Uncountry. Yanara Friedland
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UNCOUNTRY
Eine Mythologie
Aus dem amerikanischen Englisch
von Maria Meinel
Für meine Vorfahren
Inhalt
Meine Kunst beruht auf dem Glauben an eine universelle Energie, die alles durchströmt: vom Insekt bis zum Menschen, vom Menschen bis zum Schemen, vom Schemen bis zur Pflanze, von der Pflanze bis zur Galaxie. Meine Arbeiten sind die Bewässerungsadern dieser universellen Flüssigkeit. Durch sie hindurch steigen die Lebenskraft der Ahnen, der Urglaube, die urzeitlichen Ablagerungen, die unbewussten Gedanken auf, die die Welt beleben. Es gibt keine Urvergangenheit zu erlösen: Da ist diese Abwesenheit, die Verwaistheit, die ungetaufte Erde des Anfangs, die Zeit, die uns aus dem Erdinnern heraus betrachtet. Vor allem ist da die Suche nach Herkunft.
Ana Mendieta
GESCHICHTE DER ASCHE
Prolog
Ihr Mann verstarb, darüber weinten sie. Die Gerste war zur Reife gekommen, jedes Haus wurde geputzt, die Schwellen gewienert. Die Frauen kochten Rosmarin-Huhn. Sie stahl Beeren vom Markt und stellte die Uhren im Hause um. Drei Nächte und vier Monate lang stand sie vor Tagesanbruch auf, lavendelte ihr Haar und grub Löcher im Garten. Nachts verscharrte sie dort ihre Kleidung, lagerte Schinken darin und Geschenke. Dann tötete sie auf der Straße eine alte Frau, trank aus ihren Milchkrügen und nahm ihre Schuhe. Bewach die Äcker, horte Korn und hefte dich an seine Fersen. Sie verließ das Dorf mit geschwärztem Gesicht und durchschwamm den Fluss. Ihr wollenes Kleid sog sich schwer, und die Sterne raunten. Sie sangen oder prangten nicht, schienen nur von fern herab. Ihre Füße schleppten sich tagelang über Felder und durch Wälder. Ein schmutziges Stachelschwein hinkte hinterdrein, eine verwirrte Eule flog ihr gegen die Schulter. Wo hast du heute gelesen, du könntest verletzt sein, geh fort, aber bleib bis zum Morgen hier ruhen. Sie lauschte, die Eule und das Stachelschwein zu ihren Seiten; die Sterne, ohne Duft und Belang, verloren derweil ihr Licht. Sie versuchte, sich an das Dorf ihres Vaters zu erinnern, und vermochte es nicht. Sie versuchte, sich an das Dorf ihrer Mutter zu erinnern, war sich dann aber nicht sicher, ob sie eine Mutter hatte. Hungrig beschloss sie, die Schnitter und Schnitterinnen auf den Feldern anzusprechen. Doch am nächsten Tag brach der Winter ein und spielte sein Madrigal. Sie lief sich die Füße wund über Weizenstoppeln. Ein boshaftes Lachen entstieg dem Acker und die Sonne verschwand sofort, doch das war ihr recht. Bald brach der Boden auf und barst. Pflanzen stürzten in die Herzgefäße der Erde. Dann fielen Aale und Hausstände hinab in das vormals Feste. Laute wurden von Lehmwänden geschluckt. Ein Schwarzwald der Träume war das nicht, nicht irgendein höllisches Danach. Hier war sie nun, das Haar entflochten, blutverkrustet, mit zitternden Knien. Hier war sie nun, ein von Ödnis geschöpftes, beherztes Requisit, und dachte nicht an ihr Witwensein, Begräbnisse und Morde. Die Zeugen schwanden. Sie wartete, bis alles vorbei war, die Menschen aus ihren Nestern kamen und Vögel sich in den Baumgerippen niederließen. Ein Mann an einem kleinen Feuer lächelte sie an, und sie fragte sich, ob er der Löser