Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525. Rudolf Stratz

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Der arme Konrad. Roman aus dem großen Bauernkrieg von 1525 - Rudolf Stratz


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Gesicht — „das hat an einem andern Herzen gehangen, einem edeln, kecken, gesunden Herzen, in starkem Leibe wohl verschlossen. Selb’ Herz ist in mir übermächtig geworden. Da hab’ ich zu mir gesprochen: Ich will mich so halten und herfürtun, dass mein Herr, der Pfalzgraf, meine untreuen Praktiken vergisst und ich wieder in ein Lehnsrecht und Verstand mit Seiner Gnade komm’!“

      „Dass dich die Pestilenz ankomm’, du Bösewicht!“ schrie Hans Daniel, „... in dein böses ungezähmtes Maul hinein!“

      „Dann aber will ich mir die Buben ersuchen, die ihre Schwester hinkuppeln, und den alten Guggelmann, der sie nimmt.“ Des Trugenhofers Stimme bebte in verhaltener Wut. „Will sie erreiten und mein Schwert in sie stechen, dass sie racks vom Gaul fallen und tot sind ...“

      „Lieber Esel ... beiss mich nicht!“ höhnte von hinten der junge Jörg Heinrich. Aber sein Gesicht war bleich.

      „Und vordem will ich keinen Trost meines Lebens haben, eh’ ich mich an Euch ritterlich gehalten hab’ mit Hauen und Stechen und Euch herausgeklaubt hab’ aus Euren Knechten und allem Tross, womit Ihr Euch verfasst. Da will ich Euch einen Reuterdienst erweisen, davor Ihr Euch bedankt! Soll Euer letzter sein!“

      Der Pfalzgraf gebot mit einer Handbewegung Schweigen. „Trugenhoffen!“ sprach er. „Ich merk’s: Ihr seid ein übler, unsinniger Mann. Die Hitz’ verblendet Euch. Schickt Euch in Gottes Willen. Wann die Heerdegen ihre Schwester einem andern zur Hausfrau gegeben haben, so ist der Handel aus und sie ist für Euch ab und tot!“

      „Die Liebe ist nicht ab und tot!“ sagte der Trugenhofer. „Die war zwischen uns und bleibt!“

      Er schaute Madlene an. Sie erwiderte seinen Blick nicht. Starr und reglos wie versteinert stand sie da und sah zum Himmel auf, an dem in eiligem Flug die Frühlingswölkchen hintrieben.

      „Und darum, Herr!“ hub Ritter Felix nach kurzer Weile wieder an, „steht der Handel so: Wann die Bachforelle bergabwärts schwimmt, will ich Frieden machen mit den Heerdegen von Hirnsheim. Wann dort in der Ebene der Neckar umkehrt und in den Odenwald zurückfliesst, dann reich’ ich dem Wolframsteiner meine Hand. Und wann die Sonne dort über dem Rhein aufgeht und von der Haardt gen Osten läuft, zur Stund’ lass’ ich von Madlene, des Wolframsteiners Hausfrau. Doch vordem nicht!“

      Der Lärm unterbrach ihn. Die Heerdegen drängten sich heran und in aufschnaubendem Grimme fuhr Herr Wolfgremlich an sein Schwert. „Wahr’ dich, du Heckenreiter!“ dröhnte seine tiefe Stimme. „Mein Zorn greift hart zu!“

      Vor ihm am Boden klirrte es. Der Eisenhandschuh des Trugenhoffers lag da auf den Steinen. „Das gilt dir!“ sprach Ritter Felix. „Dir und den Heerdegen von Hirnsheim! Wisset, ihr Herren, dass ich euch Feind sein will in ehrlicher Fehde, bei Tag und Nacht, auf Leben und Tod!“

      „Hebt Euch von meinem Angesicht!“ zürnte der Pfalzgraf. „Es frommt Euch wahrlich besser, wenn ich Euch verlorenen Gesellen nicht mehr seh’!“

      „Ihr habt mich wieder zum Lehnsmann angenommen —“ Der Ritter hob den Handschuh auf, trat auf sein Ross zu und schwang sich in den Sattel. „So will ich meiner Lehnspflicht walten und mich, so müd’ der Gaul ist, nach Weinsberg auf den Weg tun und meine Fehde anstehen lassen! Wann aber der Mutwille der Bauern gestillt ist und Ordnung in deutschen Landen, dann treff’ ich euch, Wolframstein und Heerdegen, mit der Schärfe des Schwertes! Euer Feind soll mein Freund sein und was euch leid tut, tut mir wohl. Das wisset alle, ihr Wohlgeboren, Edel, Streng und Ehrfest, ... gnädig Herren und guten Freunde!“

      Er warf sein Ross herum und trabte die Gasse zur Neckarbrücke hinab. Die Hufe des Hengstes donnerten und von weither klangen und klagten im Frühlingssturm des armen Konrads mahnende Glocken.

