Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
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Aber der Stutzer hatte keine Zeit.
»Es warten im Nebenzimmer Geschäftsfreunde auf mich ...«, sagte er, »und da Sie so verdächtig mit den Augen zwinkern, meine Damen, will ich Ihnen auch ihre Namen nennen. Es sind die Herren Rhodanopoulo und Leibowitsch ... zwei der greulichsten Schurken, die die Levante je erzeugte ... ich mache mit ihnen Getreidespekulationen ... in Odessaer Weizen ... für gerissene Zeitgenossen ein gutes Ding ... Gute Nacht!«
Damit ging er. An der Tür stieß er mit dem Kellner zusammen.
»Gott sei Dank! ... Die Austern!« sprach Mizi befriedigt.
Sie schob dem Prinzen die Platte zu, der alsbald daranging, etwas Zitronensaft in eine Auster zu träufeln, mit dem Messer den Bart herauszunehmen und den Fuß durchzuschneiden. Dann hielt er ihr die Schale hin. Sie schlürfte die Auster schläfrig aus und wartete, bis eine zweite fertig war.
Franziska, die die Natives nicht liebte, starrte, Zigaretten rauchend, zur Decke ... der Gigerl schwieg verdrossen ... und wieder legte sich der bleierne Stumpfsinn des Chambre séparée über den kleinen Kreis.
XI.
Fette Teintschminke, Potonié . . . . 20 Mark
Fette rote Schminke, Dorin . . . . . . 15 Mark
Grauschwarzer Krayon . . . . . . . . 5 Mark
Roter Krayon . . . . . . . . . . . . 5 Mark
Blauer Krayon . . . . . . . . . . . . 3 Mark
Lippenschminke . . . . . . . . . . . . 5 Mark
Trocken Dunkel-Rouge . . . . . . . . . . 3 Mark
Trocken Hell-Rouge . . . . . . . . . . 3 Mark
Fettpuder . . . . . . . . . . . . . . . 4 Mark
Veloutine, Fay . . . . . . . . . . . . . 6 Mark
Mascaro . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Mark
Nasse Schminke, Eau de Lis . . . . . . .3 Mark
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73 Mark
Ein Schminkkasten . . . . . . . . . . 80 Mark
Eine hellblonde Perücke aus
natürlichem Haar . . . . . . . . . . . . 80 Mark
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160 Mark
Traurige Begebenheiten
zum Ersten des Monats:
Garderobiere . . . . . . . . . . . . . 5,-- Mark
Friseuse . . . . . . . . . . . . . . . 5,-- Mark
Theaterdiener . . . . . . . . . . . . . 3,-- Mark
Garderoben-Putzfrau . . . . . . . . . . 1,-- Mark
Korbträgerin . . . . . . . . . . . . . 5,-- Mark
Schneiderin für kleine Reparaturen . . . 11,50 Mark
Ein Paar grünseidene Ballschuhe . . . . 7,-- Mark
Ein paar Ballhandschuhe . . . . . . . . 12,-- Mark
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49,50 Mark
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Zusammen 282,50 Mark
Nicht ohne Mühe hatte sich Valeska diese Summen zusammengerechnet. Es war doch ein ganzer Posten, beinahe die Hälfte ihres Barvermögens.
Aber der Gagetag war ja nahe, und außerdem ... es mußte sein!
Zunächst die Neuequipierung mit französischer Schminke. An den Provinztheatern hatte sie sich mit der billigen deutschen beholfen. Aber hier in Berlin ... nein ... das ging jetzt schon in einem hin.
Ebenso die Perücke. Mit ihren alten, schlechten war kein Staat zu machen. Und sie wußte, daß Blond sie auf der Bühne reizend kleidete.
Die übrigen Ausgaben verstanden sich eigentlich von selbst. Ohne Trinkgelder kommt man beim Theater so wenig durch wie sonst in der Welt.
Sie hatte in dem Einakter, der am nächsten Sonnabend in Szene gehen sollte, nur zwei Sätze zu sprechen, Aber troßdem freute sie die Rolle. Sie gab ihr doch Gelegenheit, den Eindruck ihrer Dienstmagd Rieke zu verwischen. Diesmal erschien sie nicht als schlampiges »Mädchen für alles«, sondern als strahlende Ballkönigin, und nicht ohne Rührung gedachte sie ihres guten kleinen Husaren, dessen Großmut sie die prachtvollen Ballroben und sonstigen Toilettenschätze verdankte, die oben auf dem Boden wohlverwahrt der Auferstehung harrten.
»Und vielleicht kriege ich auch bessere Rollen,« dachte sie, »wenn man erst sieht, was für wundervolle Kostüme ich hab' ... und der Neid und das Staunen der andern! Vielleicht steche ich sogar die Dobschütz aus!«
Freilich ... schauspielerisch konnte sie sich in der Rolle nicht weiter betätigen.
Und eine zweite, etwas umfangreichere Partie, die mitgeschickt worden war, schien zu einem in Reserve gehaltenen Stück zu gehören; denn von Proben dazu war keine Rede.
Immerhin blätterte sie, müßig im Zimmer auf und nieder gehend, das vergilbte weiße Heftchen durch.
Außen auf dem Umschlag standen die Namen ihrer Vorgängerinnen, Johanna Töry und Marie Schaffranek, die beide offenbar schon lange nicht mehr dem Westend-Theater angehörten.
Eine Menge Randbemerkungen, die beide im Laufe der Zeiten angebracht hatten, fanden sich in dem Buche.
Gleich auf der ersten Seite stand:
»Eine feine Nummer!«
Und dicht darunter, halb ausradiert, aber noch erkennbar:
»P. ist ein Esel ...«
Die zweite Szene schien Fräulein Johanna Töry auf der Probe Verdruß bereitet zu haben, denn sie schrieb an einer Stelle lakonisch:
»Hier schimpfte der Alte!«
Und bald darauf folgte die geheimnisvolle, offenbar an sie selbst gerichtete Warnung:
»Hänschen ... wahr' Dich!« ...
So ging es weiter. Ganz am Schlusse stand melancholisch in derselben zierlichen Handschrift:
»Adieu, Berlin ... du Hundenest ...«
Und darunter hatte die pedantische Schaffranek geschrieben:
»Es heißt: Spree-Athen!«
Das Fräulein Hänschen scheint auch böse Erfahrungen in Berlin gemacht zu haben ..., dachte Valeska und blätterte wieder rückwärts, bis sie zu dem Umschlag kam, auf dem der Name »Johanna Töry« stand.
Und daneben – sie bemerkte es erst jetzt, denn es war sorgsam wegradiert – von der Hand der Schaffranek die Worte: »Du armes Hascherl!« und ein schiefes Kreuz.
Jetzt erinnerte sich Valeska.
Sie hatte davon gelesen, daß Johanna Töry, ein schönes Mädchen zu Anfang der Zwanziger, im Begriff, ein Engagement in Hamburg anzutreten, innerhalb weniger Tage im Hotel dem Typhus erlegen sei.
Auch im Bergheimer Theater war davon gesprochen worden, und ein Kollege, der sie kannte, hatte nachdenklich gesagt:
»Der wird auch viel vergeben, denn sie hat viel geliebt.«
Sie hatte recht! Valeska legte das Heft, vor dem ihr graute, leise auf den Tisch. Sie hatte wahrlich recht, das tote Hänschen. Was war das bißchen Leben ohne Liebe?
Besser sterben.
Die kleine Elten seufzte.
Ist man verliebt, so ist man verrückt.
Und ist man nicht verliebt, so ist die Welt ein großer Novembertag.
Und wieder