Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik. Immanuel Kant

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Ausgewählte Schriften zur Geschichtsphilosophie, Ethik und Politik - Immanuel Kant


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nur ausrupfen; daß Amerikaner und Neger eine in Geistesanlagen unter die übrigen Glieder der Menschengattung gesunkene Race sind, andererseits aber nach eben so scheinbaren Nachrichten, daß sie hierin, was ihre Naturanlage betrifft, jedem andern Weltbewohner gleich zu schätzen sind, mithin dem Philosophen die Wahl bleibe, ob er Naturverschiedenheiten annehmen, oder alles nach dem Grundsatze tout comme chez nous beurtheilen will, dadurch denn alle seine über eine so wankende Grundlage errichtete Systeme den Anschein baufälliger Hypothesen bekommen müssen. Der Eintheilung der Menschengattung in Racen ist unser Verfasser nicht günstig, vornehmlich derjenigen nicht, welche sich auf anerbende Farben gründet, vermuthlich weil der Begriff einer Race ihm noch nicht deutlich bestimmt ist. In des siebenten Buches dritter Nummer nennt er die Ursache der klimatischen Verschiedenheit der Menschen eine genetische Kraft. Rec. macht sich von der Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinne des Verf. diesen Begriff. Er will einerseits das Evolutionssystem, andererseits aber auch den blos mechanischen Einfluß äußerer Ursachen als untaugliche Erläuterungsgründe abweisen und nimmt ein innerlich nach Verschiedenheit der äußeren Umstände sich selbst diesen angemessen modificirendes Lebensprincip als die Ursache derselben an, worin ihm Recensent völlig beitritt, nur mit dem Vorbehalt, daß, wenn die von innen organisirende Ursache durch ihre Natur etwa nur auf eine gewisse Zahl und Grad von Verschiedenheiten der Ausbildung ihres Geschöpfs eingeschränkt wäre (nach deren Ausrichtung sie nicht weiter frei wäre, um bei veränderten Umständen nach einem anderen Typus zu bilden), man diese Naturbestimmung der bildenden Natur auch wohl Keime oder ursprüngliche Anlagen nennen könnte, ohne darum die erstern als uranfänglich eingelegte und sich nur gelegentlich auseinander faltende Maschinen und Knospen (wie im Evolutionssystem) anzusehen, sondern wie bloße, weiter nicht erklärliche Einschränkungen eines sich selbst bildenden Vermögens, welches letztere wir eben so wenig erklären oder begreiflich machen können.

      Mit dem achten Buche fängt ein neuer Gedankengang an, der bis zum Schlusse dieses Theils fortwährt und den Ursprung der Bildung des Menschen als eines vernünftigen und sittlichen Geschöpfs, mithin den Anfang aller Cultur enthält, welcher nach dem Sinn des Verfassers nicht in dem eigenen Vermögen der Menschengattung, sondern gänzlich außer ihm in einer Belehrung und Unterweisung von andern Naturen zu suchen sei, von da anhebend alles Fortschreiten in der Cultur nichts als weitere Mittheilung und zufälliges Wuchern mit einer ursprünglichen Tradition sei, welcher und nicht ihm selbst der Mensch alle seine Annäherung zur Weisheit zuzuschreiben habe. Da Recensent, wenn er einen Fu außerhalb der Natur und dem Erkenntnißweg der Vernunft setzt, sich nicht weiter zu helfen weiß, da er in gelehrter Sprachforschung und Kenntniß oder Beurtheilung alter Urkunden gar nicht bewandert ist, mithin die daselbst erzählten und dadurch zugleich bewährten Facta philosophisch zu nutzen gar nicht versteht: so bescheidet er sich von selbst, daß er hier kein Urtheil habe. Indessen läßt sich von der weitläuftigen Belesenheit und von der besondern Gabe des Verfassers, zerstreute Data unter einen Gesichtspunkt zu fassen, wahrscheinlich zum voraus vermuthen, daß wir wenigstens über den Gang menschlicher Dinge, so fern er dazu dienen kann, den Charakter der Gattung und wo möglich selbst gewisse classische Verschiedenheiten derselben näher kennen zu lernen, viel Schönes werden zu lesen bekommen, welches auch für denjenigen, der über den ersten Anfang aller menschlichen Cultur anderer Meinung wäre, belehrend sein kann. Der Verfasser drückt die Grundlage der seinigen (S. 338-339 sammt der Anmerkung) kürzlich so aus: "Diese (mosaische) lehrende Geschichte erzählt: daß die ersten geschaffenen Menschen mit den unterweisenden Elohim im Umgange gewesen, daß sie unter Anleitung derselben durch Kenntniß der Thiere sich Sprache und herrschende Vernunft erworben, und da der Mensch ihnen auch auf eine verbotene Art in Erkenntniß des Bösen gleich werden wollen, er diese mit seinem Schaden erlangt und von nun an einen anderen Ort eingenommen, eine neue, künstlichere Lebensart angefangen habe. Wollte die Gottheit also, daß der Mensch Vernunft und Vorsicht übte: so mußte sie sich seiner auch mit Vernunft und Vorsicht annehmen. Wie nun aber die Elohim sich der Menschen angenommen, d. i. sie gelehrt, gewarnt und unterrichtet haben? Wenn es nicht eben so kühn ist hierüber zu fragen, als zu antworten: so soll uns an einem anderen Ort die Tradition selbst darüber Aufschluß geben."

