Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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da drang ein so energisches Ruhezischen aus dem Parkett, daß sie notgedrungen verstummten.

      Inzwischen war die Szene schon zu Ende. Die vier Damen verneigten sich wieder vor der Hannemann und verließen würdevoll in derselben Reihenfolge die Bühne.

      Die Elten als die letzte. Langsam schritt sie an dem Pagen vorbei durch die Tür. Ihre weißen Schultern blinkten, der Damast glänzte im hellen Lichtschein, und hinterher rauschte die Schleppe.

      Ein Murmeln der Befriedigung ging durch das Haus. Dann wandte man sich der nächsten, der Schlußszene zu.

      Der Vorhang fiel und hob sich unter dem matten Beifall, der einem Einakter zu folgen pflegt. Im Parkett stand man auf und drängte nach den Ausgängen. Es kam die große Pause.

      »Bleib sitzen!« flüsterte Onkel Klaus seinem Neffen zu und hielt ihn am Arme fest. »Vielleicht erfahren wir von denen da nebenan noch etwas über diese Thorbeck ...«

      Rönne nickte wie geistesabwesend.

      Und wirklich nahm, mährend die andern Gigerl noch schweigend beieinander saßen, Prinz Duyn das Wort.

      »Nun seid ihr ja genügend vorbereitet ...«, sagte er mit seiner leisen, müden Stimme ... »Nun werde ich euch einmal einen Brief vorlesen ...«

      »Einen Brief?«

      »Ja. Die kleine Elten kommt doch aus Bergheim. Und Gott weiß, woher die Mizi erfahren hat, daß dort ein Vetter von mir, Aribert Duyn, bei den 22. Husaren steht. Na ... ihr wißt ja, wie die Frauenzimmer sind. Kurz und gut ... ich hatte keine Ruhe, bis ich ihm endlich schrieb.«

      »Und da ist die Antwort?«

      Duyn nickte.

      »Eigentlich müßtet ihr meinen Vetter kennen, um den Brief zu würdigen. Er ist ein verrücktes Huhn. Also da schreibt er ... Er überflog den Brief und heftete sein Auge auf eine Stelle: »Du fragst nach der kleinen Elten. Ich kenne sie gut, namentlich vom Bade Holl her. Sie war zwei oder drei Jahre hier in Bergheim und ist ein hochbegabtes, hübsches und durchaus anständiges Mädchen. Fritz Fellin, mein Regimentskamerad, mit dem sie während der ganzen Zeit ein Verhältnis hatte, hat jetzt geheiratet. Darum ging sie wohl fort nach Berlin. Er soll sie noch vorher fürstlich ausgestattet haben. Er ist überhaupt ein hochanständiger Mensch, nur leider jetzt auf der Hochzeitsreise.«

      Die Herren lachten laut auf.

      Nur Duyn blieb ernst.

      »Paßt auf,« sagte er, »... es kommt noch eine Nachschrift.«

      Und er las:

      »Vorher soll die kleine Elten in Gotha oder so gewesen sein. Die 9.Kürassiere, die da überall herumliegen, wissen wohl darüber Näheres. Ich kann Fellin jetzt nicht danach fragen, denn er ist, wie gesagt, leider auf der Hochzeitsreise. Besten Gruß

      Dein Vetter Aribert.«

      Wieder schüttelten sich die Herren vor Heiterkeit.

      »Da bin ich allerdings blamiert«, sagte Seybling und lachte herzlich mit.

      »Wieso denn?« krähte Hammerschmiedt ... »Ein ganz solides Mädchen ... da steht es schwarz auf weiß!«

      Duyn stand auf.

      »Go on, Seybling,« rief er ermunternd, »mache deine Schüchternheit wieder gut!«

      »Der Teufel auch!« Der Stutzer erhob sich halb ärgerlich ... »So ein Karnickel ... die soll sich wundern ... morgen mache ich bei ihr Besuch!«

      »Und Fräulein Eltens Glück ist gemacht!« ergänzte Duyn tiefsinnig, und alle Herren traten hinaus in das Foyer.

      »Was hast du denn nur?« fragte Onkel Klaus verwundert seinen Begleiter.

