Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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blutete. Doch niemals hatten die Gassenbuben der Wipp-Straße die Grausamkeit der Hallendamen gehabt, jene Verbissenheit der schmerbäuchigen Weiber, deren ungeheure Brüste vor Freude hüpften, wenn es ihnen gelungen war, ihn in eine ihrer Fallen zu locken. Die roten Gesichter musterten ihn frech. In dem gemeinen Tonfall ihrer Stimmen, in den hohen Hüften, in den aufgeblähten Hälsen, in dem Wiegen der Schenkel, in den Bewegungen der Hände sah er eine Flut von Schimpfworten, die ihm galten. Gavard würde inmitten dieser schamlosen und stark duftenden Frauenröcke sich sehr behaglich befunden und nach rechts und links Hiebe auf die Hinterbacken ausgeteilt haben, um sich aus dem Gedränge loszumachen. Florent, den die Frauen stets einschüchterten, fühlte sich allmählich verloren in einem wüsten Gedränge von Dirnen mit riesigen Gliedmaßen, die ihn in einem tollen Reigen umtanzten, mit ihren heiseren Stimmen und ihren dicken, nackten Armen wie von Ringkämpferinnen.

      Unter diesen bösen Weibern hatte er indes eine Freundin. Claire sagte rundheraus, der neue Aufseher sei ein wackerer Mann. Wenn er, verfolgt, von den gröblichen Beleidigungen ihrer Nachbarinnen, an ihr vorüberging, lächelte sie ihm zu. Mit ihrem Blondhaar, das lose auf Nacken und Schläfen herabfiel, und ihrem verkehrt zugenestelten Kleide saß sie in nachlässiger Haltung hinter ihrer Fischbank. Noch öfter sah er sie an ihren Fischbehältern hantieren, den Fischen frisches Wasser geben, mit Wohlgefallen die kleinen Delphine von Kupfer umdrehend, die einen Wasserstrahl aus dem Rachen schleudern. Diese Flut verlieh ihr die zarte Anmut einer Badenden am Rande einer Quelle mit noch unvollständig angelegten Kleidern.

      Eines Morgens war sie ganz besonders liebenswürdig. Sie rief den Aufseher herbei, um ihm einen großen Aal zu zeigen, der bei der Versteigerung die Bewunderung des ganzen Marktes hervorgerufen hatte. Sie schlug den Deckel von dem Becken zurück, auf dessen Grunde der Aal zu schlafen schien.

      Warten Sie, Sie sollen ihn sehen, sprach sie.

      Sie fuhr sachte mit dem nackten Arme ins Wasser, einem etwas mageren Arme, dessen seidenweiche Haut die blauen Adern durchscheinen ließ. Als der Aal sich berührt fühlte, rollte er sich schnell ein und füllte so den schmalen Behälter mit seinen schwärzlich-grünen Ringen. Als das Tier wieder einschlummerte, machte Claire sich von neuem den Spaß, es mit der Spitze ihrer Fingernägel zu reizen.

      Der Aal ist riesig, ich habe selten einen so schönen gesehen, glaubte Florent sagen zu sollen.

       Da gestand sie ihm, daß sie anfänglich Furcht vor den Aalen gehabt habe. Jetzt wisse sie schon, wie man die Hand zusammenzupressen habe, damit sie nicht durchschlüpfen. Und sie faßte einen kleineren, der beiseite lag. Der Aal krümmte sich in ihrer fest geschlossenen Faust; sie lachte darüber. Dann warf sie ihn zurück, nahm einen anderen und scheuchte mit ihren dünnen Fingern einen ganzen Knäuel dieser schlangenförmigen Tiere auf.

      Dann plauderte sie eine Weile von den schlechten Geschäften. Die Händler, die auf dem Pflaster der gedeckten Gänge ihre Waren feilbieten, fügten ihnen großen Schaden zu. Ihr nackter Arm, den sie nicht abgetrocknet hatte, triefte vom frischen Wasser. Von jedem Finger fielen schwere Tropfen herab.

      Ach, sagte sie plötzlich, ich muß Ihnen doch auch meine Karpfen zeigen!

      Sie schlug einen dritten Deckel zurück und zog mit beiden Händen einen Karpfen heraus, der den Rachen aufriß und heftig mit dem Schwanze schlug. Jetzt nahm sie einen kleineren hervor, den sie mit einer Hand halten konnte; sie machte sich den Spaß, einen Daumen dem Fisch ins Maul zu stecken.

      Der beißt nicht, die Karpfen sind nicht schlimm, sagte sie mit einem sanften Lächeln. Auch die Krebse fürchte ich nicht.

      Sie fuhr mit dem Arm in einen Behälter, wo es ein verworrenes Gewühl gab, und holte daraus einen Krebs hervor, der ihren kleinen Finger mit seinen Scheren gepackt hatte. Sie schüttelte die Hand ein wenig; allein der Krebs preßte ohne Zweifel sehr heftig, denn sie ward ganz rot; dann schlug sie ihm mit einer zornigen Bewegung, aber immer noch lächelnd, die Füße entzwei.

