Seewölfe Paket 13. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer


Скачать книгу
einen anderen. Daraufhin nahm Poseidon Rache und zwang die Frau des Königs, Pasiphae hieß sie, glaube ich, sich in den Stier zu verlieben.“

      Irgendwo aus den Reihen klang Gelächter auf, und es hörte sich wie Gemekker an.

      Der Kutscher bedachte die Lacher mit einem eisigen Blick, und der bewirkte, daß das Gelächter augenblicklich verstummte.

      „Weiter“, sagte Hasard. „Laß dich durch den Unverstand einiger Holzköpfe nicht stören.“

      „Nun, die Königin verliebte sich und überredete den attischen Flüchtling Dädalus, eine Verabredung mit dem Stier zu treffen. Dädalus verwandelte sie daraufhin in eine Kuh. Der Meeresgott Poseidon veranlaßte dann den Stier, so wild zu werden, daß König Minos sich an Herakles wenden mußte, um ihn von diesem wilden Tier zu befreien.“

      Der Kutscher sah sich wieder um, aber niemand grinste. Natürlich klang die Geschichte höchst unwahrscheinlich, so dachten die meisten, aber sie waren jetzt auch auf das Ende der Erzählung gespannt und ermunterten den Kutscher, weiterzuerzählen.

      „Pasiphae, die Frau des Königs, gebar dann ein Wesen mit einem Menschenkörper und einem Stierkopf. Das ist Asterios, auch Minotaurus genannt, den ihr hier abgebildet seht. Minos verbannte ihn voller Empörung in das Labyrinth, das Dädalus gebaut hatte, und aus dem der Minotaurus nicht entweichen konnte. Eigentlich ist das die ganze Geschichte, soweit sie das Bild hier betrifft. Später dann führte Minos Krieg gegen die Griechen, weil die einen seiner Söhne getötet hatten. Beim Friedensschluß stellte er die Bedingung, daß ihm jedes Jahr sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge übergeben würden, die er dem Minotaurus opfern wollte.“

      „Und das hat er getan?“ fragte Big Old Shane gespannt.

      „Anfangs ja, dann erschien Theseus, der mit Hilfe von Minos Tochter Ariadne den Minotaurus tötete. Mehr weiß ich nicht darüber, aber von dieser Insel aus hat auch Ikarus seinen berühmten Flug unternommen. Jetzt seht ihr das vielleicht ein bißchen anders“, sagte der Kutscher.

      „Mann, Kutscher, du hast ja die Weisheit mit Löffeln gefressen!“ rief Matt Davies staunend. „Meinst du, an der Geschichte sei auch ein Körnchen Wahrheit dran?“

      „Das weiß ich nicht. Früher gab es oft solche Wunderdinge, und ein kleiner Teil wird schon stimmen.“

      Die Männer drängten sich jetzt um das Bildnis und betrachteten es tatsächlich mit anderen Augen, seit sie die Geschichte kannten.

      Bei einigen erwachte auch die Neugier, und sie wollten mehr über die seltsamen Geschichten wissen. So war der Kutscher wieder einmal der Mittelpunkt, und als sie nicht mehr über ihn lachten, erzählte er auch alles, was er wußte.

      Inzwischen waren die ersten Fässer an Bord gebracht worden. Die anderen Seewölfe erschienen ebenfalls und sahen sich das Bild an. Dazu gab der Kutscher für die, die es noch nicht wußten, noch einmal kurze Erklärungen.

      „Von Herakles habe ich schon mal gehört“, sagte Dan O’Flynn. „Aber das mit dem Stier wußte ich nicht. Ist das nicht der Gott, der sich auch Herkules nennt?“

      „Ein Halbgott“, verbesserte der Kutscher, „ein Sohn des Zeus und der Alkmene, dem von Eurystheus zwölf schwierige Aufgaben auferlegt wurden. Eine davon war die Zähmung des kretischen Stieres.“

      „Und das hat der geschafft?“ fragte Bob Grey staunend.

      „Der Sage nach ja. Er hat noch viel schwierigere Probleme gelöst. Zum Beispiel die Tötung der neunköpfigen Hydra, Tötung eines Löwen, Einfangen eines wilden Ebers, das Fangen einer windschnellen Hirschkuh, die Vertreibung der menschenfressenden Vögel. Auch den Höllenhund Zerberus hat er aus der Unterwelt heraufgebracht.“

      Eine Weile herrschte Schweigen, denn den Männern imponierte des Kutschers enormes Wissen. Nur als Carberry den Mund auftat, wurde das Gesicht des Kutschers grämlich, und er kriegte fast Zahnschmerzen.