      In einer unbefahrenen Wüste muß einem Denker gleich Reisenden frei stehen, seinen Weg nach Gutdünken zu wählen; man muß abwarten, wie es ihm gelingt, und ob er, nachdem er sein Ziel erreicht hat, wohlbehalten wieder zu Hause, d. i. im Sitze der Vernunft, zur rechten Zeit eintreffe und sich also auch Nachfolger versprechen könne. Um deswillen hat Recensent über den eigenen von dem Verfasser eingeschlagenen Gedankenweg nichts zu sagen, nur glaubt er berechtigt zu sein, einige auf diesem Wege von ihm angefochtene Sätze in Schutz zu nehmen, weil ihm jene Freiheit, sich seine Bahn selbst vorzuzeichnen, auch zustehen muß. Es heißt nämlich S. 260: "Ein zwar leichter, aber böser Grundsatz wäre es zur Philosophie der Menschengeschichte: der Mensch sei ein Thier, das einen Herrn nöthig habe und von diesem Herren oder der Verbindung derselben das Glück seiner Endbestimmung erwarte." Leicht mag er immer sein, darum weil ihn die Erfahrung aller Zeiten und an allen Völkern bestätigt, aber böse? S. 205 wird gesagt: "Gütig dachte die Vorsehung, daß sie den Kunstendzwecken großer Gesellschaften die leichtere Glückseligkeit einzelner Menschen vorzog und jene kostbare Staatsmaschinen, so viel sie konnte, für die Zeit sparte." Ganz recht, aber allererst die Glückseligkeit eines Thiers, dann die eines Kindes, eines Jünglings, endlich die eines Mannes. In allen Epochen der Menschheit, so wie auch zu derselben Zeit in allen Ständen findet eine Glückseligkeit statt, die gerade den Begriffen und der Gewohnheit des Geschöpfs an die Umstände, darin es geboren und erwachsen ist, angemessen ist; ja es ist sogar, was diesen Punkt betrifft, nicht einmal eine Vergleichung des Grades derselben und ein Vorzug einer Menschenclasse oder einer Generation vor der andern anzugeben möglich. Wie, wenn aber nicht dieses Schattenbild der Glückseligkeit, welches sich ein jeder selbst macht, sondern die dadurch ins Spiel gesetzte immer fortgehende und wachsende Thätigkeit und Cultur, deren größtmöglicher Grad nur das Product einer nach Begriffen des Menschenrechts geordneten Staatsverfassung, folglich ein Werk der Menschen selbst sein kann, der eigentliche Zweck der Vorsehung wäre? So würde nach S. 206 "jeder einzelne Mensch das Maß seiner Glückseligkeit in sich haben", ohne im Genusse derselben irgend einem der nachfolgenden Glieder nachzustehen; was aber den Werth nicht ihres Zustandes, wenn sie existiren, sondern ihrer Existenz selber, d. i. warum sie eigentlich daseien, betrifft, so würde sich nur hier allein eine weise Absicht im Ganzen offenbaren. Meint der Herr Verfasser wohl: daß, wenn die glücklichen Einwohner von Otaheite, niemals von gesittetern Nationen besucht, in ihrer ruhigen Indolenz auch tausende von Jahrhunderten durch zu leben bestimmt wären, man eine befriedigende Antwort auf die Frage geben könnte, warum sie denn gar existiren und ob es nicht eben so gut gewesen wäre, daß diese Insel mit glücklichen Schafen und Rindern, als mit im bloßen Genusse glücklichen Menschen besetzt gewesen wäre? Jener Grundsatz ist also nicht so böse, als der Herr Verfasser meint. - Es mag ihn wohl ein böser Mann gesagt haben. - Ein zweiter in Schutz zu nehmender Satz wäre dieser. S. 212 heißt es: "Wenn jemand sagte: daß nicht der einzelne Mensch, sondern das Geschlecht erzogen werde, so spräche er für mich unverständlich, da Geschlecht und Gattung nur allgemeine Begriffe sind, außer in so fern sie in einzelnen Wesen existiren. - Als wenn ich von der Thierheit, der Steinheit, der Metallheit im Allgemeinen spräche und sie mit den herrlichsten, aber in einzelnen Individuen einander widersprechenden Attributen auszierte! - Auf diesem Wege der averroischen Philosophie soll unsere Philosophie der Geschichte nicht wandeln". Freilich, wer da sagte: Kein einziges Pferd hat Hörner, aber die Pferdegattung ist doch gehörnt, der würde eine Platte Ungereimtheit sagen. Denn Gattung bedeutet alsdann nichts weiter, als das Merkmal, worin gerade alle Individuen unter einander übereinstimmen müssen. Wenn aber Menschengattung das Ganze einer ins Unendliche (unbestimmbare) gehenden Reihe von Zeugungen bedeutet (wie dieser Sinn denn ganz gewöhnlich ist), und es wird angenommen, daß diese Reihe der Linie ihrer Bestimmung, die ihr zur Seite läuft, sich unaufhörlich nähere, so ist es kein Widerspruch zu sagen: daß sie in allen ihren Theilen dieser asymptotisch sei und doch im Ganzen mit ihr zusammen komme, mit anderen Worten, daß kein Glied aller Zeugungen des Menschengeschlechts, sondern nur die Gattung ihre Bestimmung völlig erreiche. Der Mathematiker kann hierüber Erläuterung geben; der Philosoph würde sagen: die Bestimmung des menschlichen Geschlechts im Ganzen ist unaufhörliches Fortschreiten, und die Vollendung derselben ist eine bloße, aber in aller Absicht sehr nützliche Idee von dem Ziele, worauf wir der Absicht der Vorsehung gemäß unsere Bestrebungen zu richten


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