.

Читать онлайн книгу.

 -


Скачать книгу
nicht recht daran ...«

      »Wenn ich doch mein Wort gegeben habe ...«

      Sie sah beklommen auf ihren Teller nieder, auf dem einige Artischockenblätter lagen. Zu essen wagte sie nicht davon, ehe sie nicht gesehen, wie die andern das machten. Denn um keinen Preis hätte sie sich in dieser Gesellschaft eine Blöße gegeben.

      Eben als sie das glücklich begriffen, trat der Kellner wieder ein und beugte sich über Seyblings Stuhl. Die Herren Rhodanopoulo und Leibowitsch seien draußen und müßten vor ihrer Abreise nach Galatz den Herrn Baron durchaus noch einmal sprechen.

      »Sie mögen zum Deubel gehen ... wenn der nicht auch Protest einlegt ...«, brummte Seybling, trat aber doch, mit flüchtiger Verbeugung gegen seine Gesellschaft, hinaus, und man hörte vom Gange her, wie er jemand in verbindlichem Französisch ansprach. Dann verhallten die Stimmen. Wahrscheinlich begaben sich die Herren nach vorn in das Restaurant.

      In dem Sonderzimmer war ein kurzes Stillschweigen eingetreten.

      Dann sagte die Ilgen, nach der Tür blickend, als gäbe sie einem Gedanken der ganzen Gesellschaft Ausdruck:

      »Gestern hat er zum zweitenmal Krach mit der Dobschütz gehabt ...«

      »Wer ...?« fragte der Wiener. »Unser Freund Seybling?«

      Die Ilgen nickte und entwickelte ihre Theorie, daß ein solches Verhältnis immer mit drei Rucken gelöst werde. Den ersten Krach halte man noch für ein Mißverständnis, für einen unglücklichen Zufall ... beim zweiten fange man an, klar zu sehen und sich mit dem Gedanken einer Trennung vertraut zu machen ... und der dritte bringe eben das Ende.

      Nächstens sei also Seybling frei.

      »Und dann?« Herr von Sedlek machte ein ganz harmloses Gesicht und zwinkerte kaum mit den Augen, als niemand antwortete. Der Gigerl räusperte sich nur, die Damen lächelten. Es wurde bedeutungsvoll still in dem kleinen Kreise, und man blickte auf die kleine Elten.

      Gott sei Dank – Valeska atmete auf –, da kam Seybling zurück!

      »Die sind besorgt und aufgehoben ...«, sagte er, sich an den Tisch setzend. »Fräulein Elten ... Sie essen nichts ... Sie trinken nichts ... was ist mich das mit Ihnen? ... Hier ...«, er füllte ihr Glas, »jetzt stoßen Sie einmal hübsch mit mir an ... so ...«

      Sie leerte gehorsam ihr Glas und machte ein sehr unglückliches Gesicht.

      »Raten Sie einmal, was ich da habe ...«, fuhr der Stutzer mit gedämpfter Stimme fort, während die andern über irgendeine törichte Äußerung Hammerschmiedts in einen heftigen Wortwechsel geraten waren, »da sehen Sie mal.«

      Valeska erkannte in dem dünnen Heftchen, das er ihr in die Hand schob, ein Druckmanuskript des Dramas »Lilith«.

      »Ich weiß ...«, sagte sie, »in dem Stück spiele ich die Astild ...«

      »Leider!« erwiderte Seybling. »Das haben Sie wahrscheinlich Ihrer pompösen Toilette von neulich zu verdanken, und ändern läßt sich's nicht. Aber stecken Sie das Heftchen nur ein und sehen Sie sich einmal die Titelrolle an. Die ist wie für Sie geschrieben ...«

      »Aber die spielt ja Fräulein Dobschütz!«

      »Natürlich spielt sie Fräulein Dobschütz. Aber einmal wird sie ihr doch über ... oder sie ist gerade erkältet ... oder auf Gastspiel ... oder es ist eine Sonntagnachmittags- Vorstellung für die Vereine ... zu halben Preisen ... dann könnten auch Sie einmal die Partie bekommen ... im Vertrauen gesagt ...«, er beugte sich dicht an ihr Ohr, »ich habe heute schon Hochmann danach gefragt.«

      »Und was sagt er?« fragte Valeska, freudig erschrocken.

