Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн книгу.auf Arme, Hände, Hals und Büste auf. Darauf kam weißer Fettpuder, sorgsam mit einer Pelzbürste verrieben, und nun war sie soweit fertig geschminkt und einer Wachspuppe ähnlicher als einem Menschen.
Ihre Heftigkeit tat ihr leid.
»Was hast du denn nur gegen die Robe?« fragte sie, während sie sich etwas Rouge zwischen die Finger tat. »Ich finde sie ganz hübsch ...«
Thilda sah sie an.
»Sie muß eine Unsumme gekostet haben«, sagte sie kurz.
»Ja.« Es war Valeska lieb, daß sie sich in diesem Augenblick über den Tisch beugen und mit einem Wildlederläppchen das Email auf ihren Nägeln verreiben konnte. »Ich habe eine Erbschaft gemacht ... neulich ... von einer Tante ... und die benutzte ich, um mich für Berlin zu equipieren ...«
Sie schwindelte das etwas stockend und sah Thilda bang von der Seite an. Sie würde ihr das nicht glauben ... natürlich ... solche Tanten gab es ja nur im Monde ...
Thilda setzte sich ruhig wieder auf ihren Stuhl und kehrte ihr halb den Rücken zu.
»Ich habe natürlich kein Recht, mich in deine Angelegenheiten zu mischen,« meinte sie, »aber da du mir selbst gesagt hast, daß du aus ganz armer Familie stammst ...«
»Aber die Tante war reich!« Die kleine Elten stampfte vor Zorn auf den Boden. Sie ärgerte sich selbst über ihre ungeschickten Ausflüchte. Und da Thilda achselzuckend schwieg, setzte sie schnippisch hinzu: »Und meine Armut mache mir ja nicht zum Vorwurf. Es kann nicht nur Majorstöchter auf der Welt geben.«
»Darauf habe ich keine Antwort!« sagte Thilda, und eine peinliche Stille entstand.
Zum Glück kam in diesem Augenblick, zusammen mit der Garderobiere, Mizi Stadinger herein, ein Blatt Papier in der Hand.
»Ich will mich für übermorgen krank melden,« sagte sie zu Valeska, »ich kann nicht spielen ... die vier Worte übernimmt ja jede andere im Augenblick.«
»Was fehlt Ihnen denn?«
»Eigentlich nichts. Aber ich muß meinen Prinzen besuchen. Es ist sein Geburtstag.«
»Und was wollen Sie für eine Krankheit angeben?«
»Ich weiß nicht!« meinte die Mizi. »Käthe Hannemann riet mir eben, ich sollte schreiben, ich hätte seit acht Tagen eine heftige Gehirnerschütterung ...«
»Sie hat sich wieder einen Ulk mit Ihnen gemacht!«
Valeska verbiß mühsam das Lachen, während sie sich von der Garderobiere in ihr Kleid helfen ließ.
Die Mizi merkte das nicht.
»Ich finde schon was ...«, sagte sie, »aber ... was ich Sie fragen wollte ... schreibt man Arzt oder Artzt?«
»Ich glaube ... Artzt ...«, meinte Valeska sinnend.
»Glauben hilft zu nichts ...«, versetzte die Kleine ärgerlich. »Ich muß es genau wissen, sonst lachen sie mich im Bureau wieder aus ...«
»Und dabei spielen wir lauter hochadlige Damen heute abend,« lachte Valeska übermütig, »recht unorthographische Prinzessinnen ... das muß man sagen ... Thilda ... wie heißt es?«
Thilda, die mit der Mizi auf sehr gespanntem Fuße stand, sagte kurz:
»Es heißt Arzt ... natürlich!«
Aber Mizi hörte kaum darauf.
In dumpfem Staunen sah sie auf Valeskas schimmerndes Kleid, das die Garderobiere eben an der Seite zuhakte. Dann lief sie hinaus auf den Korridor, wo schon einige der andern Damen standen.
»Kinder ...«, rief sie ganz aufgeregt, »... die Elten hat eine Robe ... das ist schon das Höchste ... wundervoll ... sage ich euch!«
Das erregte Sensation.
»Wie ist es denn?« fragte Käthe Hannemann, deren hohe Gestalt und schöne, verächtlich-sinnlichen Züge ebenfalls durch ein glänzendes Kostüm in das beste Licht gesetzt waren.
