Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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etwas für Sie habe ausrichten können ...« Er sann nach. »Vielleicht heute abend ...?«

      »Im Theater?«

      »Ins Theater komme ich nicht,« erwiderte Herr von Seybling, »aber nach dem Theater. Ich weiß einen Ort, wo einige geistsprühende Menschen unter Führung meines Freundes Hammerschmiedt soupieren. Fräulein Ilgen wird wohl auch dabei sein. Wenn ich Sie bitten darf, an unserem bescheidenen Mahle teilzunehmen ...«

      Er lachte laut auf, als er Valeskas verstörtes Gesicht sah.

      »Sie haben ganz recht, sich zu ängstigen,« flüsterte er herzlich, »geben Sie acht ... ich verzehre Sie mit Haut und Haaren, sowie wir bei Dressel eingetreten sind, angesichts der ganzen Gesellschaft. Das ist so eine kleine Schwäche von mir ...«

      Und etwas ernster setzte er hinzu:

      »Nun ... seien Sie vernünftig! ... Was soll Ihnen denn geschehen! ... Sie sind um halb neun mit dem Abschminken fertig, fahren zu Dressel, unterhalten sich ein paar Stunden anregend im Kreise heiterer Menschen und setzen sich, wenn Sie müde sind, wieder in eine Droschke und fahren nach Hause ...«

      »Ja ... aber ...«, sagte Valeska stockend.

      Seybling hatte die Türklinke in der Hand.

      »Ich will Sie nicht drängen!« meinte er kaltblütig. »Wenn es Ihnen mehr Spaß macht, so gehen Sie vom Theater direkt nach Hause und vergähnen Sie den Abend in Ihrem öden Stübchen ... Aber glauben Sie nur nicht, daß ein Mensch in Berlin das merkt oder Ihnen gar dafür dankt ...«

      Das wirkte.

      Valeska hielt ihrem Besucher die Hand hin.

      »Ich komme«, sagte sie, schwer atmend. »Sie haben es gut getroffen ... mit Ihrem Besuch ... gerade heute.«

      Das hatte Seybling schon lange gemerkt, wenn er auch den Grund nicht ahnte.

      »Also ... vergessen Sie nicht ...«, ermahnte er, »Dressel ... Unter den Linden ... nahe der Friedrichstraße ... jeder Droschkenkutscher erster Klasse weiß es. Und dort fragen Sie nur nach meiner Gesellschaft.«

      Valeska nickte willenlos.

      »Und Ihr Wort darauf ... Sie kommen?«

      »Ich komme«, sagte die kleine Elten mit trauriger Stimme ...

      XVII.

       Inhaltsverzeichnis

      Den ganzen Nachmittag hielt Valeska mit trotziger Energie an ihrem Entschluß fest.

      Wenn sie schon eine solche sein sollte, wenn es kein Mittel gab, ihre Vergangenheit abzuschütteln ... gut!

      Sie zwang sich, an nichts zu denken, nichts zu überlegen als das eine, daß sie am Abend um neun Uhr mit Seybling und seinen Freunden bei Dressel soupieren würde.

      Schließlich ... was war denn auch weiter dabei?

      Das verpflichtete ja zu nichts.

      Aber als sie sich am Abend, nachdem sie ihre paar Worte in dem Einakter gesprochen, in ihrer Garderobe abschminkte, erfaßte sie doch eine unbestimmte, quälende Angst.

      Mechanisch rieb sie sich mit Cold-cream die Schminke ab und dann mit einem Tuch das Gesicht trocken.

      Die Garderobiere, die ihr beim Umkleiden half, schwatzte allerhand. Sie achtete kaum darauf.

      Auch mit Thilda, die vor ihr fertig war und ging, hatte sie außer einem zweimaligen »Guten Abend!« kein Wort gewechselt.

      »Haben Sie schon jesehen, Fräulein?« meinte jetzt die Garderobiere zu Valeska, die sich, mit hochgehobenem linken Arm vor ihr stehend, ihr Zivilkleid an der Seite zuhaken ließ. »An dem jrünen Damast ist unten ein Stück vom Besatz losjetreten ...«

      Valeska sah auf die Robe und nickte gedankenlos.

      »Soll ick's nachher im Korb der Frau mitjeben, die Sie abholt ...?« fuhr die Garderobiere fort.

      Sie nickte wieder.