      Einen Hecht würde ich nicht trauen, sagte sie, um ihre Aufregung zu verbergen; er würde mir die Finger wegschneiden, glatt wie mit einem Messer.

      Und sie zeigte auf einem Brett von peinlicher Sauberkeit eine Reihe von Hechten, die nach ihrer Größe ausgelegt waren, neben bronzefarbenen Schleien und kleinen Häuflein von Gründlingen. Ihre Hände glänzten jetzt vom Fett der Karpfen und sie hielt sie vom Körper ab, vor ihren Fischbehältern aufrecht stehend. Sie war gleichsam eingehüllt in einen Geruch von Fischlaich, in einen jener schweren Gerüche, wie sie aus dem Röhricht und von den Sumpfpflanzen aufsteigen, wenn die Brut die Bäuche der Fische schier zum Bersten bringt. Lächelnd und mit der ruhigen Miene eines fischblütigen Mädchens wischte sie sich die Hände in ihrer Schürze ab.

      Diese Teilnahme Claires war für Florent nur ein geringer Trost. Wenn er stehen blieb, um mit dem Mädchen eine Weile zu plaudern, zog ihm dies nur noch schmutzigere Neckereien zu. Claire zuckte dann mit den Achseln und sagte, ihre Mutter sei eine alte Gaunerin und ihre Schwester eine Nichtsnutzige. Die Ungerechtigkeit des Marktes gegen den Aufseher erfüllte sie mit Zorn. Die Fehde verschlimmerte sich aber von Tag zu Tag. Florent dachte schon daran, seine Stelle aufzugeben; nicht vierundzwanzig Stunden wäre er da geblieben, hätte er nicht gefürchtet, vor Lisa feig zu erscheinen. Er war besorgt darüber, was sie sagen, was sie denken werde. Sie war auf dem laufenden über den schweren Kampf zwischen den Fischweibern und ihrem Inspektor, denn die Hallen waren voll von diesem Kampfe und jeder neue Streit wurde im Stadtviertel endlos besprochen.

      Ich würde ihnen schon die Köpfe zurechtsetzen, pflegte sie des Abends nach dem Essen zu sagen. Es sind lauter Weiber, die ich nicht mit dem Finger berühren möchte.

       Ein schmutziges Pack! Diese Normännin ist die letzte unter den letzten! ... Ich würde sie beugen; die Autorität allein gilt; verstehen Sie, Florent? Ihre Art, die Dinge aufzufassen, ist nicht die richtige. Zeigen Sie Ihre Krallen, und Sie sollen sehen, wie alle zu Kreuze kriechen.

      Der letzte Auftritt war furchtbar.

      Eines Morgens kam die Magd der Bäckerin Frau Taboureau auf den Fischmarkt und suchte einen Steinbutt. Die schöne Normännin, die sie seit einigen Minuten um ihren Tisch die Runde machen sah, winkte ihr freundlich zu.

      Kommen Sie doch näher, ich will Sie befriedigen ... Wollen Sie ein Paar Seezungen oder einen schönen Steinbutt?

      Als sie näher trat und nach einem Steinbutt suchte mit der zögernden Miene, die die Käuferinnen annehmen, um weniger zahlen zu müssen, fuhr die schöne Normännin fort:

      Wiegen Sie 'mal den Fisch!

      Dabei legte sie ihr einen Steinbutt in die offene Hand, der in ein Stück groben, gelben Papiers gewickelt war.

      Die Magd, eine kleine, schwächliche Auvergnatin, wog den Fisch in der Hand, öffnete ihm die Kiemen und fragte, noch immer mit mürrischer Miene:

      Wie teuer?

      Fünfzehn Franken, erwiderte die Fischhändlerin.

      Da legte die Magd den Fisch schnell wieder auf den Tisch hin und wandte sich zum Gehen. Doch die schöne Normännin hielt sie zurück.

      Bieten Sie nur!

      Nein, das ist zu teuer.

      Bieten Sie immerhin!

      Acht Franken, wenn Sie wollen.

      Die Mutter Méhudin, die aus ihrem Schlummer aufzuwachen schien, lachte in einer beunruhigenden Weise. – Die Leute glauben rein, daß man die Waren stiehlt, meinte sie. – Acht Franken für einen Steinbutt von dieser Größe! Man wird dir einen geben, Kleine, um dir in der Nacht die Haut zu kühlen. Die schöne Normännin wandte sich beleidigt ab. Doch die Magd kam zweimal zurück, bot neun Franken und ging bis zu zehn Franken. Als sie sich ernstlich anschickte fortzugehen, rief ihr die Fischhändlerin zu:

      Kommen Sie her, geben Sie das Geld!

      Die Magd trat vor die Bank hin und begann mit der Frau Méhudin freundlich zu plaudern. Frau Taboureau sei so schwer zufrieden zu stellen. Sie habe abends Gäste zu Tische, Verwandte aus Blois, einen Notar mit seiner Frau. Frau Taboureau stamme aus einer sehr anständigen Familie; sie selbst, obgleich nur eine Bäckersfrau, habe


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