Die Mizi berichtete eifrig:
»Also aus grünem Damast ... mit langer Schleppe ... große grüne Puffärmel ... der ganze Ausschnitt ... die Schleppe und alles mit rosa Chrysanthemum besetzt ... vorn eine riesige Schleife aus silberdurchwirktem Tüll ... und darunter verfallend lichter, cremefarbener Tüll mit Silber gestickt ... und ...«
Aber in diesem Augenblick trat die Elten selbst heran und merkte an dem staunenden Schweigen ihrer Kolleginnen, welch tiefen Eindruck sie machte.
»Tausend Mark!« taxierte flüsternd die Hannemann, die beste Kennerin in solchen Dingen, das Kleid, und die andern nickten zustimmend.
Und dreihundert Mark Monatsgage!
»Tausend von dreihundert geht nicht,« tuschelte Franziska Ilgen zu Mizi, »also borg' ich mir eins. Nun werden die Herren wohl einsehen, daß ich recht hatte ...«
»Ja ... diese Scheinheiligen«, seufzte Mizi in ehrlicher Entrüstung.
Und ähnlich dachten die andern. Valeskas Stellung stand von Stund an fest, und nur die eine Frage blieb vorläufig offen:
»Wie heißt er?«
Aber schon gab der Inspizient das Zeichen, auf den Bühnenraum zu kommen, da das Stück begonnen hatte. Der ganze Schwarm rauschte die steile Treppe hinauf, ein Gewirr von blendenden Schultern und knisternder Seide, von sorgsam frisierten Köpfchen und bunten Blumengirlanden, das sich seltsam von der grauen, staubigen Kulissenwelt ringsumher abhob.
An der Pappwand blieben sie stehen und horchten, die Schleppen über dem linken Arm, mit vorgebeugtem Oberkörper auf ihr Stichwort. Ihre Busen hoben und senkten sich, eine Wolke feinen Parfüms entströmte der Gruppe, und ein Theaterarbeiter, der etwas abseits auf dem Boden lag, blinzelte wohlgefällig zu ihr hinauf.
Als Valeska mit den andern auf die Szene trat, merkte sie alsbald, daß auch dem Direktor, der unten im Parkett thronte, ihre Toilette nicht entging. Er flüsterte mit dem danebensitzenden Regisseur und notierte sich dann etwas in sein Taschenbuch.
Ihr ganzer Auftritt dauerte nur etwa fünf Minuten. Dann rauschten alle vier wieder nach den Garderoben zurück.
»Und wegen dieser Kleinigkeit verliert man nun den ganzen Vormittag«, seufzte die Elten, während sie sich wieder mit Cold-cream abschminkte und das Gesicht trockenrieb.
Thilda Thorbeck antwortete nicht.
Valeska lief zu ihr hin und schlang ihr die bloßen Arme um den Hals.
»Bist du mir denn wirklich böse?«
Ihre Freundin machte sich los, sanft, aber unerbittlich.
»Ich habe wahrhaftig keinen Grund, dir böse zu sein,« sagte sie, »aber ich glaube ... wir passen doch nicht so zueinander, wie ich dachte.«
»Und das alles wegen dem dummen Kleid ...«, schluchzte die kleine Elten. »Geh ... Thilda ... sei doch lieb ... es ist doch nicht der Rede wert ...«
Aber in diesem Punkte war Thilda unerbittlich.
»Du weißt schon, was ich meine ...«, sagte sie ruhig, »die andern nehmen's dir nicht übel ... im Gegenteil ... da kannst du unbesorgt sein!«
»Du bist recht häßlich ...«, Valeska verbarg weinend das Gesicht zwischen den Händen, »recht häßlich bist du ... soll man denn gar keine Freude mehr im Leben haben ... und was hat man denn davon? ... Man verachtet uns doch ... das kannst du mir glauben ... wenn man's uns auch nicht sagt ... ob wir nun so sind ... oder so ...«
Und ohne auf den Gruß der Freundin, die das Zimmer verließ, und die Tröstungen der Garderobiere zu achten, schluchzte sie vor sich hin.
Inzwischen hatte Franziska Ilgen zusammen mit ihrer Busenfreundin Käthe Hannemann das Theater verlassen und begegnete auf der Straße Herrn von Seybling, der von einem Spazierritt im Tiergarten zurückkehrte.
Als er die beiden schönen Mädchen