Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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Wolke hätte sich über seinem Hofe entladen und nun werde er die vielen Zwanzigfrancsstücke auflesen.

      Während Renée in ihrem verschwenderisch eingerichteten Heim der Rue de Rivoli, inmitten dieses neuen Paris, welches sie als Königin kennen lernen sollte, über ihre künftigen Toiletten nachdachte und ihre Rolle als zukünftige große Weltdame studierte, widmete sich ihr Gatte voll andächtigen Eifers seinem ersten großen Geschäfte. Vor Allem kaufte er ihr das Haus in der Rue de la Pepinière ab und zwar durch Vermittelung eines sicheren Larsonneau, den er dabei betreten hatte, wie er gleich ihm in den Bureaux des Stadthauses herumschnüffelte, aber die Dummheit beging, sich dabei überraschen zu lassen, wie er eines Tages auf dem Schreibtische des Präfekten herumkramte. Larsonneau hatte sich seither in einem finsteren, feuchten Hofe der Rue Saint-Jacques als Agent und Vermittler niedergelassen; doch sein Stolz, seine Habgier litten da ganz ungemein. Er befand sich auf demselben Punkte, wie Saccard vor seiner Verheirathung; auch er hatte, wie er sich ausdrückte, »eine Maschine zur Anfertigung von Hundertsousstücken« erfunden, nur mangelte es ihm an den ersten Geldmitteln, um aus seiner Erfindung Nutzen zu ziehen. Er verständigte sich rasch mit seinem ehemaligen Kollegen und machte seine Sache so gut, daß er das Haus für Hundertfünfzigtausend Francs erstand. Renée benöthigte schon nach wenigen Monaten bedeutende Geldsummen und ihr Gatte kümmerte sich nur insoferne um das Geschäft, als er ihr gestattete, das Haus zu verkaufen. Als der Handel abgeschlossen war, ersuchte sie ihn, für sie Hunderttausend Francs anzulegen, welche sie ihm in vollstem Vertrauen übergab, offenbar, um ihn zu rühren und damit er die Augen zudrücke in Bezug auf die fünfzigtausend Francs, die sie für sich behielt. Er lächelte schlau. Es paßte ihm ganz in den Kram, daß sie das Geld zum Fenster hinauswarf; diese fünfzigtausend Francs, die in Spitzen und Schmucksachen verschwendet werden sollten, mußten ihm hundert Perzent einbringen. Er trieb in seinem Entzücken über dieses erste Geschäft die Rechtlichkeit so weit, daß er die hunderttausend Francs seiner Gattin thatsächlich in Papieren anlegte und ihr die Rententitel übergab. Seine Frau konnte dieselben nicht veräußern und er war sicher, die Papiere im Neste zu finden, wenn er sie jemals benöthigen sollte.

      »Dies soll für Ihre kleinen Bedürfnisse sein, meine Liebe,« sagte er galant.

      Als er das Haus besaß, war er schlau genug, dasselbe innerhalb eines Monats zweimal und zwar stets unter fremden Namen wiederzuverkaufen, wobei der Verkaufspreis natürlich jedesmal immer mehr in die Höhe geschraubt wurde. Der letzte Käufer bezahlte nicht weniger als dreihunderttausend Francs. Während dieser Zeit bearbeitete Larsonneau, der als Vertreter der jeweiligen Eigenthümer fungirte, die Hausbewohner. Er weigerte sich auf's Entschiedenste, den Mietvertrag, zu erneuern, wenn sich dieselben nicht eine bedeutende Erhöhung des Miethzinses gefallen ließen. Die Miether, die von der bevorstehenden Expropriation Kenntniß hatten, waren verzweifelt und nahmen schließlich die Steigerung an, zumal nachdem ihnen Larsonneau mit verständnißinnigem Lächeln mittheilte, daß diese Erhöhung während der nächsten fünf Jahre eine blos scheinbare sein würde. Die Miether, welche Widerstand leisteten, wurden durch Creaturen ersetzt, denen man die Wohnung umsonst gab und die dafür bezeugten und unterschrieben, was man wollte. Auf diese Weise erzielte man einen doppelten Vortheil: die Miethe wurde erhöht und die dem Miether für seinen Kontrakt zufallende Entschädigung kam Saccard zu. Frau Sicardot wollte ihrem Bruder in dem schönen Werke behilflich sein und errichtete in einem Laden des Erdgeschosses eine Klavierniederlage. Bei dieser Gelegenheit gingen Saccard und Larsonneau, von einem wahren Fieber erfaßt, ein wenig zu weit: sie legten Geschäftsbücher an und fälschten die Eintragungen, um den Verkauf der Klaviere auf eine riesige Ziffer hinaufzuschrauben. Mehrere Nächte hinter einander waren sie in dieser Weise beschäftigt und thatsächlich gelang es ihnen, den Werth des Hauses zu verdreifachen. Dank der letzten Verkaufskomödie, dank der Erhöhung der Miethpreise, der falschen Bewohner und des von Frau Sidonie betriebenen Handels, konnte das Haus vor der zur Bemessung der Entschädigungssummen berufenen Kommission auf fünfhunderttausend Francs bewerthet werden.