      „Da seht ihr Rübenschweine einmal was ein einzelner Kerl leistet“, sagte Ed. „Der holt einen Hund aus der Hölle, und ihr Kanalratten bringt zu zweit nicht einmal ein Segel nach oben. Der schlägt einem neunköpfigen Eber den Schädel ab und fängt einen windschnellen Löwen. An dem könnt ihr euch ein Beispiel nehmen, ihr triefäugigen Kakerlaken. So einen Kerl hier an Bord, und wir wären die unumschränkten Herrscher aller Meere.“

      „Ein Glück nur, daß du kein Historiker bist“, sagte der Kutscher erleichtert. „Dann käme ja keiner mehr mit der Geschichte klar.“

      Dan konnte sich einen Seitenhieb ebenfalls nicht verkneifen.

      „Du hast noch etwas vergessen, Kutscher“, meinte er, „nämlich eine Sache, die Ed immer für sich in Anspruch nimmt, die aber auf Herkules zurückgeht.“

      „Und das wäre?“

      „Der hat mal einem zwanzigbeinigen Gorilla die Haut in Streifen von seinem Affenarsch gezogen, und Ed hat das bisher noch nicht mal bei Arwenack geschafft.“

      Carberrys mächtige Pranke schoß schon vor, um Dan beim Genick zu pakken, aber Dan O’Flynn tauchte noch rechtzeitig weg und grinste den Profos herausfordernd an.

      Wieder brandete Gelächter auf, als Hasard sich umdrehte.

      „Vergeßt die Fässer nicht“, sagte er. „Deshalb sind wir ja wohl hauptsächlich hier.“

      Dann wandte er sich an den Kutscher.

      „Wir steigen dort hinauf“, sagte er. „Dan, Ferris, Ed, ihr könnt euch da ebenfalls umsehen, wenn ihr wollt.“

      Das ließen sich die Männer nicht zweimal sagen.

      Links von dem Felsen, wo sich das Bildnis des Minotaurus befand, konnte man gut klettern. Als Orientierungspunkt wählte der Seewolf einen großen Stein, mehr einen länglich geformten Felsblock, der so auf der Kante lag, daß er bei einer leichten Berührung abstürzen konnte. Der Felsblock befand sich merkwürdigerweise genau über dem Felsenbild, und Hasard hatte das Gefühl, als liege er nicht nur zufällig dort.

      Als sie oben waren, fiel es auch Dan O’Flynn auf. Er bückte sich, um den Stein genauer zu betrachten. Er lag nur an einem einzigen Punkt auf und ähnelte einer Wippe, die sich nach zwei Seiten bewegen ließ.

      Zunächst aber sahen sie sich um.

      Hinter den Felsen ging es in welliges, hügeliges Land. Um einen See gruppiert standen Pinien, ein weiter Hain wilder Olivenbäume breitete sich aus. Etwas weiter links waren tatsächlich Säulen zu sehen, Relikte aus einer fernen Vergangenheit, und zwischen ihnen befand sich, aus Steinen nachgebildet, ein mächtiges Stierhorn.

      „Das ist eine der alten, längst untergegangenen Städte“, sagte der Kutscher andächtig. „Aber da gibt es leider nicht mehr viel zu sehen. Das meiste dürfte unter Sand und Schutt begraben sein.“

      Der Blick ging weiter auf See, dorthin, wo die Felsen ihn erneut begrenzten. Wollten sie einen besseren Ausblick genießen, mußten sie noch höher steigen.

      Carberry stellte seinen rechten Fuß auf den Felsklotz. Es sah so aus, als würde sich der Stein bewegen lassen. Aber der Seewolf warnte ihn sofort.

      „Vorsichtig, Ed! Wenn der Block in Bewegung gerät, fällt er mitten zwischen unsere Leute. Ein kleiner Stoß genügt.“

      „Der fällt nicht“, behauptete Ed. „Das Unterteil des Felsens ist tief in den Boden gewachsen. Den kriegen zwanzig Männer nicht von der Stelle.“

      „Ein merkwürdiger Stein“, sagte auch Ferris Tucker und ließ sich auf die Knie nieder. „Unten ist er so glatt, als habe man ihn künstlich abgeschliffen. Vielleicht wollte der unbekannte Bildhauer hier eine weitere Statue schaffen.“

      „Ein Stierhorn etwa“, meinte der Kutscher. „Das könnten jedenfalls die Anfänge gewesen sein.“

      „So dicht am Abgrund?“ fragte Hasard skeptisch. „Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich.“

      „Die Natur hat ihn jedenfalls nicht geschaffen“,


Скачать книгу