      3

      Im dämmernden Saal sass Herr Wolfgremlich gestiefelt und gespornt am Eichentisch und löffelte missmutig seine Morgensuppe. Madlene kauerte neben ihm und schnallte ihm mit geübten Händen die letzten Riemen am Panzer und Beinschienen fest, eifersüchtig überwacht von dem danebenstehenden Bastian Rebenkönig, des Wolframsteiners altem Reisigen, zu dessen Vorrechten vor der Zeit der Ehe das Wappnen und Rüsten seines Herrn gehört hatte.

      Herr Wolfgremlich stand auf und wischte sich den Bart. „Es wird Zeit, nach Weinsberg auszureiten! Du, Rebenkönig, bewach mir mit den Knechten wohl mein Haus und lasse die Zugbrücke nicht ohne Not herunter! Sonst geschieht’s wie in der Haardt,“ er wandte sich zu Madlene, „wo die Bauern eine ehrliche Gräfin zu Westerburg, die zu Neu-Leiningen ihr Wesen hat, gezwungen haben, den ehrlosen Bösewichtern zu Tisch zu kochen und zu dienen!“

      Madlene nickte nur stumm.

      „Jawohl!“ fuhr er fort. „Solch stolzen hoffärtigen Gemüts sind schon die Abenteurer, bedünken sich, sie wären nun Meister im Lande! Aber wir wollen den Hochmut und Frevel der Bauernschaft schon dämpfen — botz Schweiss sommer gele! — und ernstlich wider sie handeln!“

      Er reckte sich und streckte die Arme aus, dass der Panzer klirrte. „Gern scheid’ ich nicht von hier ab, Madlene; ich kann vom Kriegen und Reuten keinen Trost mehr gewinnen. Bin weit übern Mittag und sitz’ jetztmals der Geiss so nah’ auf dem Schwanz, dass ich schon schier herabfall’ und zum alten Haufen fahre!“

      Das junge Weib erwiderte nichts.

      Der Recke musterte sie verstohlen und mit finsterem Gesicht. Dann gab er dem Rebenkönig einen Wink. „Geh und sag meinen Schwägern, es sei an dem! Wollen in den Bügel treten!“

      Der Reisige zog die Tür hinter sich zu. Die beiden waren allein.

      Herr Wolfgremlich ging schweren Schrittes auf und nieder, dass die Dielen unter seiner Eisenlast knarrten.

      „Schwör mir’s, Madlene!“ sagte er plötzlich. „Lass mir keinen ins Haus, wann ich fort bin!“

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiss und getraue mir wohl, das Schloss zu erhalten! Wann sich die Bauern davor rucken, sollten sie den Hingang für den Hergang haben und eilends weichen sans dire adieu! Ich will ihnen eigentlich den Weg weisen, wie Ihr mich’s gelehrt habt, dass sie merken: Wir sind nicht gewillt, in unserem Erb’ turbiert, angefochten und des mit Gewalt entsetzt zu werden, sondern bei unserer Possession zu verbleiben!“

      „Aber wann nun ein anderer kommt und ist kein Bauer.“ Der Freiherr murmelte es beinahe und seine dumpfe Stimme zitterte. „Wann der Trugenhoffen sich nun nicht nach Weinsberg gehoben hat gestern vom Heidelberger Marktplatz, sondern reitet unversehens hier am Hause vor ...“

      „So bleibt das Haus verschlossen!“ Madlenes Gesicht war hart wie Stein. „Ich bin Eure Hausfrau. Hab’ Euch geschworen am Altar und will meiner Seelen Seligkeit nicht verlieren!“

      „Des mag sich Hans Lulle getrösten, aber wir nicht!“ sprach eine helle scharfe Stimme. Hans Daniel von Heerdegen trat mit seinen Brüdern ein, buntgefiederten Helms, mit blinkenden Spangen herausgeputzt, als ging’s zum Fastnachtsstechen. „Ich hör’ den verloffenen Gesellen schon da unten pochen und rufen ...“

      „Er singt das Lied vom armen Ritter!“ lachte Jörg Heinrich und der dritte Bruder summte den Spottvers vor sich hin, so leise, dass kaum der Rebenkönig neben ihm es verstehen konnte:

      „Ratzen und Mäus’,

      Flöh’ und Läus’,

      Angst und Sorgen

      Wecken mich allmorgen!“

      „Selb Lied hättet ihr singen sollen!“ sagte Madlene kalt. „Drunten im Waldhaus. Da habt ihr beisammen gesessen in Dampf und Weinfeuchte und war Lieb’ und Einigkeit unter euch Brüdern ein seltener Vogel. Und habt nichts gehabt auf der weiten Welt, was euer war. Nur eines. Mich habt ihr gehabt. Das war eure Hoffnung und Fortüne, wie ein gut Ross oder Dorf und nicht anders habt ihr’s an den reichsten Herrn verkauft und haltet euch nun trefflich mit Fisch und Fleisch, welschem Wein und damastnen Schauben. Ich aber dank’s euch nicht!“

      „Da bescheint sich’s, wie ich’s mein’!“ sprach Hans Daniel gelassen.


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