Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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Männer, die er sich durch die Art und Weise, wie er sie in den Korridoren grüßte, zu Freunden gemacht hatte. Die sechsunddreißig Mitglieder des Munizipalrathes wurden über Antrag des Präfekten vom Kaiser selbst sorgfältig unter jenen Senatoren, Abgeordneten, Advokaten, Aerzten und Großindustriellen ausgewählt, die sich am tiefsten vor der Macht beugten; vor Allen aber waren der Baron Gouraud und Herr Toutin-Laroche dank ihrem glühenden Eifer der Gunst der Tuilerien würdig.

      Den Baron Gouraud können wir mit wenigen Strichen kennzeichnen: als Belohnung für die Lieferung verdorbenen Zwiebacks für die große Armee von Napoleon dem Ersten zum Baron ernannt, war er der Reihenfolge nach unter Ludwig XVIII., unter Karl X., unter Louis-Philippe Pair und unter Napoleon III. Senator gewesen. Er war ein bedingungsloser Verehrer des Throns, dieser mit Sammt überzogenen vergoldeten vier Bretter, unbekümmert darum, wer sich auf demselben befand. Bei seinem ungeheuren Bauch, seiner Ochsenphysiognomie und seinem ganzen elephantenartigen Auftreten war er ein bezaubernder Schuft, der sich voll Würde an den Meistbietenden verkaufte und die ärgsten Prellereien im Namen von Pflicht und Gewissen verübte. Noch größere Bewunderung erregte der Mann aber durch seine Laster. Es waren Geschichten über ihn im Umlauf, die man nur flüsternd wiedergeben konnte. Seine Ausschweifungen waren geradezu unglaublich und dabei war er trotz seiner achtundsiebenzig Jahre von erstaunlicher Rüstigkeit. Zweimal schon hatte man die schändlichsten Vorkommnisse unterdrücken müssen, bevor sie zu allgemeiner Kenntniß gelangten, damit er seinen gestickten Senatorfrack nicht vor den Geschworenen zu vertheidigen habe. Herr Toutin-Laroche war groß und mager, ehemaliger Erfinder einer zur Kerzenfabrikation sehr geeigneten Mischung aus Talg und Stearin und wünschte nichts sehnlicher, als in den Senat gewählt zu werden. Er folgte dem Baron Gouraud wie dessen Schatten und rieb sich an ihm in der unbestimmten Vorstellung, daß ihm dies Glück bringen werde. Im Uebrigen war er sehr praktisch und hätte sich ein verkäuflicher Senatorsitz gefunden, so wäre ihm kein Preis zu hoch gewesen. Das Kaiserthum sollte diese habgierige Null, dieses schwache Gehirn, welches sich nur auf industrielle Betrügereien trefflich verstand, zur Geltung bringen. Er verkaufte als Erster seinen Namen an eine verdächtige Kompagnie, an eine jener Gesellschaften, die wie Giftpilze auf dem Düngerhaufen der kaiserlichen Spekulationen gediehen. Man konnte zu jener Zeit mächtige Maueranschläge sehen, die in großen schwarzen Buchstaben die Überschrift trugen: »Allgemeine marokkanische Hafengesellschaft« und auf welchen der Name Toutin-Laroche unter Hinzufügung seines Titels als Munizipalrath an der Spitze des Verzeichnisses der Mitglieder des Verwaltungsrathes prangte, unter denen sich weiter aber auch kein bekannter Name mehr vorfand. Dieser Kniff, der seither arg mißbraucht worden, trug treffliche Früchte. Die Aktienkäufer strömten herbei, trotzdem die Frage der marokkanischen Hafenplätze eine sehr wenig geklärte war und die wackeren Leute, die ihr Geld herbeischleppten, hätten selbst nicht zu sagen vermocht, zu welchen Zwecken dasselbe verwendet werden sollte. In hochtrabenden Phrasen sprachen die Plakate von der Errichtung von Handelsstationen längs des Mittelländischen Meeres. Seit zwei Jahren vermochten gewisse Zeitungen diese großartige Operation nicht genügend zu rühmen und zu preisen. die sie jedes Quartal für blühender und erfolgverheißender denn je erklärten. Im Munizipalrathe galt Herr Toutin-Laroche für ein Verwaltungsgenie ersten Ranges; er war einer der starken Geister dieser Körperschaft, und der rücksichtslosen Tyrannei, welche er über seine Kollegen ausübte, kam nur seine hündische Ergebenheit vor dem Präfekten gleich. Schon arbeitete er an der Bildung einer großen Finanzgesellschaft, des Crédit Viticole, die den Besitzern von Weinbergen mit Darlehen unter die Arme greifen sollte, und sprach er über diesen Gegenstand mit einer gewissen Zurückhaltung und wichtigen Miene, die den Neid und die Eifersucht aller Einfaltspinsel erregten.