      »Ja ...«, sagte sie rauh, »und die Portierfrau braucht nicht auf mich zu warten. Ich komme heute später nach Hause, weil ich in Gesellschaft bin ...«

      Sie blickte auf die Uhr. So lange hatte das Umziehen noch nie gedauert. Es war nahe an neun.

      Rasch trat sie auf den Korridor hinaus, der verlassen dalag. Nur ein gelangweilter Feuerwehrmann stand ganz im Hintergrund.

      Von der Bühne her ertönten undeutlich erhobene, pathetisch schallende Stimmen durcheinander. Die Vorstellung der »Kleinen Herzogin« war in vollem Gange.

      Übrigens war es im Theater hundeleer gewesen, trotz des Sonntags. Namentlich in den Logen saßen kaum ein paar Menschen.

      Daß das schon im vorigen Winter wacklig gewesene Westend-Theater bis jetzt in dieser Saison sehr schlechte Geschäfte machte, war eine nicht mehr zu bezweifelnde Tatsache. Und eben jetzt hatte die Zensur wieder ein französisches Sittendrama, auf das man große Hoffnungen setzte, verboten.

      Schlimm, sehr schlimm.

      Aber Valeska hatte jetzt andere Dinge im Kopf. Leise ging sie durch ein Seitenpförtchen auf die Straße und zur nächsten Droschkenreihe hin.

      »Kutscher ... in dag Restaurant von Dressel ... Unter den Linden ... in der Nähe von ...«

      »Ick weiß schon, jnädiges Fräulein!« sagte der Kutscher gutmütig, dem Pferde die Decke abnehmend, und half ihr beim Einsteigen.

      »Also darf ich die Herrschaften bekannt machen ... hier Herr Hammerschmiedt ... einer Ihrer wärmsten Bewunderer und Verehrer ... hier Herr Ritter von Sedlek aus Wien ... ich warne Sie vor ihm und seinem schwarzen Mephistobart ... meine Herren ... Fräulein Valeska Elten ... ein neu aufgehender Stern des Westend-Theaters.«

      Die beiden Herren waren aufgestanden und verbeugten sich höflich.

      »Nun ... und die Damen ...«, fuhr Seybling fort, »die kennen sich ja schon.«

      Ja ... allerdings kannte Valeska die beiden, die da mit den drei Herren an dem runden gedeckten Tisch der Chambre séparée saßen.

      Die Ilgen und die Hannemann! ... Das waren gerade die Rechten!

      Am liebsten wäre sie umgekehrt. Aber das ging nun nicht mehr, und sie nahm beklommen neben Seybling Platz. Zu ihrer Linken saß Herr von Sedlek. Gegenüber Hammerschmiedt zwischen den beiden Freundinnen, die anfangs energisch gegen diese Trennung protestiert hatten.

      Auch jetzt war Franziska Ilgen noch schlechter Laune.

      »Laß mich in Ruhe!« sagte sie unwirsch zu dem Gigerl, der sie begütigen wollte.

      Und der senkte trübsinnig den Kopf.

      »Ich weiß nicht, was Sie heute wieder haben, Fränzchen ...«

      Das bei Valeskas Eintritt unterbrochene Gespräch wurde durch Seybling wieder aufgenommen. Offenbar wollte er der kleinen Elten Gelegenheit geben, sich unbeachtet an die neue Umgebung zu gewöhnen.

      »Ich mache ihn!« sagte er zu Sedlek. »Ich mache ihn ... verlassen Sie sich darauf ... zu Ultimo soll sich der grüne Junge verwundern ...«

      »Ja ... lieber Freund ...«, widersprach jener, »vergessen's nöt, daß der Verwaltungsrat ...«

      Aber da legte sich die Hannemann ins Mittel.

      »Kinder ...«, sagte sie und warf nach ihrer Gewohnheit das schöne Haupt verächtlich ins Genick, »wenn ihr jetzt nicht von eurer Börse aufhört, gehe ich auf und davon ...«

      »Sie haben recht, Fräulein Hannemann ...«, erwiderte Seybling ernst, »widmen wir uns den Damen, Herr von Sedlek ...«

      Er war gegen Künstlerinnen immer außerordentlich höflich. Das müsse so sein, meinte er. Schlecht behandeln dürfe man nur die Damen der guten Gesellschaft. Denn


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