Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
Читать онлайн книгу.Parfüms. Er war sehr galant und änderte insoferne seine Taktik, als er eine unglaubliche Uneigennützigkeit bekundete. Als die alte Dame vom Kontrakt sprach, machte er eine Bewegung, wie um zu sagen, daß ihn dies wenig anfechte. Seit acht Tagen studierte er die einschlägigen Gesetzartikel und erwog er diese ernste Frage, von welcher in Hinkunft seine Freiheit als Geschäftsmann abhing.
»Kommen wir doch schon zu Ende mit dieser leidigen Geldfrage,« sagte er. »Meiner Ansicht nach sollte Fräulein Renée freie Verfügung über ihr Vermögen behalten und ich über das meinige. Der Notar wird dies schon besorgen.«
Tante Elisabeth billigte diese Auffassung, denn sie hatte davor gezittert, daß dieser Mann, dessen eiserne Faust sie bereits hinter der Sammtpfote vermuthete, sich auch der Mitgift ihrer Nichte werde bemächtigen wollen. Nun sprach sie auch über diese Mitgift.
»Das Vermögen meines Bruders besteht zum weitaus größten Theile aus Häusern und Liegenschaften,« sprach sie. »Er ist nicht der Mann dazu, um seine Tochter durch Vorenthaltung des ihr zufallenden Antheils zu bestrafen. Er übergiebt ihr einen in der Sologne gelegenen Grundbesitz im Werthe von dreihunderttausend Francs, sowie ein Haus in Paris, welches ungefähr auf zweihunderttausend Francs bewerthet ist.« Saccard war förmlich geblendet, – eine solche Summe hatte er nicht erwartet. Er wendete sich halb zur Seite, um die Blutwelle nicht merken zu lassen, die seine Wangen färbte.
»Dies ergiebt einen Gesammtwerth von fünfhunderttausend Francs,« fuhr die Tante fort; »doch will ich Ihnen nicht verhehlen, daß der Sologner Grundbesitz blos zwei Perzent abwirft.«
Er lächelte und wiederholte die Bewegung, die seine Uneigennützigkeit ausdrücken sollte, als wollte er damit sagen, daß er sich nicht darum kümmere, da er ja auch mit dem Vermögen seiner Frau nichts zu thun haben wolle. In seinem Fauteuil zurückgelehnt, drückte seine Haltung absolute Gleichgiltigkeit aus: er schien zerstreut, spielte mit seinen Pantoffeln und hörte ihr offenbar nur aus Höflichkeit zu, um sie nicht zu verletzen. Frau Aubertot sprach langsam, vorsichtig, in der Einfalt ihres Herzens bemüht, ihn mit keinem Worte zu beleidigen. Und so fuhr sie fort:
»Schließlich möchte auch ich Renée ein Geschenk machen. Ich habe keine Kinder, mein Vermögen fällt eines Tages doch nur meinen Nichten zu und ich werde Herz und Hand nicht verschließen, weil eine derselben heute in Trauer versunken ist. Schon seit langer Zeit sind die Hochzeitsgeschenke beider Schwestern vorbereitet. Das Geschenk, welches für Renée bestimmt ist, besteht aus umfassenden Grundstücken bei Charonne, welche ich auf zweihunderttausend Francs glaube bewerthen zu können. Indessen ...«
Bei dem Worte »Grundstücke« war Saccard ein wenig zusammengezuckt. Unter seiner erheuchelten Gleichgiltigkeit hörte er mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Tante Elisabeth gerieth wieder in Verlegenheit, da ihr offenbar wieder das entsprechende Wort fehlte und erröthend fuhr sie fort:
»Indessen wünsche ich, daß das Eigenthumsrecht dieser Grundstücke auf das erste Kind Renée's übertragen werde. Sie werden meine Absicht begreifen; ich will nicht, daß Ihnen dieses Kind eines Tages zur Last fallen solle. Sollte dasselbe sterben, so verbleibt Renée alleinige Eigenthümerin.«
Er zuckte mit keiner Wimper, nur seine gerunzelten Brauen verriethen, wie erregt er innerlich sei. Die an der Charonne liegenden Grundstücke erweckten eine Fluth von Gedanken in ihm. Frau Aubertot fürchtete, ihn verletzt zu haben, als sie von dem Kinde Renée's sprach und ganz bestürzt schwieg sie stille, nicht wissend, wie sie die Verhandlungen fortführen solle.
»Sie haben mir noch nicht gesagt, in welcher Straße sich das auf zweihunderttausend Francs bewerthete Haus befindet?« fragte er im Tone gutmüthiger Zuvorkommenheit.
»In der Rue de la Pepinière, fast an der Ecke der Rue d'Astorg,« erwiderte sie.