      Saccard gewann die Gunst dieser zwei Persönlichkeiten, indem er ihnen Dienste erwies, bei welchen er sich sehr gewandt den Anschein gab, als wäre ihm die Bedeutung derselben unbekannt. Er führte seine Schwester mit dem Baron zusammen, der damals gerade in eine seiner schmutzigsten Geschichten verwickelt war. Er führte sie zu ihm unter dem Vorwande, seinen Beistand zu Gunsten der geliebten Schwester zu erbitten, die sich schon seit langer Zeit darum bewarb, mit einer Lieferung von Fenster-Vorhängen für die Tuilerien betraut zu werden. Es fügte sich aber, daß sich der Wegekommissär zurückzog und sie mit einander allein ließ, worauf Frau Sidonie dem Baron ihre Bereitwilligkeit kundgab, mit gewissen Leuten zu unterhandeln, die so wenig auf den eigenen Vortheil bedacht waren, daß sie sich nicht geschmeichelt fühlten durch die Freundschaft, deren ein Senator ihre Tochter, ein kleines Mädchen von etwa zehn Jahren, gewürdigt hatte. Bei Herrn Toutin-Laroche operirte Saccard persönlich, indem er in einem Korridor eine Unterredung über den Crédit Viticole mit ihm anknüpfte. Fünf Minuten später nahm ihn das große Verwaltungsgenie, ganz erschrocken und bestürzt über die erstaunlichen Dinge, die er da vernahm, ohne Weiteres unter den Arm und unterhielt sich länger als eine Stunde mit ihm. Saccard gab ihm geradezu bewunderungswürdige Verhaltungsmaßregeln in Bezug auf zukünftige finanzielle Operationen und als Herr Toutin-Laroche von ihm ging, drückte er ihm mit sehr bezeichnender Miene die Hand, wozu er noch verständnißinnig mit den Augen zwinkerte.

      »Sie sollen mit dabei sein, murmelte er; Sie müssen mit dabei sein.«

      Aristide übertraf sich selbst in dieser Angelegenheit. Er trieb die Vorsicht so weit, daß er den Baron Gouraud und Herrn Toutin-Laroche in Unkenntniß darüber ließ, daß Beide in die Sache eingeweiht seien. Er besuchte Jeden besonders und legte bei ihnen ein Wort zu Gunsten eines seiner Freunde ein, dessen Haus in der Rue de la Pepinière expropriirt werden sollte; er sagte jedem der beiden Biedermänner, daß er über diese Angelegenheit mit keinem anderen Mitgliede der Kommission sprechen werde, daß die Sache unanfechtbar sei, daß er aber bei derselben auf sein ganzes Wohlwollen rechne.

      Die Befürchtungen des Wegekommissärs waren gerechtfertigte gewesen und er hatte wohl gethan, seine Vorsichtsmaßregeln zu treffen. Als die auf sein Haus bezüglichen Schriftstücke vor die Kommission gelangten, traf es sich, daß ein Mitglied derselben in der Rue d'Astorg wohnte und das betreffende Haus kannte. Dieses Mitglied war entsetzt über den Betrag von 500 000 Francs, welcher seiner Ansicht nach auf weniger als die Hälfte herabgesetzt werden müßte. Aristide selbst hatte die Schamlosigkeit gehabt, 700 000 Francs verlangen zu lassen. Herr Toutin-Laroche, der sich seinen Kollegen auch sonst sehr unangenehm zu machen wußte, war heute von einer geradezu unerträglichen Bosheit. Er gerieth in Zorn und begann die Hauseigenthümer zu vertheidigen.

      »Wir Alle sind Hauseigenthümer, meine Herren,« schrie er. »Der Kaiser will ein großes Werk schaffen, knickern wir doch nicht bei solchen Kleinigkeiten. Dieses Haus muß wohl seine 500 000 Francs werth sein, denn einer der unserigen, ein Beamter der Stadt hat diese Ziffer ausgesprochen... Wahrlich, man sollte meinen, wir lebten in den Abruzzen; schließlich werden wir uns noch gegenseitig verdächtigen!«

      In seinem Fauteuil liegend blickte der Baron Gouraud mit überraschter Miene verstohlen zu Herrn Toutin-Laroche hinüber, der zu Gunsten der Hauseigenthümer in der Rue de la Pepinière ganz Feuer und Flamme war. Ein Verdacht erwachte in ihm. Da ihn aber dieser heftige Ausfall der Nothwendigkeit enthob, selbst das Wort zu ergreifen, so begnügte er sich zum Zeichen seiner bedingungslosen Zustimmung bei jedem Worte mit dem Kopf zu nicken. Das Mitglied aus der Rue d'Astorg aber leistete entrüstet Widerstand und wollte sich in einer Frage, von welcher es besser unterrichtet war als die anderen Herren, nicht den beiden Tyrannen der Kommission beugen. Herr Toutin-Laroche, der das zustimmende Kopfnicken des Barons wohl wahrgenommen, raffte nun zornig die Papiere zusammen und warf trocken hin:

      »Nun gut, wir werden Ihren Zweifeln eine Ende bereiten... Wenn Sie erlauben, nehme ich die Sache auf mich und Baron Gouraud wird mir bei der Untersuchung beistehen.«

      »Gewiß,« stimmte der Baron ernst bei; »nichts Verdächtiges darf unseren Beschlüssen anhaften.«

      Schon waren die Papiere in den geräumigen Taschen des Herrn Toutin-Laroche verschwunden und der Kommission blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Auf der Straße angelangt, blickten die beiden Biedermänner einander an, ohne zu lachen. Sie waren sich bewußt, Komplizen zu sein und traten nur umso würdevoller auf. Zwei gewöhnliche Geister hätten eine Erklärung mit einander gehabt. Sie aber fuhren fort, die Hauseigenthümer in Schutz zu nehmen und den Geist des Mißtrauens zu beklagen, der sich überall einzunisten begann, als hätte man sie noch hören können. In dem Augenblicke, da sie von einander


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