Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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der Intimus ihres Freundes Fritz.

      »Was stand in dem Brief?« fragte sie gepreßt.

      »Nichts Unfreundliches, wenn man den Maßstab dieser Herren anlegt. Hauptsächlich war von einem Leutnant von Fellin die Rede, der jetzt auf der Hochzeitsreise sein sollte ...«

      Valeska wunderte sich, daß sie weiterzugehen vermochte. Ein heftiges Zittern überfiel sie, und sie schluckte ein paarmal angstvoll. Jetzt war alles verloren.

      Sie schwieg.

      Da hörte sie neben sich eine leise, in Leidenschaft und Angst zitternde Stimme:

      »Valeska ... ist es wahr?«

      Am Herbsthimmel, auf den sie unverwandt die Augen richtete, flogen im Oktobersturm die Wolken. Eine tiefe, unsägliche Traurigkeit kam über sie.

      Die kleine Elten richtete sich auf und sah Rönne fest ins Gesicht.

      »Ja!« sagte sie mit rauher Stimme. »Es ist wahr. Ich habe ihn geliebt ... zwei Jahre lang. Ich will mich nicht besser machen, als ich bin ... und ich hätte es Ihnen auch gesagt, wenn einmal ...«

      Sie brach ab.

      Rönne hatte sich zur Seite gewandt. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen.

      »So ... und nun verachten Sie mich! ...« sagte die kleine Elten müde und matt. »Aber eines schwöre ich Ihnen: Ich habe ihn geliebt! Ich tat's, weil ich nicht anders konnte. Nie in meinem Leben hab' ich mich verkauft und werde es nie tun ...«

      Darauf schwiegen beide. Der Regen wurde stärker. Mißtönend klang sein Prasseln in den kahlen Zweigen und dem welken Herbstlaub.

      Plötzlich wandte sich Rönne zu ihr.

      »Leben Sie wohl, Valeska! ...« sagte er und ergriff ihre Hand. »Wenn Sie einmal in Ihrem Leben einen Freund brauchen ... oder Rat und Hilfe ... dann gedenken Sie meiner. Aber bis dahin ist es besser, wir sehen uns nicht wieder. Leben Sie wohl!«

      Valeska erwiderte nichts. Sie senkte wie betäubt den Kopf zur Erde.

      So schieden sie.

      Nun war der Regen mit aller Macht losgebrochen. Die Luft verdunkelte sich. Triefende Schleier zogen sich um Baum und Strauch.

      Rönne stand unbeweglich.

      Er blickte der schlanken Gestalt nach, die fern, ganz fern, am Ende der langen Chaussee, in dem Regengeriesel verschwand.

      Da schritt, vielleicht zum letztenmal, leise auf leichten Füßen das Glück aus seinem Leben.

      XVI.

       Inhaltsverzeichnis

      Valeska stand vor ihrer Wohnung in der Lützowstraße.

      Wie sie dahingekommen, wußte sie selbst nicht genau. Sie war wie betäubt.

      Aber da war ihre Hausnummer und daneben das Plakat der Frau von Haidenschild, das Zimmer auf Tage, Wochen und Monate, für In- und Ausländer, mit und ohne Pension verhieß.

      Und vor dem Haustor – sie bemerkte es erst jetzt, während sie mechanisch den triefenden Schirm zusammenklappte, um einzutreten –, dicht an der Rampe des Bürgersteigs, hielt eine glänzende Equipage.

      Eine vornehme, dunkel lackierte Equipage, mit einer Wappenkrone am Türschlag. Zwei hochbeinige, hellbraune Karossiers davor. Auf dem Bock ein würdevoller Kutscher in weißem Zylinder und weißem Water- Proof. Ein jüngerer Diener in derselben Tracht stand wartend daneben auf dem Trottoir.

      Offenbar machte der Besitzer all dieser Herrlichkeit irgendwo in ihrem Hause einen Besuch.

      Aber bei wem?

      Sie überflog, während sie die Treppe hinaufstieg, halb gedankenlos im Kopf die einzelnen Parteien.

      So feine Leute waren eigentlich gar nicht darunter. In der Parterrewohnung ein praktischer Arzt, in der Beletage der Hauswirt, im folgenden Stock die Haidenschild mit ihren Schutzbefohlenen und darüber in den Mansardenwohnungen allerhand kleine Existenzen, die sie selbst nicht kannte.