      Das Räderwerk der Expropriation, dieser mächtigen Maschine, die während fünfzehn Jahre in Paris das Unterste zu oberst kehrte, einzelne Menschen ungeheuer reich machte, andere wieder zu Grunde richtete, ist ein überaus einfaches. Sobald die Anlage eines neuen Straßenzuges beschlossen worden, entwirft der Wegekommissär die Eintheilung der Baustellen und schätzt die einzelnen Parzellen ab. Bei Häusern wird nach erfolgten Erkundigungen gewöhnlich die Totalsumme der Miethbeträge kapitalisirt und derart eine annähernde Werthziffer gewonnen. Die aus Mitgliedern des Gemeinderathes bestehende Kommission bietet nun stets einen Betrag, der niedriger ist als diese Ziffer, da sie wohl weiß, daß die Betheiligten mehr verlangen werden und daß man sich bei gegenseitig gemachten Zugeständnissen schließlich einigen werde. Vermag man sich nicht zu verständigen, so wird die Angelegenheit vor ein Schiedsgericht gebracht, das endgiltig über das Angebot der Stadt und die Ansprüche des Eigenthümers oder Miethers des betreffenden Hauses entscheidet.

      Saccard, der des entscheidenden Augenblicks halber noch im Dienste der Stadt geblieben, hatte für einen Moment die Frechheit, sich selbst als Mitglied der Kommission anzubieten, als die Arbeiten am Boulevard Malesherbes begannen, damit er sein Haus selbst abschätzen könne. Doch fürchtete er dadurch seinen Einfluß auf die Mitglieder der Entschädigungskommission zu verlieren und darum setzte er es durch, daß einer seiner Kollegen, ein junger Mann mit sanftem, einschmeichelndem Betragen, Namens Michelin, in die Kommission gewählt wurde. Die Gattin dieses Michelin, die von einer entzückenden Schönheit war, sprach zuweilen bei den Vorgesetzten ihres Gatten vor, um diesen zu entschuldigen, wenn er wegen Unpäßlichkeit nicht im Bureau erscheinen konnte. Er war sogar sehr häufig unpäßlich. Saccard hatte die Wahrnehmung gemacht, daß die schöne Frau Michelin, die so geräuschlos durch die halb geöffneten Thüren schlüpfte, eine wahre Großmacht sei; so oft Michelin krank war, erhielt er eine Beförderung, – er machte Karriere, indem er sich zu Bett legte. Als er wieder einmal nicht erschien und seine Frau auf das Bureau schickte, um über sein Unwohlsein zu berichten, begegnete ihm Saccard auf einem der äußeren Boulevards, wo er mit der lieblichen, zufriedenen Miene, die ihn niemals verließ, seine Zigarre rauchte. Dies flößte ihm Sympathie für diesen wackeren jungen Mann, für dieses glückliche Ehepaar ein, welches so verständig und praktisch war. Er bewunderte rückhaltslos jede »Maschine zur Herstellung von Hundertsousstücken«, sobald sie verständig gehandhabt wurde. Als er Michelin's Wahl bewerkstelligt, suchte er dessen reizende Frau auf, wollte sie Renée vorstellen und sprach zu gleicher Zeit über seinen Bruder, den Abgeordneten und berühmten Redner. Frau Michelin verstand und von diesem Tage an hatte ihr Gatte für seinen Kollegen stets ein freundliches, zuvorkommendes Lächeln. Aristide, der den würdigen jungen Mann nicht in seine Pläne einweihen wollte, begnügte sich damit, zufällig an dem Tage anwesend zu sein, da er an der Abschätzung des Hauses in der Rue de la Pepiniere theilnehmen sollte. Er kam ihm dabei zu Hilfe. Michelin, dessen Schädel hohler war, als man denken sollte, hielt sich streng an die Weisung seiner Gattin, die ihm empfohlen hatte, Herrn Saccard in allen Stücken gefällig zu sein. Im Uebrigen argwöhnte er gar nichts und war der Meinung, der Wegekommissär dränge ihn nur, die Sache raschestens abzumachen, um ihn hernach mit sich ins Kaffeehaus zu nehmen. Die Miethskontrakte, die Bestätigungen der Miether, die famosen Bücher der Frau Sidonie wurden ihm von seinem Kollegen vorgelegt und wieder abgenommen, ohne daß er gar die Richtigkeit der Zahlen prüfen konnte, welche jener mit lauter Stimme verlas, Larsonneau war auch zugegen; er behandelte seinen Komplizen natürlich, als würde er ihn gar nicht kennen.

      »Sagen Sie fünfhunderttausend Francs,« schloß Saccard seinen Vortrag. »Das Haus ist bedeutend mehr werth ... Und beeilen Sie sich; ich glaube, unter dem Personal des Stadthauses bereitet sich eine große Verschiebung vor und ich möchte mit Ihnen über dieselbe sprechen, damit Sie Ihre Frau unterrichten können.«

      So wurde die Angelegenheit erledigt; noch gab es aber einige Befürchtungen. Er besorgte, der Betrag von 500 000 Francs werde der Entschädigungskommission für ein Haus, welches offenkundig einen Werth von nur 200 000 Francs hatte, ein wenig übertrieben dünken. Noch waren Häuser und Grundstücke im Preise nicht so übermäßig in die Höhe getrieben worden und eine Untersuchung hätte ihn in ernstliche Unannehmlichkeiten stürzen können. Er erinnerte sich der Worte seines Bruders: »Nur keinen aufsehenerregenden Skandal, oder ich lasse Dich verschwinden«, und er wußte, daß Eugen der Mann dazu sei, um seine Drohung zu bewahrheiten. Es handelte


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