Diese einfachen Worte waren von entscheidender Wirkung auf ihn. Er vermochte sein Entzücken nicht mehr zu meistern und seinen Fauteuil näher rückend, sprach er schmeichelnden Tones, mit seiner provençalischen Zungenfertigkeit:
»Werthe Frau, nun ist's aber genug und wir wollen nicht weiter über dieses häßliche Geld sprechen ... Sehen Sie, ich will offen und rückhaltslos reden, denn ich wäre verzweifelt, wenn ich mir Ihre Achtung nicht erringen würde. Vor ganz kurzer Zeit habe ich meine Frau verloren, ich habe zwei Kinder und gehe praktisch und vernünftig zu Werke. Indem ich Ihre Nichte heirathe, mache ich ein Geschäft, bei welchem Jedermann seine Rechnung findet. Sollten Sie noch irgend welche Vorurtheile gegen mich haben, so werden Sie mir späterhin verzeihen, wenn ich Jedermanns Thränen getrocknet und die Familie bis auf die spätesten Nachkommen reich gemacht haben werde. Der Erfolg ist eine goldene Flamme, welche Alles läutert. Ich will, daß mir Herr Béraud freiwillig die Hand reiche und mir danke.«
Allmälig vergaß er sich und lange sprach er mit spöttischem Egoismus, welcher zeitweise unter seiner gutmüthigen Miene hervorlugte. Er prahlte mit seinem Bruder, dem Deputirten und seinem Vater, der in Plassans ein hervorragendes Amt bekleide. Er eroberte auf diese Weise Tante Elisabeth, die von unwillkürlicher Freude erfüllt, die Wahrnehmung machte, daß das Drama, welches ihr seit einem Monate Kummer und Sorge bereitete, unter den Fingern dieses geschickten Mannes beinahe zur heiteren Komödie wurde. Es wurde vereinbart, daß man am nächsten Tage zum Notar gehen werde.
Kaum hatte sich Frau Aubertot entfernt, als er sich nach dem Stadthause begab, wo er einen halben Tag mit der genauen Durchsicht gewisser ihm bekannten Dokumente verbrachte. Beim Notar erhob er einen scheinbar berechtigten Einwurf. Er sagte, daß er die Befürchtung hege, Renée werde noch bedeutenden Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein, da ihre Mitgift blos aus unbeweglichen Gütern bestehe; seiner Ansicht nach würde es sich empfehlen, zumindest das Haus in der Rue de la Pepinière zu verkaufen, und Rententitres dafür anzuschaffen. Frau Aubertot wollte hierüber Herrn Béraud du Châtel berichten, der sich noch immer in seinen Zimmern verschloß. Saccard widmete sich bis zum Abend wieder seinen Gängen. Er ging in die Rue de la Pepinière und eilte durch die Straßen der Stadt mit der Miene eines Generals, der am Vorabend einer entscheidenden Schlacht steht. Am nächsten Tage berichtete Frau Aubertot, daß Herr Béraud du Châtel Alles ihr anheimstelle. Der Vertrag wurde auf Grundlage der bereits vereinbarten Bedingungen abgeschlossen. Saccard brachte zweihunderttausend Francs mit in die Ehe, Renée besaß eine Mitgift in Gestalt der in der Sologne gelegenen Ländereien und des in der Rue de la Pepinière gelegenen Hauses, welches zu verkaufen sie sich anschickte; sollte ihr erstes Kind sterben, so wird sie alleinige Eigenthümerin des Grundbesitzes bei Charonne bleiben, welchen sie von ihrer Tante erhielt. Der Kontrakt sprach getrennten Güterbesitz aus, welcher jedem der Ehegatten die unabhängige Verwaltung seines Vermögens sichert. Tante Elisabeth, die dem Verlesen der einzelnen Punkte mit größter Aufmerksamkeit gefolgt war, schien von der letzteren Bestimmung ausnehmend befriedigt, da ihr dieselbe die Unabhängigkeit ihrer Nichte und das Vermögen derselben vor jeglichem Angriff zu sichern schien. Saccard lächelte still, als er sah, daß die wackere Dame zu jeder Klausel zustimmend mit dem Kopfe nicke. Die Vermählung sollte in kürzester Zeit stattfinden.
Als Alles geordnet war, begab sich Saccard zu seinem Bruder Eugen, um ihm seine bevorstehende Vermählung mit Fräulein Renée Béraud Du Châtel anzuzeigen. Der Meisterzug erregte die Bewunderung des Abgeordneten.
»Du sagtest mir, ich solle suchen,« bemerkte der Magistratsbeamte; »ich habe gesucht und gefunden.«
Im ersten Augenblick verwirrt, durchschaute Eugen alsbald die Wahrheit. Und liebenswürdigen Tones fügte er hinzu:
»Du bist ein geschickter Mensch und willst mich wohl auffordern, Dir als Trauzeuge zu dienen? Ich bin mit Vergnügen bereit dazu ... Wenn Du willst, setze ich es durch, daß die vollzählige Rechte des Parlaments Deiner Vermählung beiwohnt. Das würde Dir sehr bedeutend zum Vortheil gereichen ...«
Er öffnete die Thür und fügte leiser hinzu:
»Höre 'mal ... Ich möchte mich derzeit nicht zu sehr kompromittiren, denn wir haben da einen Gesetzentwurf, der nur schwer durchzubringen sein wird ... Ist die Schwangerschaft wenigstens nicht zu sehr bemerkbar?«
Saccard warf ihm einen so scharfen Blick zu, daß Eugen beim Schließen der Thür sich sagte: »Dieser Scherz käme mir theuer zu