      Da plötzlich hörte sie, als sie auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnung stehenblieb, um Atem zu holen, wie oben die Flurtür aufging. Das heisere Organ der Haidenschild schien sich in Entschuldigungen zu erschöpfen, dazwischen eine metallisch klingende männliche Stimme.

      »Ah ... da ist ja das Fräulein ...«

      Herr von Seybling stand auf dem kleinen Platz vor der Tür, den seine mächtige Gestalt beinahe ausfüllte, und lüftete höflich den Hut, während Fräulein Elten die Treppe heraufkam.

      »Das nennt man Glück, Gnädigste ...«, sagte er, »war im Begriff, den Rückzug anzutreten ...«

      »Ja ... suchen Sie mich?« Valeska blieb erschrocken stehen.

      Der Dandy lächelte.

      »Wen denn sonst? Sie baten mich ja neulich um meinen Rat. Enfin ... mein Fräulein ... me voilà ... wohin befehlen Sie ...?«

      »Bitte ...« Die Elten war durch den unerwarteten Besuch so eingeschüchtert, daß sie ihn nur durch eine Handbewegung zum Eintreten in den Korridor auffordern konnte.

      Hier blieb Seybling stehen und schaute nach dem mit Portieren verhangenen Eingang zur Rechten.

      »In diesen Feld-, Wald- und Wiesensalon gehe ich nicht ...«, meinte er gutmütig, »Gott weiß, was da alles an greulicher Weiblichkeit hinter den Türen horcht ... wo sind Ihre eigenen Appartements, meine Gnädige?«

      »Ich habe nur ein Zimmer ...«, erwiderte Valeska scheu und blickte nach ihrer Tür.

      Die stieß Herr von Seybling ohne Umstände auf, daß das helle Licht auf den Korridor fiel.

      »Nach Ihnen, mein Fräulein!«

      Valeska überlegte ... schließlich ... das Zimmer war ja aufgeräumt ... vor dem Bett stand eine spanische Wand ... und zu machen war nichts weiter. So ging sie also hinein, und Seybling folgte ihr.

      Er war ihr behilflich, das Jäckchen abzulegen. Während sie dann den Hut abnahm und vor dem Spiegel flüchtig das Haar glattstrich, trat er an die Tür und studierte das dort mit einem Nagel angeheftete Wochenrepertoire des Westend-Theaters.

      Dies machte einen recht eintönigen Eindruck. Die erste Rubrik, Vorstellungen, war ganz durch »Die kleine Herzogin« und den »Hausfreund« ausgefüllt, die zweite, Proben, ziemlich leer, und ebenso von den darunter befindlichen kleineren Kolonnen die Abteilung »Neu einstudiert«.

      Die daneben befindliche Spalte »Neu« wies nur einen Namen auf.

      »Lilith«, stand da. Es war das geheimnisvolle Drama, in dem Valeska die Astild spielen sollte.

      Seybling schüttelte bedenklich den Kopf. Er und wenige andere Eingeweihte wußten, daß es flau, sehr flau mit dem Westend-Theater stand. Vielerlei wirkte da mit, die Ungunst der Zeiten, die Konkurrenz der anderen Bühnen und nicht minder die der Tingeltangel, die sich eben wieder einmal rüsteten, einen ihrer bekannten, durch Massenballetts, fleischfarbiges Trikot und Gassenhauer unterstützten Einbrüche in das Gebiet des eigentlichen Theaters zu unternehmen, dann der chronische Hader mit der Zensur und nicht zum mindesten – Seybling mußte sich das gestehen – die Leidenschaft der Dobschütz, alle ersten Rollen wahllos zu spielen.

      Das ermüdete schließlich das Publikum.

      Und Seybling wußte recht gut, daß Hochmann für diesen Winter nicht allzuviel Pulver zu verschießen hatte. An aussichtsreichen Novitäten war so gut wie nichts vorhanden.

      Aber da riß ihn Valeskas Stimme aus seinem Sinnen.

      »Bitte ... wollen Sie Platz nehmen ...«, sagte sie schüchtern, »hier stehen Zigaretten ... Zigarren habe ich leider nicht ...«

      »Das heißt mit anderen Worten, meine Gnädigste,« Seybling nahm auf einem unter seiner


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