      »Was man gewöhnlich in solchen Fällen antwortet ... nicht ja und nicht nein ... die Hauptsache ist, daß Sie die Rolle bis auf den I-Punkt lernen, der Dobschütz absehen, was Sie können, und dann den rechten Augenblick abwarten.«

      Valeska starrte auf das Heftchen, das sie in der Hand hielt. Das »not for sale«, mit dem die Druckmanuskripte schließen, leuchtete ihr geheimnisvoll in fetter Schrift entgegen. Sie drehte das Buch um und las ebenso mechanisch auf der Vorderseite die Mitteilung, daß das Aufführungsrecht von »Lilith« allein durch den Verlag von Entsch in Berlin zu erwerben sei und österreichisch-ungarische Interessenten sich an den Hof- und Gerichtsadvokaten Eyrich in Wien wenden möchten.

      Sie traute der Sache nicht. Sie wußte jetzt, daß sich Hochmann in seine Theaterinterna überhaupt nicht hineinreden ließ, auch von Seybling nicht. Wahrscheinlich tat der Dandy nur so, um ihr Zutrauen zu gewinnen, und nahm die Sache gar nicht ernst.

      Immerhin steckte sie das Heftchen ein.

      »Danke schön!« sagte sie zu Seybling. »Was ist das für ein komischer Name ... Lilith ...«

      »Lilith, mein Fräulein,« erwiderte ihr Nachbar ernst, »war Adams erste Frau!«

      Das erregte Sensation am ganzen Tisch.

      Käthe bog sich erstaunt vor.

      »Hatte er denn zwei Frauen?«

      »Nach einer alten hebräischen Legende allerdings«, bestätigte Seybling, »erst die Lilith, dann die Eva!«

      »Und das Stück spielt im Paradies?«

      »Ha ... das könnte euch so passen ...«, murmelte der törichte Hammerschmiedt verstohlen vor sich hin.

      »Das Stück spielt in Berlin W«, erwiderte Seybling kaltblütig, »und in der Gegenwart ...«

      »Ja, aber was heißt denn dann Lilith?«

      Seybling lehnte sich im Stuhl zurück.

      »Lilith ist einfach das erste Weib im Leben des Mannes! Sie muß aus seinem Leben wieder verschwinden, ehe er sein eigentliches Weib, die Eva, die für ihn geschaffen ist, trifft. Sie wird für ihre Nachfolgerin geopfert, oder, um es Ihnen durch ein bekanntes Gleichnis plausibler zu machen: Wenn man Tee bereitet, schüttet man den ersten Aufguß weg. Er schmeckt bitter und herbe. Aber durch ihn wird der folgende Trank aromatisch. Das ist das Verhältnis von Lilith zu Eva ... oder, wenn Sie wollen, der Geliebten zur Ehefrau ...«

      »Und was ist Lilith in diesem Stück?« fragte Sedlek.

      »Eine kleine Konfektioneuse ...«, sagte Seybling, »vom Hausvogteiplatz in Berlin ...«

      »... Verrückt ...«, meinte Käthe Hannemann ... »... aber es ist wahr ... wenn man so an seine erste Liebe denkt ...«

      Hammerschmiedt warf ihr einen mißtrauischen Blick zu. Es erschien ihm kaum denkbar, daß die Hannemann sich dieser Tatsache noch entsinnen solle.

      Die aber merkte nichts davon. »Ich möchte sterben in des Frühlings Tagen ...«, sang sie melancholisch und leise vor sich hin.

      »Um Gottes willen ... jetzt wird sie wieder sentimental! ...« schrie die Ilgen ... »... Käthe ... tu mir den einzigen Gefallen und verschon' uns heute mit der Kirchhofsmauer, hinter der du eingescharrt sein willst, und all dem übrigen Zauber! ... wir kennen's ja schon.«

      Die schöne Hannemann lächelte verächtlich. »Beruhige dich, lieber Franz ...«, sagte sie ... »... euch werde ich gerade mein Inneres enthüllen ... euch! ...«

      Und sie goß schwermütig eine große Schale Sekt hinunter.

      »Na ... was haben's denn, Fräulein?« Der Ritter von Sedlek drehte scheinbar unabsichtlich die Platte mit dem gebratenen Fasanen so, daß die langen Schweiffedern Valeska im Gesicht kitzelten und diese erschrocken aus ihrem Brüten auffuhr ... »... Was ziehen's denn für ein trauriges Goscherl?«

      »Ich habe Kopfweh ...«, erwiderte die kleine Elten scheu.

      Seybling kam ihr gutmütig zu Hilfe.

      »Laßt mir das kleine Fräulein aus der Provinz in Frieden! Die muß sich hier erst eingewöhnen ...«

      Ja wirklich ... sie mußte sich hier erst eingewöhnen. Angstvoll sah Valeska vor sich hin. Vor ihr perlte der Sekt im Glase, der


Скачать книгу