      Rönne war aufgestanden. »Ich weiß nicht,« sagte er, »es muß wohl die Übermüdung vom Dienste sein. ... Da kommt ja mein Bruder. Er hat uns jedenfalls vom Parkett aus gesehen. Ich überlasse dich ihm für diesen Abend. Also auf morgen ...«

      Und ehe der verdutzte Alte noch etwas erwidern konnte, war Rönne aus der Loge gegangen, warf sich den Paletot um und trat in die Herbstnacht hinaus.

      XV.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war nicht der typische Berliner Sonntag, dieser Schrecken eines ästhetisch empfindenden Menschen, mit seinen Schwärmen von geschmacklos geputzten Kommis und aufgedonnerten Köchinnen und schwerfälligen Grenadieren, mit seinem Gedränge und Staub und Zigarrenqualm.

      Dazu war das Wetter zu schlecht.

      Es regnete nicht eigentlich, aber schwarze Wolken trieben im Sturm zerrissen an dem Herbsthimmel dahin, und ab und zu fielen schwere Tropfen.

      Der Tiergarten, in den sich sonst der Strom der Sonntagswanderung ergießt, lag halb verödet. Nur wenige Menschen standen bei dem Goldfischteich herum, als Valeska langsam am Rande des Gewässers entlangschritt.

      Die ganzen Tage hindurch hatte die Begegnung mit Rönne in ihr nachgeklungen.

      Sie stellte sich das Landgut vor ... den alten Buchenwald ... den glitzernden See ... und den Hühnerhof ...

      Und bei dem Gedanken an die Möglichkeit, daß sie da dereinst als Herrin schalten könne ... sie, die arme Bühnenzigeunerin, als eine Edelfrau und große Dame ... bei dem Gedanken kam es wie ein Schrecken über sie.

      Noch lebte jene ja, der das alles zugehörte.

      Aber tat sie ihr Unrecht? Nein ... es war ja kein Wort von Liebe zwischen ihnen beiden gefallen, kein Wort, das auf die Zukunft hindeutete.

      Und es würde auch kein solches fallen ... sie wußte das ... so lange nicht, bis die Zeit gekommen war.

      Und dann? ...

      Ihr Kopf schwindelte. – Durfte sie denn wirklich in ein Leben voll Ruhe und Reichtum eintreten, an der Seite eines Mannes, den sie über ihre Vergangenheit getäuscht hatte?

      Dagegen regte sich ihr Gewissen. Seit jener Unterredung mahnte es sie, Tag und Nacht.

      An dem Tage, wo es Ernst wurde, da sollte er alles erfahren! Ganz gewiß. Das war ihre Pflicht.

      Aber bis dahin war noch lange Zeit.

      Und inzwischen lernte er sie kennen, mehr und mehr, und sah, daß sie vielleicht doch nicht so schlecht war, nur ein armes, schwaches Menschenkind, und das Erbarmen kam über ihn.

      Dann rettete er sie vielleicht. Sie wußte, es gab Männer, deren Liebe in dem Mitleid gipfelt.

      Gesehen hatte sie freilich noch keinen.

      »Wie schlecht Sie heute aussehen ...«, sagte sie scheu zu Rönne, als dieser auf sie zutrat.

      Er erwiderte nichts.

      Schweigend gingen sie nebeneinander denselben Weg wie vor wenigen Tagen.

      Es wurde Valeska bang ums Herz.

      »Sie fragen gar nicht, wie der Einakter gestern ausgefallen ist ...«, sagte sie endlich beklommen.

      Rönne schaute auf.

      »Ich war selbst im Theater ...«

      »Oh ... ich habe Sie gar nicht gesehen ...« Valeska wurde lebhaft ... »... freilich ... in der kurzen Szene ... wo saßen Sie denn?«

      »In der zweiten Proszeniumsloge links!«

      »Ach ... neben den Gigerln?«

      »Neben den Gigerln ...«

      »Keine sehr angenehme Nachbarschaft ...«, sagte Valeska nach einer Pause, »da mögen Sie eine schöne Unterhaltung gehört haben ...«

      »Man sprach von Ihnen!« erwiderte Rönne ruhig und sah sie an. »Man las einen Brief vor, den irgendein Prinz von den Bergheimer Husaren über Sie geschrieben


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