Frau!


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